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  • 1801
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Die reine Jungfrau ist ihr keusches Sinnbild.

BURGUND. Verstrickend ist der L¸ge tr¸glich Wort, Doch ihre Rede ist wie eines Kindes.
Wenn bˆse Geister ihr die Worte leihn, So ahmen sie die Unschuld siegreich nach. Ich will nicht weiter hˆren. Zu den Waffen! Mein Ohr, ich f¸hle, ist schw‰cher als mein Arm.

JOHANNA. Du nennst mich eine Zauberin, gibst mir K¸nste Der Hˆlle schuld–Ist Frieden stiften, Hafl Versˆhnen ein Gesch‰ft der Hˆlle? Kommt Die Eintracht aus dem ewgen Pfuhl hervor? Was ist unschuldig, heilig, menschlich gut, Wenn es der Kampf nicht ist ums Vaterland? Seit wann ist die Natur so mit sich selbst Im Streite, dafl der Himmel die gerechte Sache Verl‰flt, und dafl die Teufel sie besch¸tzen? Ist aber das, was ich dir sage, gut,
Wo anders als von oben kˆnnt ichs schˆpfen? Wer h‰tte sich auf meiner Sch‰fertrift Zu mir gesellt, das kindsche Hirtenm‰dchen In kˆniglichen Dingen einzuweihn?
Ich bin vor hohen F¸rsten nie gestanden, Die Kunst der Rede ist dem Munde fremd.
Doch jetzt, da ichs bedarf dich zu bewegen, Besitz ich Einsicht, hoher Dinge Kunde,
Der L‰nder und der Kˆnige Geschick Liegt sonnenhell vor meinem Kindesblick, Und einen Donnerkeil f¸hr ich im Munde.

BURGUND (lebhaft bewegt, schl‰gt die Augen zu ihr auf und betrachtet sie mit Erstaunen und R¸hrung). Wie wird mir? Wie geschieht mir? Ists ein Gott, Der mir das Herz im tiefsten Busen wendet! –Sie tr¸gt nicht, diese r¸hrende Gestalt! Nein! Nein! Bin ich durch Zaubers Macht geblendet, So ists durch eine himmlische Gewalt,
Mir sagts das Herz, sie ist von Gott gesendet.

JOHANNA. Er ist ger¸hrt, er ists! Ich habe nicht Umsonst gefleht, des Zornes Donnerwolke schmilzt Von seiner Stirne tr‰nentauend hin,
Und aus den Augen, Friede strahlend, bricht Die goldne Sonne des Gef¸hls hervor.
–Weg mit den Waffen–dr¸cket Herz an Herz– Er weint, er ist bezwungen, er ist unser! (Schwert und Fahne entsinken ihr, sie eilt auf ihn zu mit ausgebreiteten Armen und umschlingt ihn mit leidenschaftlichem Ungest¸m. La Hire und Dunois lassen die Schwerter fallen und eilen ihn zu umarmen)

DRITTER AUFZUG

Hoflager des Kˆnigs zu Chalons an der Marne

Erster Auftritt

Dunois und La Hire

DUNOIS. Wir waren Herzensfreunde, Waffenbr¸der, F¸r eine Sache hoben wir den Arm
Und hielten fest in Not und Tod zusammen. Laflt Weiberliebe nicht das Band zertrennen, Das jeden Schicksalswechsel ausgehalten.

LA HIRE. Prinz, hˆrt mich an!

DUNOIS. Ihr liebt das wunderbare M‰dchen, Und mir ist wohl bekannt, worauf Ihr sinnt. Zum Kˆnig denkt Ihr stehnden Fufles jetzt Zu gehen, und die Jungfrau zum Geschenk
Euch zu erbitten–Eurer Tapferkeit
Kann er den wohlverdienten Preis nicht weigern. Doch wiflt–eh ich in eines andern Arm
Sie sehe–

LA HIRE. Hˆrt mich, Prinz!

DUNOIS. Es zieht mich nicht
Der Augen fl¸chtig schnelle Lust zu ihr. Den unbezwungnen Sinn hat nie ein Weib
Ger¸hrt, bis ich die Wunderbare sah, Die eines Gottes Schickung diesem Reich
Zur Retterin bestimmt und mir zum Weibe, Und in dem Augenblick gelobt ich mir
Mit heilgem Schwur als Braut sie heimzuf¸hren. Denn nur die Starke kann die Freundin sein Des starken Mannes, und dies gl¸hnde Herz Sehnt sich an einer gleichen Brust zu ruhn, Die seine Kraft kann fassen und ertragen.

LA HIRE. Wie kˆnnt ichs wagen, Prinz, mein schwach Verdienst Mit Eures Namens Heldenruhm zu messen!
Wo sich Graf Dunois in die Schranken stellt, Mufl jeder andre Mitbewerber weichen.
Doch eine niedre Sch‰ferin kann nicht Als Gattin w¸rdig Euch zur Seite stehn, Das kˆnigliche Blut, das Eure Adern
Durchrinnt, verschm‰ht so niedrige Vermischung.

DUNOIS. Sie ist das Gˆtterkind der heiligen Natur, wie ich, und ist mir ebenb¸rtig. Sie sollte eines F¸rsten Hand entehren, Die eine Braut der reinen Engel ist,
Die sich das Haupt mit einem Gˆtterschein Umgibt, der heller strahlt als irdsche Kronen, Die jedes Grˆflte, Hˆchste dieser Erden Klein unter ihren F¸flen liegen sieht; Denn alle F¸rstenthronen aufeinander
Gestellt, bis zu den Sternen fortgebaut, Erreichten nicht die Hˆhe, wo sie steht, In ihrer Engelsmajest‰t!

LA HIRE. Der Kˆnig mag entscheiden.

DUNOIS. Nein, sie selbst
Entscheide! Sie hat Frankreich frei gemacht Und selber frei mufl sie ihr Herz verschenken.

LA HIRE. Da kommt der Kˆnig!

DRITTER AUFZUG

Zweiter Auftritt

Karl. Agnes Sorel. Du Chatel, der Erzbischof und Chatillon zu den Vorigen

KARL (zu Chatillon). Er kommt! Er will als seinen Kˆnig mich Erkennen, sagt Ihr, und mir huldigen?

CHATILLON. Hier, Sire, in deiner kˆniglichen Stadt Chalons will sich der Herzog, mein Gebieter, Zu deinen F¸flen werfen.–Mir befahl er, Als meinen Herrn und Kˆnig dich zu gr¸flen, Er folgt mir auf dem Fufl, gleich naht er selbst.

SOREL. Er kommt! O schˆne Sonne dieses Tags, Der Freude bringt und Frieden und Versˆhnung!

CHATILLON. Mein Herr wird kommen mit zweihundert Rittern, Er wird zu deinen F¸flen niederknien,
Doch er erwartet, dafl du es nicht duldest, Als deinen Vetter freundlich ihn umarmest.

KARL. Mein Herz gl¸ht, an dem seinigen zu schlagen.

CHATILLON. Der Herzog bittet, dafl des alten Streits Beim ersten Wiedersehn mit keinem Worte Meldung gescheh!

KARL. Versenkt im Lethe sei
Auf ewig das Vergangene. Wir wollen Nur in der Zukunft heitre Tage sehn.

CHATILLON. Die f¸r Burgund gefochten, alle sollen In die Versˆhnung aufgenommen sein.

KARL. Ich werde so mein Kˆnigreich verdoppeln!

CHATILLON. Die Kˆnigin Isabeau soll in dem Frieden Mit eingeschlossen sein, wenn sie ihn annimmt.

KARL. Sie f¸hret Krieg mit mir, nicht ich mit ihr. Unser Streit ist aus, sobald sie selbst ihn endigt.

CHATILLON. Zwˆlf Ritter sollen b¸rgen f¸r dein Wort.

KARL. Mein Wort ist heilig.

CHATILLON. Und der Erzbischof
Soll eine Hostie teilen zwischen dir und ihm, Zum Pfand und Siegel redlicher Versˆhnung.

KARL. So sei mein Anteil an dem ewgen Heil, Als Herz und Handschlag bei mir einig sind. Welch andres Pfand verlangt der Herzog noch?

CHATILLON (mit einem Blick auf Du Chatel). Hier seh ich einen, dessen Gegenwart
Den ersten Grufl vergiften kˆnnte.

(Du Chatel geht schweigend)

KARL. Geh,
Du Chatel! Bis der Herzog deinen Anblick Ertragen kann, magst du verborgen bleiben! (Er folgt ihm mit den Augen, dann eilt er ihm nach und umarmt ihn) Rechtschaffner Freund! Du wolltest mehr als dies F¸r meine Ruhe tun!
(Du Chatel geht ab)

CHATILLON. Die andern Punkte nennt dies Instrument.

KARL (zum Erzbischof). Bringt es in Ordnung. Wir genehmgen alles, F¸r einen Freund ist uns kein Preis zu hoch. Geht, Dunois! Nehmt hundert edle Ritter
Mit Euch und holt den Herzog freundlich ein. Die Truppen alle sollen sich mit Zweigen Bekr‰nzen, ihre Br¸der zu empfangen.
Zum Feste schm¸cke sich die ganze Stadt, Und alle Glocken sollen es verk¸nden,
Dafl Frankreich und Burgund sich neu verb¸nden. (Ein Edelknecht kommt. Man hˆrt Trompeten) Horch! Was bedeutet der Trompeten Ruf?

EDELKNECHT. Der Herzog von Burgund h‰lt seinen Einzug. (Geht ab)

DUNOIS (geht mit La Hire und Chatillon). Auf! Ihm entgegen!

KARL (zur Sorel). Agnes, du weinst? Beinah gebricht auch mir Die St‰rke, diesen Auftritt zu ertragen. Wie viele Todesopfer muflten fallen,
Bis wir uns friedlich konnten wiedersehen. Doch endlich legt sich jedes Sturmes Wut, Tag wird es auf die dickste Nacht, und kommt Die Zeit, so reifen auch die sp‰tsten Fr¸chte!

ERZBISCHOF (am Fenster).
Der Herzog kann sich des Gedr‰nges kaum Erledigen. Sie heben ihn vom Pferd,
Sie k¸ssen seinen Mantel, seine Sporen.

KARL. Es ist ein gutes Volk, in seiner Liebe Raschlodernd wie in seinem Zorn.–Wie schnell Vergessen ists, dafl eben dieser Herzog Die V‰ter ihnen und die Sˆhne schlug, Der Augenblick verschlingt ein ganzes Leben! –Fafl dich, Sorel! Auch deine heftge Freude Mˆcht ihm ein Stachel in die Seele sein, Nichts soll ihn hier besch‰men, noch betr¸ben.

DRITTER AUFZUG

Dritter Auftritt

Die Vorigen. Herzog von Burgund. Dunois. La Hire. Chatillon und noch zwei andere Ritter von des Herzogs Gefolge. Der Herzog bleibt am Eingang stehen, der Kˆnig bewegt sich gegen ihn, sogleich n‰hert sich Burgund und in dem Augenblick, wo er sich auf ein Knie will niederlassen, empf‰ngt ihn der Kˆnig in seinen Armen

KARL. Ihr habt uns ¸berrascht–Euch einzuholen Gedachten wir–Doch Ihr habt schnelle Pferde.

BURGUND. Sie trugen mich zu meiner Pflicht. (Er umarmt die Sorel und k¸flt sie auf die Stirne) Mit Eurer Erlaubnis,
Base. Das ist unser Herrenrecht
Zu Arras und kein schˆnes Weib darf sich Der Sitte weigern.

KARL. Eure Hofstatt ist
Der Sitz der Minne, sagt man, und der Markt, Wo alles Schˆne mufl den Stapel halten.

BURGUND. Wir sind ein handeltreibend Volk, mein Kˆnig. Was kˆstlich w‰chst in allen Himmelstrichen, Wird ausgestellt zur Schau und zum Genufl Auf unserm Markt zu Br¸gg, das hˆchste aber Von allen G¸tern ist der Frauen Schˆnheit.

SOREL. Der Frauen Treue gilt noch hˆhern Preis, Doch auf dem Markte wird sie nicht gesehn.

KARL. Ihr steht in bˆsem Ruf und Leumund, Vetter, Dafl Ihr der Frauen schˆnste Tugend schm‰ht.

BURGUND. Die Ketzerei straft sich am schwersten selbst. Wohl Euch, mein Kˆnig! Fr¸h hat Euch das Herz, Was mich ein wildes Leben sp‰t, gelehrt! (Er bemerkt den Erzbischof und reicht ihm die Hand) Ehrw¸rdger Mann Gottes! Euren Segen!
Euch trifft man immer auf dem rechten Platz, Wer Euch will finden, mufl im Guten wandeln.

ERZBISCHOF. Mein Meister rufe, wenn er will, dies Herz Ist freudensatt und ich kann frˆhlich scheiden, Da meine Augen diesen Tag gesehn!

BURGUND (zur Sorel). Man spricht, Ihr habt Euch Eurer edeln Steine Beraubt, um Waffen gegen mich daraus
Zu schmieden? Wie? Seid Ihr so kriegerisch Gesinnt? Wars Euch so ernst mich zu verderben, Doch unser Streit ist nun vorbei, es findet Sich alles wieder, was verloren war,
Auch Euer Schmuck hat sich zur¸ckgefunden, Zum Kriege wider mich war er bestimmt,
Nehmt ihn aus meiner Hand zum Friedenszeichen. (Er empf‰ngt von einem seiner Begleiter das Schmuckk‰stchen und ¸berreicht es ihr geˆffnet. Agnes Sorel sieht den Kˆnig betroffen an)

KARL. Nimm das Geschenk, es ist ein zweifach teures Pfand Der schˆnen Liebe mir und der Versˆhnung.

BURGUND (indem er eine brillantne Rose in ihre Haare steckt). Warum ist es nicht Frankreichs Kˆnigskrone? Ich w¸rde sie mit gleich geneigtem Herzen Auf diesem schˆnen Haupt befestigen.
(Ihre Hand bedeutend fassend)
Und–z‰hlt auf mich, wenn Ihr dereinst des Freundes Bed¸rfen solltet!
(Agnes Sorel in Tr‰nen ausbrechend tritt auf die Seite, auch der Kˆnig bek‰mpft eine grofle Bewegung, alle Umstehende blicken ger¸hrt auf beide F¸rsten)

BURGUND (nachdem er alle der Reihe nach angesehen, wirft er sich in die Arme des Kˆnigs).
O mein Kˆnig!
(In demselben Augenblick eilen die drei burgundischen Ritter auf Dunois, La Hire und den Erzbischof zu und umarmen einander. Beide F¸rsten liegen eine Zeitlang einander sprachlos in den Armen) Euch konnt ich hassen! Euch konnt ich entsagen!

KARL. Still! Still! Nicht weiter!

BURGUND. Diesen Engell‰nder
Konnt ich krˆnen! Diesem Fremdling Treue schwˆren! Euch meinen Kˆnig ins Verderben st¸rzen!

KARL. Vergeflt es! Alles ist verziehen. Alles Tilgt dieser einzge Augenblick. Es war
Ein Schicksal, ein ungl¸ckliches Gestirn!

BURGUND (faflt seine Hand).
Ich will gutmachen! Glaubet mir, ich wills. Alle Leiden sollen Euch erstattet werden, Euer ganzes Kˆnigreich sollt Ihr zur¸ck Empfangen–nicht ein Dorf soll daran fehlen!

KARL. Wir sind vereint. Ich f¸rchte keinen Feind mehr.

BURGUND. Glaubt mir, ich f¸hrte nicht mit frohem Herzen Die Waffen wider Euch. O w¸fltet Ihr– Warum habt Ihr mir diese nicht geschickt? (Auf die Sorel zeigend) Nicht widerstanden h‰tt ich ihren Tr‰nen! –Nun soll uns keine Macht der Hˆlle mehr Entzweien, da wir Brust an Brust geschlossen! Jetzt hab ich meinen wahren Ort gefunden, An diesem Herzen endet meine Irrfahrt.

ERZBISCHOF (tritt zwischen beide).
Ihr seid vereinigt, F¸rsten! Frankreich steigt Ein neu verj¸ngter Phˆnix aus der Asche, Uns l‰chelt eine schˆne Zukunft an.
Des Landes tiefe Wunden werden heilen, Die Dˆrfer, die verw¸steten, die St‰dte Aus ihrem Schutt sich prangender erheben, Die Felder decken sich mit neuem Gr¸n
Doch, die das Opfer eures Zwists gefallen, Die Toten stehen nicht mehr auf, die Tr‰nen, Die eurem Streit geflossen, sind und bleiben Geweint! Das kommende Geschlecht wird bl¸hen, Doch das vergangne war des Elends Raub,
Der Enkel Gl¸ck erweckt nicht mehr die V‰ter. Das sind die Fr¸chte eures Bruderzwists! Laflts euch zur Lehre dienen! F¸rchtet die Gottheit Des Schwerts, eh ihrs der Scheid entreiflt. Loslassen Kann der Gewaltige den Krieg, doch nicht Gelehrig wie der Falk sich aus den L¸ften Zur¸ckschwingt auf des J‰gers Hand, gehorcht Der wilde Gott dem Ruf der Menschenstimme. Nicht zweimal kommt im rechten Augenblick Wie heut die Hand des Retters aus den Wolken.

BURGUND. O Sire! Euch wohnt ein Engel an der Seite. –Wo ist sie? Warum seh ich sie nicht hier?

KARL. Wo ist Johanna? Warum fehlt sie uns In diesem festlich schˆnen Augenblick,
Den sie uns schenkte?

ERZBISCHOF. Sire! Das heilge M‰dchen Liebt nicht die Ruhe eines m¸flgen Hofs, Und ruft sie nicht der gˆttliche Befehl Ans Licht der Welt hervor, so meidet sie Versch‰mt den eitlen Blick gemeiner Augen! Gewifl bespricht sie sich mit Gott, wenn sie F¸r Frankreichs Wohlfahrt nicht gesch‰ftig ist, Denn allen ihren Schritten folgt der Segen.

DRITTER AUFZUG

Vierter Auftritt

Johanna zu den Vorigen. Sie ist im Harnisch, aber ohne Helm, und tr‰gt einen Kranz in den Haaren

KARL Du kommst als Priesterin geschm¸ckt, Johanna, Den Bund, den du gestiftet, einzuweihn?

BURGUND. Wie schrecklich war die Jungfrau in der Schlacht, Und wie umstrahlt mit Anmut sie der Friede! –Hab ich mein Wort gelˆst, Johanna? Bist du Befriedigt und verdien ich deinen Beifall?

JOHANNA. Dir selbst hast du die grˆflte Gunst erzeigt. Jetzt schimmerst du in segenvollem Licht, Da du vorhin in blutrotd¸sterm Schein
Ein Schreckensmond an diesem Himmel hingst. (Sich umschauend)
Viel edle Ritter find ich hier versammelt Und alle Augen gl‰nzen freudenhell,
Nur einem Traurigen hab ich begegnet, Der sich verbergen mufl, wo alles jauchzt.

BURGUND. Und wer ist sich so schwerer Schuld bewuflt, Dafl er an unsrer Huld verzweifeln m¸flte,

JOHANNA. Darf er sich nahn? O sage, dafl ers darf? Mach dein Verdienst vollkommen. Eine Versˆhnung Ist keine, die das Herz nicht ganz befreit. Ein Tropfe Hafl, der in dem Freudenbecher Zur¸ckbleibt, macht den Segenstrank zum Gift. –Kein Unrecht sei so blutig, dafl Burgund An diesem Freudentag es nicht vergebe!

BURGUND. Ha, ich verstehe dich!

JOHANNA. Und willst verzeihn?
Du willst es, Herzog?–Komm herein, Du Chatel! (Sie ˆffnet die T¸r und f¸hrt Du Chatel herein, dieser bleibt in der Entfernung stehen)
Der Herzog ist mit seinen Feinden allen Versˆhnt, er ist es auch mit dir.
(Du Chatel tritt einige Schritte n‰her und sucht in den Augen des Herzogs zu lesen)

BURGUND. Was machst du
Aus mir, Johanna? Weiflt du, was du foderst?

JOHANNA. Ein g¸tger Herr tut seine Pforten auf F¸r alle G‰ste, keinen schlieflt er aus; Frei wie das Firmament die Welt umspannt, So mufl die Gnade Freund und Feind umschlieflen. Es schickt die Sonne ihre Strahlen gleich Nach allen R‰umen der Unendlichkeit,
Gleichmessend gieflt der Himmel seinen Tau Auf alle durstenden Gew‰chse aus.
Was irgend gut ist und von oben kommt, Ist allgemein und ohne Vorbehalt,
Doch in den Falten wohnt die Finsternis!

BURGUND. O sie kann mit mir schalten wie sie will, Mein Herz ist weiches Wachs in ihrer Hand. –Umarmt mich, Du Chatel; ich vergeb Euch. Geist meines Vaters, z¸rne nicht, wenn ich Die Hand, die dich getˆtet, freundlich fasse. Ihr Todesgˆtter, rechnet mirs nicht zu, Dafl ich mein schrecklich Rachgel¸bde breche. Bei euch dort unten in der ewgen Nacht,
Da schl‰gt kein Herz mehr, da ist alles ewig, Steht alles unbeweglich fest–doch anders Ist es hier oben in der Sonne Licht.
Der Mensch ist, der lebendig f¸hlende, Der leichte Raub des m‰chtgen Augenblicks.

KARL (zu Johanna). Was dank ich dir nicht alles, hohe Jungfrau! Wie schˆn hast du dein Wort gelˆst!
Wie schnell mein ganzes Schicksal umgewandelt! Die Freunde hast du mir versˆhnt, die Feinde Mir in den Staub gest¸rzt, und meine St‰dte Dem fremden Joch entrissen–Du allein
Vollbrachtest alles.–Sprich, wie lohn ich dir!

JOHANNA. Sei immer menschlich, Herr, im Gl¸ck, wie dus Im Ungl¸ck warst–und auf der Grˆfle Gipfel Vergifl nicht, was ein Freund wiegt in der Not, Du hasts in der Erniedrigung erfahren.
Verweigre nicht Gerechtigkeit und Gnade Dem letzten deines Volks, denn von der Herde Berief dir Gott die Retterin–du wirst
Ganz Frankreich sammeln unter deinen Szepter, Der Ahn, und Stammherr grofler F¸rsten sein, Die nach dir kommen, werden heller leuchten, Als die dir auf dem Thron vorangegangen. Dein Stamm wird bl¸hn, solang er sich die Liebe Bewahrt im Herzen seines Volks,
Der Hochmut nur kann ihn zum Falle fahren, Und von den niedern H¸tten, wo dir jetzt Der Retter ausging, droht geheimnisvoll
Den schuldgefleckten Enkeln das Verderben!

BURGUND. Erleuchtet M‰dchen, das der Geist beseelt, Wenn deine Augen in die Zukunft dringen, So sprich mir auch von meinem Stamm! Wird er Sich herrlich breiten wie er angefangen?

JOHANNA. Burgund! Hoch bis zu Throneshˆhe hast Du deinen Stuhl gesetzt, und hˆher strebt Das stolze Herz, es hebt bis in die Wolken Den k¸hnen Bau.–Doch eine Hand von oben Wird seinem Wachstum schleunig Halt gebieten. Doch f¸rchte drum nicht deines Hauses Fall! In einer Jungfrau lebt es gl‰nzend fort, Und zeptertragende Monarchen, Hirten
Der Vˆlker werden ihrem Schofl entbl¸hn. Sie werden herrschen auf zwei groflen Thronen, Gesetze schreiben der bekannten Welt
Und einer neuen, welche Gottes Hand Noch zudeckt hinter unbeschifften Meeren.

KARL. O sprich, wenn es der Geist dir offenbaret, Wird dieses Freundesb¸ndnis, das wir jetzt Erneut, auch noch die sp‰ten Enkelsˆhne Vereinigen?

JOHANNA (nach einem Stillschweigen).
Ihr Kˆnige und Herrscher!
F¸rchtet die Zwietracht! Wecket nicht den Streit Aus seiner Hˆhle, wo er schl‰ft, denn einmal Erwacht bez‰hmt er sp‰t sich wieder! Enkel Erzeugt er sich, ein eisernes Geschlecht, Fortz¸ndet an dem Brande sich der Brand. –Verlangt nicht mehr zu wissen! Freuet euch Der Gegenwart, laflt mich die Zukunft still Bedecken!

SOREL. Heilig M‰dchen, du erforschest Mein Herz, du weiflt, ob es nach Grˆfle eitel strebt. Auch mir gib ein erfreuliches Orakel.

JOHANNA. Mir zeigt der Geist nur grofle Weltgeschicke, Dein Schicksal ruht in deiner eignen Brust!

Dunois. Was aber wird dein eigen Schicksal sein, Erhabnes M‰dchen, das der Himmel liebt! Dir bl¸ht gewifl das schˆnste Gl¸ck der Erden, Da du so fromm und heilig bist.

JOHANNA. Das Gl¸ck
Wohnt droben in dem Schofl des ewgen Vaters.

KARL. Dein Gl¸ck sei fortan deines Kˆnigs Sorge! Denn deinen Namen will ich herrlich machen In Frankreich, selig preisen sollen dich Die sp‰testen Geschlechter–und gleich jetzt Erf¸ll ich es.–Knie nieder!
(Er zieht das Schwert und ber¸hrt sie mit demselben) Und steh auf Als eine Edle! Ich erhebe dich, Dein Kˆnig, aus dem Staube deiner dunkeln Geburt–Im Grabe adl ich deine V‰ter– Du sollst die Lilie im Wappen tragen,
Den Besten sollst du ebenb¸rtig sein In Frankreich, nur das kˆnigliche Blut
Von Valois sei edler als das deine! Der Grˆflte meiner Groflen f¸hle sich Durch deine Hand geehrt, mein sei die Sorge, Dich einem edeln Gatten zu verm‰hlen.

DUNOIS (tritt vor). Mein Herz erkor sie, da sie niedrig war, Die neue Ehre, die ihr Haupt umgl‰nzt, Erhˆht nicht ihr Verdienst, noch meine Liebe. Hier in dem Angesichte meines Kˆnigs
Und dieses heilgen Bischofs reich ich ihr Die Hand als meiner f¸rstlichen Gemahlin, Wenn sie mich w¸rdig h‰lt, sie zu empfangen.

KARL. Unwiderstehlich M‰dchen, du h‰ufst Wunder Auf Wunder! Ja, nun glaub ich, dafl dir nichts Unmˆglich ist. Du hast dies stolze Herz Bezwungen, das der Liebe Allgewalt
Hohn sprach bis jetzt.

LA HIRE (tritt vor). Johannas schˆnster Schmuck, Kenn ich sie recht, ist ihr bescheidnes Herz. Der Huldigung des Grˆflten ist sie wert, Doch nie wird sie den Wunsch so hoch erheben. Sie strebt nicht schwindelnd irdscher Hoheit nach, Die treue Neigung eines redlichen
Gem¸ts gen¸gt ihr, und das stille Los, Das ich mit dieser Hand ihr anerbiete.

KARL. Auch du, La Hire? Zwei treffliche Bewerber An Heldentugend gleich und Kriegesruhm!
–Willst du, die meine Feinde mir versˆhnt, Mein Reich vereinigt, mir die liebsten Freunde Entzwein? Es kann sie einer nur besitzen, Und jeden acht ich solches Preises wert. So rede du, dein Herz mufl hier entscheiden.

SOREL (tritt n‰her). Die edle Jungfrau seh ich ¸berrascht Und ihre Wangen f‰rbt die z¸chtge Scham. Man geb ihr Zeit, ihr Herz zu fragen, sich Der Freundin zu vertrauen und das Siegel Zu lˆsen von der fest verschloflnen Brust. Jetzt ist der Augenblick gekommen, wo
Auch ich der strengen Jungfrau schwesterlich Mich nahen, ihr den treu verschwiegnen Busen Darbieten darf–Man lafl uns weiblich erst Das Weibliche bedenken und erwarte,
Was wir beschlieflen werden.

KARL (im Begriff zu gehen). Also seis!

JOHANNA. Nicht also, Sire! Was meine Wangen f‰rbte, War die Verwirrung nicht der blˆden Scham. Ich habe dieser edeln Frau nichts zu vertraun, Dess’ ich vor M‰nnern mich zu sch‰men h‰tte. Hoch ehrt mich dieser edeln Ritter Wahl. Doch nicht verliefl ich meine Sch‰fertrift, Um weltlich eitle Hoheit zu erlagen,
Noch mir den Brautkranz in das Haar zu flechten, Legt ich die ehrne Waffenr¸stung an.
Berufen bin ich zu ganz anderm Werk, Die reine Jungfrau nur kann es vollenden. Ich bin die Kriegerin des hˆchsten Gottes, Und keinem Manne kann ich Gattin sein.

ERZBISCHOF. Dem Mann zur liebenden Gef‰hrtin ist Das Weib geboren–wenn sie der Natur
Gehorcht, dient sie am w¸rdigsten dem Himmel! Und hast du dem Befehle deines Gottes,
Der in das Feld dich rief, genuggetan, So wirst du deine Waffen von dir legen,
Und wiederkehren zu dem sanfteren
Geschlecht, das du verleugnet hast, das nicht Berufen ist zum blutgen Werk der Waffen.

JOHANNA. Ehrw¸rdger Herr, ich weifl noch nicht zu sagen, Was mir der Geist gebieten wird zu tun;
Doch wenn die Zeit kommt, wird mir seine Stimme Nicht schweigen, und gehorchen werd ich ihr. Jetzt aber heiflt er mich mein Werk vollenden, Die Stirne meines Herren ist noch nicht
Gekrˆnt, das heilge ÷l hat seine Scheitel Noch nicht benetzt, noch heiflt mein Herr nicht Kˆnig.

KARL. Wir sind begriffen auf dem Weg nach Reims.

JOHANNA. Lafl uns nicht still stehn, denn gesch‰ftig sind Die Feinde rings, den Weg dir zu verschlieflen. Doch mitten durch sie alle f¸hr ich dich!

DUNOIS. Wenn aber alles wird vollendet sein, Wenn wir zu Reims nun siegend eingezogen, Wirst du mir dann vergˆnnen, heilig M‰dchen–

JOHANNA. Will es der Himmel, dafl ich sieggekrˆnt Aus diesem Kampf des Todes wiederkehre,
So ist mein Werk vollendet–und die Hirtin Hat kein Gesch‰ft mehr in des Kˆnigs Hause.

KARL (ihre Hand fassend).
Dich treibt des Geistes Stimme jetzt, es schweigt Die Liebe in dem gotterf¸llten Busen.
Sie wird nicht immer schweigen, glaube mir! Die Waffen werden ruhn, es f¸hrt der Sieg Den Frieden an der Hand, dann kehrt die Freude In jeden Busen ein, und sanftere
Gef¸hle wachen auf in allen Herzen– Sie werden auch in deiner Brust erwachen, Und Tr‰nen s¸fler Sehnsucht wirst du weinen, Wie sie dein Auge nie vergofl–dies Herz, Das jetzt der Himmel ganz erf¸llt, wird sich Zu einem irdschen Freunde liebend wenden– Jetzt hast du rettend Tausende begl¸ckt, Und einen zu begl¸cken wirst du enden!

JOHANNA. Dauphin! Bist du der gˆttlichen Erscheinung Schon m¸de, dafl du ihr Gef‰fl zerstˆren, Die reine Jungfrau, die dir Gott gesendet, Herab willst ziehn in den gemeinen Staub, Ihr blinden Herzen! Ihr Kleingl‰ubigen! Des Himmels Herrlichkeit umleuchtet euch, Vor eurem Aug enth¸llt er seine Wunder, Und ihr erblickt in mir nichts als ein Weib. Darf sich ein Weib mit kriegerischem Erz Umgeben, in die M‰nnerschlacht sich mischen? Weh mir, wenn ich das Rachschwert meines Gottes In H‰nden f¸hrte, und im eiteln Herzen Die Neigung tr¸ge zu dem irdschen Mann! Mir w‰re besser, ich w‰r nie geboren! Kein solches Wort mehr, sag ich euch, wenn ihr Den Geist in mir nicht z¸rnend wollt entr¸sten! Der M‰nner Auge schon, das mich begehrt, Ist mir ein Grauen und Entheiligung.

KARL. Brecht ab. Es ist umsonst sie zu bewegen.

JOHANNA. Befiehl, dafl man die Kriegstrommete blase! Mich preflt und ‰ngstigt diese Waffenstille, Es jagt mich auf aus dieser m¸flgen Ruh, Und treibt mich fort, dafl ich mein Werk erf¸lle, Gebietrisch mahnend meinem Schicksal zu.

DRITTER AUFZUG

F¸nfter Auftritt

Ein Ritter eilfertig

KARL. Was ists?

RITTER. Der Feind ist ¸ber die Marne gegangen, Und stellt sein Heer zum Treffen.

JOHANNA (begeistert). Schlacht und Kampf! Jetzt ist die Seele ihrer Banden frei.
Bewaffnet euch, ich ordn indes die Scharen. (Sie eilt hinaus)

KARL. Folgt ihr, La Hire–Sie wollen uns am Tore Von Reims noch um die Krone k‰mpfen lassen!

DUNOIS. Sie treibt nicht wahrer Mut. Es ist der letzte Versuch ohnm‰chtig w¸tender Verzweiflung.

KARL. Burgund, Euch sporn ich nicht. Heut ist der Tag, Um viele bˆse Tage zu verg¸ten.

BURGUND. Ihr sollt mit mir zufrieden sein.

KARL. Ich selbst
Will Euch vorangehn auf dem Weg des Ruhms, Und in dem Angesicht der Krˆnungsstadt
Die Krone mir erfechten.–Meine Agnes! Dein Ritter sagt dir Lebewohl!

AGNES (umarmt ihn). Ich weine nicht, ich zittre nicht f¸r dich, Mein Glaube greift vertrauend in die Wolken! So viele Pf‰nder seiner Gnade gab
Der Himmel nicht, dafl wir am Ende trauern! Vom Sieg gekrˆnt umarm ich meinen Herrn, Mir sagts das Herz, in Reims’ bezwungnen Mauern.

(Trompeten erschallen mit mutigem Ton und gehen, w‰hrend dafl verwandelt wird, in ein wildes Kriegsget¸mmel ¸ber, das Orchester f‰llt ein bei offener Szene und wird von kriegerischen Instrumenten hinter der Szene begleitet) Der Schauplatz verwandelt sich in eine freie Gegend, die von B‰umen begrenzt wird. Man sieht w‰hrend der Musik Soldaten ¸ber den Hintergrund schnell wegziehen

DRITTER AUFZUG

Sechster Auftritt

Talbot auf Fastolf gest¸tzt und von Soldaten begleitet. Gleich darauf Lionel

TALBOT. Hier unter diesen B‰umen setzt mich nieder, Und ihr begebt euch in die Schlacht zur¸ck, Ich brauche keines Beistands, um zu sterben.

FASTOLF. O ungl¸ckselig jammervoller Tag! (Lionel tritt auf)
Zu welchem Anblick kommt Ihr, Lionel! Hier liegt der Feldherr auf den Tod verwundet.

LIONEL. Das wolle Gott nicht! Edler Lord, steht auf! Jetzt ists nicht Zeit, ermattet hinzusinken. Weicht nicht dem Tod, gebietet der Natur Mit Eurem m‰chtgen Willen, dafl sie lebe!

TALBOT. Umsonst! Der Tag des Schicksals ist gekommen, Der unsern Thron in Frankreich st¸rzen soll. Vergebens in verzweiflungsvollem Kampf
Wagt ich das Letzte noch, ihn abzuwenden. Vom Stahl dahin geschmettert lieg ich hier, Um nicht mehr aufzustehn.–Reims ist verloren, So eilt, Paris zu retten!

LIONEL. Paris hat sich vertragen mit dem Dauphin, Soeben bringt ein Eilbot uns die Nachricht.

TALBOT (reiflt den Verband ab).
So strˆmet hin, ihr B‰che meines Bluts, Denn ¸berdr¸ssig bin ich dieser Sonne!

LIONEL. Ich kann nicht bleiben.–Fastolf, bringt den Feldherrn An einen sichern Ort, wir kˆnnen uns
Nicht lange mehr auf diesem Posten halten. Die Unsern fliehen schon von allen Seiten, Unwiderstehlich dringt das M‰dchen vor–

TALBOT. Unsinn, du siegst und ich mufl untergehn! Mit der Dummheit k‰mpfen Gˆtter selbst vergebens. Erhabene Vernunft, lichthelle Tochter
Des gˆttlichen Hauptes, weise Gr¸nderin Des Weltgeb‰udes, F¸hrerin der Sterne, Wer bist du denn, wenn du dem tollen Rofl Des Aberwitzes an den Schweif gebunden,
Ohnm‰chtig rufend, mit dem Trunkenen Dich sehend in den Abgrund st¸rzen muflt! Verflucht sei, wer sein Leben an das Grofle Und W¸rdge wendet und bedachte Plane
Mit weisem Geist entwirft! Dem Narrenkˆnig Gehˆrt die Welt–

LIONEL. Mylord! Ihr habt nur noch
F¸r wenig Augenblicke Leben–denkt An Euren Schˆpfer!

TALBOT. W‰ren wir als Tapfre
Durch andre Tapfere besiegt, wir kˆnnten Uns trˆsten mit dem allgemeinen Schicksal, Das immer wechselnd seine Kugel dreht–
Doch solchem groben Gaukelspiel erliegen! War unser ernstes arbeitvolles Leben
Keines ernsthaftem Ausgangs wert?

LIONEL (reicht ihm die Hand).
Mylord, fahrt wohl! Der Tr‰nen schuldgen Zoll Will ich Euch redlich nach der Schlacht entrichten, Wenn ich alsdann noch ¸brig bin. Jetzt aber Ruft das Geschick mich fort, das auf dem Schlachtfeld Noch richtend sitzt und seine Lose sch¸ttelt. Auf Wiedersehn in einer andern Welt,
Kurz ist der Abschied f¸r die lange Freundschaft. (Geht ab)

TALBOT. Bald ists vor¸ber und der Erde geb ich, Der ewgen Sonne die Atome wieder,
Die sich zu Schmerz und Lust in mir gef¸gt– Und von dem m‰chtgen Talbot, der die Welt Mit seinem Kriegsruhm f¸llte, bleibt nichts ¸brig, Als eine Handvoll leichten Staubs.–So geht Der Mensch zu Ende–und die einzige
Ausbeute, die wir aus dem Kampf des Lebens Wegtragen, ist die Einsicht in das Nichts, Und herzliche Verachtung alles dessen,
Was uns erhaben schien und w¸nschenswert–

DRITTER AUFZUG

Siebenter Auftritt

Karl. Burgund. Dunois. Du Chatel und Soldaten treten auf

BURGUND. Die Schanze ist erst¸rmt.

DUNOIS. Der Tag ist unser.

KARL (Talbot bemerkend).
Seht, wer es ist, der dort vom Licht der Sonne Den unfreiwillig schweren Abschied nimmt? Die R¸stung zeigt mir keinen schlechten Mann, Geht, springt ihm bei, wenn ihm noch H¸lfe frommt. (Soldaten aus des Kˆnigs Gefolge treten hinzu)

Fastolf. Zur¸ck! Bleibt fern! Habt Achtung vor dem Toten, Dem ihr im Leben nie zu nahn gew¸nscht!

BURGUND. Was seh ich! Talbot liegt in seinem Blut! (Er geht auf ihn zu. Talbot blickt ihn starr an und stirbt)

FASTOLF. Hinweg, Burgund! Den letzten Blick des Helden Vergifte nicht der Anblick des Verr‰ters!

DUNOIS. Furchtbarer Talbot! Unbezwinglicher! Nimmst du vorlieb mit so geringem Raum,
Und Frankreichs weite Erde konnte nicht Dem Streben deines Riesengeistes gn¸gen. –Erst jetzo, Sire, begr¸fl ich Euch als Kˆnig, Die Krone zitterte auf Eurem Haupt,
So lang ein Geist in diesem Kˆrper lebte.

KARL (nachdem er den Toten stillschweigend betrachtet). Ihn hat ein Hˆherer besiegt, nicht wir! Er liegt auf Frankreichs Erde, wie der Held Auf seinem Schild, den er nicht lassen wollte. Bringt ihn hinweg!
(Soldaten heben den Leichnam auf und tragen ihn fort) Fried sei mit seinem Staube!
Ihm soll ein ehrenvolles Denkmal werden, Mitten in Frankreich, wo er seinen Lauf
Als Held geendet, ruhe sein Gebein! So weit als er, drang noch kein feindlich Schwert, Seine Grabschrift sei der Ort, wo man ihn findet.

FASTOLF (gibt sein Schwert ab). Herr, ich bin dein Gefangener.

KARL (gibt ihm sein Schwert zur¸ck). Nicht also! Die fromme Pflicht ehrt auch der rohe Krieg, Frei sollt Ihr Eurem Herrn zu Grabe folgen. Jetzt eilt, Du Chatel–Meine Agnes zittert– Entreiflt sie ihrer Angst um uns–Bringt ihr Die Botschaft, dafl wir leben, dafl wir siegten, Und f¸hrt sie im Triumph nach Reims!
(Du Chatel geht ab)

DRITTER AUFZUG

Achter Auftritt

La Hire zu den Vorigen

DUNOIS. La Hire!
Wo ist die Jungfrau?

LA HIRE. Wie? Das frag ich Euch.
An Eurer Seite fechtend liefl ich sie.

DUNOlS. Von Eurem Arme glaubt ich sie besch¸tzt, Als ich dem Kˆnig beizuspringen eilte.

BURGUND. Im dichtsten Feindeshaufen sah ich noch Vor kurzem ihre weifle Fahne wehn.

DUNOlS. Weh uns, wo ist sie? Bˆses ahndet mir! Kommt, eilen wir sie zu befrein.–Ich f¸rchte, Sie hat der k¸hne Mut zu weit gef¸hrt, Umringt von Feinden k‰mpft sie ganz allein, Und h¸lflos unterliegt sie jetzt der Menge.

KARL. Eilt, rettet sie!

LA HIRE. Ich folg euch, kommt!

BURGUND. Wir alle! (Sie eilen fort)

DRITTER AUFZUG

Eine andre ˆde Gegend des Schlachtfelds Man sieht die T¸rme von Reims in der Ferne, von der Sonne beleuchtet

Neunter Auftritt

Ein Ritter in ganz schwarzer R¸stung, mit geschloflnem Visier. Johanna verfolgt ihn bis auf die vordere B¸hne, wo er stille steht und sie erwartet

JOHANNA. Arglistger! Jetzt erkenn ich deine T¸cke! Du hast mich tr¸glich durch verstellte Flucht Vom Schlachtfeld weggelockt und Tod und Schicksal Von vieler Britensˆhne Haupt entfernt.
Doch jetzt ereilt dich selber das Verderben.

SCHWARZER RITTER. Warum verfolgst du mich und heftest dich So wutentbrannt an meine Fersen? Mir
Ist nicht bestimmt, von deiner Hand zu fallen.

JOHANNA. Verhaflt in tiefster Seele bist du mir, Gleich wie die Nacht, die deine Farbe ist. Dich weg zu tilgen von dem Licht des Tags Treibt mich die unbezwingliche Begier.
Wer bist du? ÷ffne dein Visier.–H‰tt ich Den kriegerischen Talbot in der Schlacht Nicht fallen sehn, so sagt ich, du w‰rst Talbot.

SCHWARZER RITTER. Schweigt dir die Stimme des Prophetengeistes?

JOHANNA. Sie redet laut in meiner tiefsten Brust, Dafl mir das Ungl¸ck an der Seite steht.

SCHWARZER RITTER. Johanna d’Arc! Bis an die Tore Reims Bist du gedrungen auf des Sieges Fl¸geln. Dir gn¸ge der erworbne Ruhm. Entlasse
Das Gl¸ck, das dir als Sklave hat gedient, Eh es sich z¸rnend selbst befreit, es haflt Die Treu und keinem dient es bis ans Ende.

JOHANNA. Was heiflest du in Mitte meines Laufs Mich stille stehen und mein Werk verlassen? Ich f¸hr es aus und lˆse mein Gel¸bde!

SCHWARZER RITTER. Nichts kann dir, du Gewaltge, widerstehn, In jedem Kampfe siegst du.–Aber gehe
In keinen Kampf mehr. Hˆre meine Warnung!

JOHANNA. Nicht aus den H‰nden leg ich dieses Schwert, Als bis das stolze England niederliegt.

SCHWARZER RITTER. Schau hin! Dort hebt sich Reims mit seinen T¸rmen, Das Ziel und Ende deiner Fahrt–die Kuppel Der hohen Kathedrale siehst du leuchten, Dort wirst du einziehn im Triumphgepr‰ng, Deinen Kˆnig krˆnen, dein Gel¸bde lˆsen. –Geh nicht hinein. Kehr um. Hˆr meine Warnung.

JOHANNA. Wer bist du, doppelz¸ngig falsches Wesen, Das mich erschrecken und verwirren will? Was maflest du dir an, mir falsch Orakel Betr¸glich zu verk¸ndigen?
(Der schwarze Ritter will abgehen, sie tritt ihm in den Weg) Nein, du stehst
Mir Rede, oder stirbst von meinen H‰nden! (Sie will einen Streich auf ihn f¸hren)

SCHWARZER RITTER (ber¸hrt sie mit der Hand, sie bleibt unbeweglich stehen). Tˆte, was sterblich ist! (Nacht, Blitz und Donnerschlag. Der Ritter versinkt)

JOHANNA (steht anfangs erstaunt, faflt sich aber bald wieder). Es war nichts Lebendes.–Ein tr¸glich Bild Der Hˆlle wars, ein widerspenstger Geist, Heraufgestiegen aus dem Feuerpfuhl,
Mein edles Herz im Busen zu ersch¸ttern. Wen f¸rcht ich mit dem Schwerte meines Gottes? Siegreich vollenden will ich meine Bahn, Und k‰m die Hˆlle selber in die Schranken, Mir soll der Mut nicht weichen und nicht wanken! (Sie will abgehen)

DRITTER AUFZUG

Zehnter Auftritt

Lionel. Johanna

LIONEL. Verfluchte, r¸ste dich zum Kampf–Nicht beide Verlassen wir lebendig diesen Platz.
Du hast die Besten meines Volks getˆtet, Der edle Talbot hat die grofle Seele
In meinen Busen ausgehaucht.–Ich r‰che Den Tapfern oder teile sein Geschick.
Und dafl du wissest, wer dir Ruhm verleiht, Er sterbe oder siege–Ich bin Lionel,
Der letzte von den F¸rsten unsers Heers, Und unbezwungen noch ist dieser Arm.
(Er dringt auf sie ein, nach einem kurzen Gefecht schl‰gt sie ihm das Schwert aus der Hand)
Treuloses Gl¸ck! (Er ringt mit ihr)

JOHANNA (ergreift ihn von hinten zu am Helmbusch und reiflt ihm den Helm gewaltsam herunter, dafl sein Gesicht entblˆflt wird, zugleich z¸ckt sie das Schwert mit der Rechten). Erleide, was du suchtest,
Die heilge Jungfrau opfert dich durch mich! (In diesem Augenblick sieht sie ihm ins Gesicht, sein Anblick ergreift sie, sie bleibt unbeweglich stehen und l‰flt dann langsam den Arm sinken)

LIONEL. Was zauderst du und hemmst den Todesstreich? Nimm mir das Leben auch, du nahmst den Ruhm, Ich bin in deiner Hand, ich will nicht Schonung. (Sie gibt ihm ein Zeichen mit der Hand, sich zu entfernen) Entfliehen soll ich? Dir soll ich mein Leben Verdanken?–Eher sterben!

JOHANNA (mit abgewandtem Gesicht). Rette dich! Ich will nichts davon wissen, dafl dein Leben In meine Macht gegeben war.

LIONEL. Ich hasse dich und dein Geschenk–Ich will Nicht Schonung–Tˆte deinen Feind, der dich Verabscheut, der dich tˆten wollte.

JOHANNA. Tˆte mich
–Und fliehe!

LIONEL Ha! Was ist das?

JOHANNA (verbirgt das Gesicht). Weh mir!

LIONEL (tritt ihr n‰her). Du tˆtest, sagt man, alle Engell‰nder, Die du im Kampf bezwingst–Warum nur mich Verschonen?

JOHANNA (erhebt das Schwert mit einer raschen Bewegung gegen ihn, l‰flt es aber, wie sie ihn ins Gesicht faflt, schnell wieder sinken). Heilge Jungfrau!

LIONEL. Warum nennst du
Die Heilge? Sie weifl nichts von dir, der Himmel Hat keinen Teil an dir.

JOHANNA (in der heftigsten Be‰ngstigung). Was hab ich Getan! Gebrochen hab ich mein Gel¸bde!
(Sie ringt verzweifelnd die H‰nde)

LIONEL (betrachtet sie mit Teilnahme und tritt ihr n‰her). Ungl¸cklich M‰dchen! Ich beklage dich, Du r¸hrst mich, du hast Groflmut ausge¸bt An mir allein, ich f¸hle, dafl mein Hafl Verschwindet, ich mufl Anteil an dir nehmen! –Wer bist du? Woher kommst du?

JOHANNA. Fort! Entfliehe!

LIONEL. Mich jammert deine Jugend, deine Schˆnheit! Dein Anblick dringt mir an das Herz. Ich mˆchte Dich gerne retten–Sage mir, wie kann ichs! Komm! Komm! Entsage dieser gr‰fllichen Verbindung–Wirf sie von dir, diese Waffen!

JOHANNA. Ich bin unw¸rdig, sie zu f¸hren!

LIONEL. Wirf
Sie von dir, schnell, und folge mir!

JOHANNA (mit Entsetzen). Dir folgen!

LIONEL. Du kannst gerettet werden. Folge mir! Ich will dich retten, aber s‰ume nicht. Mich faflt ein ungeheurer Schmerz um dich, Und ein unnennbar Sehnen, dich zu retten– (Bem‰chtigt sich ihres Armes)

JOHANNA. Der Bastard naht! Sie sinds! Sie suchen mich! Wenn sie dich finden–

LIONEL. Ich besch¸tze dich!

JOHANNA. Ich sterbe, wenn du f‰llst von ihren H‰nden!

LIONEL. Bin ich dir teuer?

JOHANNA. Heilige des Himmels!

LIONEL. Werd ich dich wiedersehen? Von dir hˆren?

JOHANNA. Nie! Niemals!

LIONEL. Dieses Schwert zum Pfand, dafl ich Dich wiedersehe!
(Er entreiflt ihr das Schwert)

JOHANNA. Rasender, du wagst es?

LIONEL. Jetzt weich ich der Gewalt, ich seh dich wieder! (Er geht ab)

DRITTER AUFZUG

Eilfter Auftritt

Dunois und La Hire. Johanna

LA HIRE. Sie lebt! Sie ists!

DUNOIS. Johanna, f¸rchte nichts!
Die Freunde stehen m‰chtig dir zur Seite.

LA HIRE. Flieht dort nicht Lionel?

DUNOIS. Lafl ihn entfliehn!
Johanna, die gerechte Sache siegt,
Reims ˆffnet seine Tore, alles Volk Strˆmt jauchzend seinem Kˆnige entgegen–

LA HIRE. Was ist der Jungfrau? Sie erbleicht, sie sinkt! (Johanna schwindelt und will sinken)

DUNOIS. Sie ist verwundet–Reiflt den Panzer auf– Es ist der Arm und leicht ist die Verletzung.

LA HIRE. Ihr Blut flieflt.

JOHANNA. Laflt es mit meinem Leben
Hinstrˆmen! (Sie liegt ohnm‰chtig in La Hires Armen)

VIERTER AUFZUG

Ein festlich ausgeschm¸ckter Saal, die S‰ulen sind mit Festons umwunden, hinter der Szene Flˆten und Hoboen

Erster Auftritt

JOHANNA. Die Waffen ruhn, des Krieges St¸rme schweigen, Auf blutge Schlachten folgt Gesang und Tanz, Durch alle Straflen tˆnt der muntre Reigen, Altar und Kirche prangt in Festes Glanz, Und Pforten bauen sich aus gr¸nen Zweigen, Und um die S‰ule windet sich der Kranz, Das weite Reims faflt nicht die Zahl der G‰ste, Die wallend strˆmen zu dem Vˆlkerfeste.

Und einer Freude Hochgef¸hl entbrennet, Und ein Gedanke schl‰gt in jeder Brust, Was sich noch j¸ngst in blutgem Hafl getrennet, Das teilt entz¸ckt die allgemeine Lust, Wer nur zum Stamm der Franken sich bekennet, Der ist des Namens stolzer sich bewuflt, Erneuert ist der Glanz der alten Krone,
Und Frankreich huldigt seinem Kˆnigssohne.

Doch mich, die all dies Herrliche vollendet, Mich r¸hrt es nicht, das allgemeine Gl¸ck, Mir ist das Herz verwandelt und gewendet, Es flieht von dieser Festlichkeit zur¸ck, Ins britsche Lager ist es hingewendet,
Hin¸ber zu dem Feinde schweift der Blick, Und aus der Freude Kreis mufl ich mich stehlen, Die schwere Schuld des Busens zu verhehlen.

Wer? Ich? Ich eines Mannes Bild
In meinem reinen Busen tragen?
Dies Herz, von Himmels Glanz erf¸llt, Darf einer irdschen Liebe schlagen?
Ich meines Landes Retterin,
Des hˆchsten Gottes Kriegerin,
F¸r meines Landes Feind entbrennen! Darf ichs der keuschen Sonne nennen,
Und mich vernichtet nicht die Scham!

(Die Musik hinter der Szene geht in eine weich schmelzende Melodie ¸ber)

Wehe! Weh mir! Welche Tˆne!
Wie verf¸hren sie mein Ohr!
Jeder ruft mir seine Stimme,
Zaubert mir sein Bild hervor!

Dafl der Sturm der Schlacht mich faflte. Speere sausend mich umtˆnten
In des heiflen Streites Wut!
Wieder f‰nd ich meinen Mut!

Diese Stimmen, diese Tˆne,
Wie umstricken sie mein Herz,
Jede Kraft in meinem Busen
Lˆsen sie in weichem Sehnen,
Schmelzen sie in Wehmuts-Tr‰nen!

(Nach einer Pause lebhafter)

Sollt ich ihn tˆten? Konnt ichs, da ich ihm Ins Auge sah? Ihn tˆten! Eher h‰tt ich Den Mordstahl auf die eigne Brust gez¸ckt! Und bin ich strafbar, weil ich menschlich war? Ist Mitleid S¸nde?–Mitleid! Hˆrtest du Des Mitleids Stimme und der Menschlichkeit Auch bei den andern, die dein Schwert geopfert? Warum verstummte sie, als der Walliser dich, Der zarte J¸ngling um sein Leben flehte? Arglistig Herz! Du l¸gst dem ewgen Licht, Dich trieb des Mitleids fromme Stimme nicht!

Warum muflt ich ihm in die Augen sehn! Die Z¸ge schaun des edeln Angesichts!
Mit deinem Blick fing dein Verbrechen an, Ungl¸ckliche! Ein blindes Werkzeug fodert Gott, Mit blinden Augen mufltest dus vollbringen! Sobald du sahst, verliefl dich Gottes Schild, Ergriffen dich der Hˆlle Schlingen!
(Die Flˆten wiederholen, sie versinkt in eine stille Wehmut )

Frommer Stab! O h‰tt ich nimmer
Mit dem Schwerte dich vertauscht!
H‰tt es nie in deinen Zweigen,
Heilge Eiche! mir gerauscht!
W‰rst du nimmer mir erschienen,
Hohe Himmelskˆnigin!
Nimm, ich kann sie nicht verdienen, Deine Krone, nimm sie hin!

Ach, ich sah den Himmel offen
Und der Selgen Angesicht!
Doch auf Erden ist mein Hoffen,
Und im Himmel ist es nicht!
Mufltest du ihn auf mich laden
Diesen furchtbaren Beruf,
Konnt ich dieses Herz verh‰rten,
Das der Himmel f¸hlend schuf!

Willst du deine Macht verk¸nden,
W‰hle sie, die frei von S¸nden
Stehn in deinem ewgen Haus,
Deine Geister sende aus,
Die Unsterblichen, die Reinen,
Die nicht f¸hlen, die nicht weinen! Nicht die zarte Jungfrau w‰hle,
Nicht der Hirtin weiche Seele!

K¸mmert mich das Los der Schlachten, Mich der Zwist der Kˆnige?
Schuldlos trieb ich meine L‰mmer
Auf des stillen Berges Hˆh.
Doch du rissest mich ins Leben,
In den stolzen F¸rstensaal,
Mich der Schuld dahinzugeben,
Ach! es war nicht meine Wahl!

VIERTER AUFZUG

Zweiter Auftritt

Agnes Sorel. Johanna

SOREL (kommt in lebhafter R¸hrung, wie sie die Jungfrau erblickt, eilt sie auf sie zu und f‰llt ihr um den Hals; plˆtzlich besinnt sie sich, l‰flt sie los und f‰llt vor ihr nieder). Nein! Nicht so! Hier im Staub vor dir–

JOHANNA (will sie aufheben). Steh auf! Was ist dir? Du vergissest dich und mich.

SOREL. Lafl mich! Es ist der Freude Drang, der mich Zu deinen F¸flen niederwirft–ich mufl Mein ¸berwallend Herz vor Gott ergieflen, Den Unsichtbaren bet ich an in dir.
Du bist der Engel, der mir meinen Herrn Nach Reims gef¸hrt und mit der Krone schm¸ckt. Was ich zu sehen nie getr‰umt, es ist
Erf¸llt! Der Krˆnungszug bereitet sich, Der Kˆnig steht im festlichen Ornat,
Versammelt sind die Pairs, die M‰chtigen Der Krone, die Insignien zu tragen,
Zur Kathedrale wallend strˆmt das Volk, Es schallt der Reigen und die Glocken tˆnen, O dieses Gl¸ckes F¸lle trag ich nicht! (Johanna hebt sie sanft in die Hˆhe. Agnes Sorel h‰lt einen Augenblick inne, indem sie der Jungfrau n‰her ins Auge sieht) Doch du bleibst immer ernst und streng, du kannst Das Gl¸ck erschaffen, doch du teilst es nicht. Dein Herz ist kalt, du f¸hlst nicht unsre Freuden, Du hast der Himmel Herrlichkeit gesehn,
Die reine Brust bewegt kein irdisch Gl¸ck.

(Johanna ergreift ihre Hand mit Heftigkeit, l‰flt sie aber schnell wieder fahren)
O kˆnntest du ein Weib sein und empfinden! Leg diese R¸stung ab, kein Krieg ist mehr, Bekenne dich zum sanfteren Geschlechte!
Mein liebend Herz flieht scheu vor dir zur¸ck, Solange du der strengen Pallas gleichst.

JOHANNA. Was foderst du von mir!

SOREL. Entwaffne dich! Leg diese R¸stung ab, die Liebe f¸rchtet, Sich dieser stahlbedeckten Brust zu nahn. O sei ein Weib und du wirst Liebe f¸hlen!

JOHANNA. Jetzt soll ich mich entwaffnen! Jetzt! Dem Tod Will ich die Brust entblˆflen in der Schlacht! Jetzt nicht–o mˆchte siebenfaches Erz
Vor euren Festen, vor mir selbst mich sch¸tzen!

SOREL. Dich liebt Graf Dunois. Sein edles Herz, Dem Ruhm nur offen und der Heldentugend, Es gl¸ht f¸r dich in heiligem Gef¸hl. O es ist schˆn, von einem Helden sich geliebt Zu sehn–es ist noch schˆner, ihn zu lieben! (Johanna wendet sich mit Abscheu hinweg) Du hassest ihn!–Nein, nein, du kannst ihn nur Nicht lieben–Doch wie solltest du ihn hassen! Man haflt nur den, der den Geliebten uns Entreiflt, doch dir ist keiner der Geliebte! Dein Herz ist ruhig–Wenn es f¸hlen kˆnnte–

JOHANNA. Beklage mich! Beweine mein Geschick!

SOREL. Was kˆnnte dir zu deinem Gl¸cke mangeln? Du hast dein Wort gelˆst, Frankreich ist frei, Bis in die Krˆnungsstadt hast du den Kˆnig Siegreich gef¸hrt, und hohen Ruhm erstritten, Dir huldiget, dich preist ein gl¸cklich Volk, Von allen Zungen ¸berstrˆmend flieflt Dein Lob, du bist die Gˆttin dieses Festes, Der Kˆnig selbst mit seiner Krone strahlt Nicht herrlicher als du.

JOHANNA. O kˆnnt ich mich
Verbergen in den tiefsten Schofl der Erde!

SOREL. Was ist dir? Welche seltsame Bewegung! Wer d¸rfte frei aufschaun an diesem Tage, Wenn du die Blicke niederschlagen sollst! Mich lafl errˆten, mich, die neben dir So klein sich f¸hlt, zu deiner Heldenst‰rke sich, Zu deiner Hoheit nicht erheben kann!
Denn soll ich meine ganze Schw‰che dir Gestehen,–Nicht der Ruhm des Vaterlandes, Nicht der erneute Glanz des Thrones, nicht Der Vˆlker Hochgef¸hl und Siegesfreude Besch‰ftigt dieses schwache Herz. Es ist Nur einer, der es ganz erf¸llt, es hat
Nur Raum f¸r dieses einzige Gef¸hl: Er ist der Angebetete, ihm jauchzt das Volk, Ihn segnet es, ihm streut es diese Blumen, Er ist der Meine, der Geliebte ists.

JOHANNA. O du bist gl¸cklich! Selig preise dich! Du liebst, wo alles liebt! Du darfst dein Herz Aufschlieflen, laut aussprechen dein Entz¸cken Und offen tragen vor der Menschen Blicken! Dies Fest des Reichs ist deiner Liebe Fest, Die Vˆlker alle, die unendlichen,
Die sich in diesen Mauren flutend dr‰ngen, Sie teilen dein Gef¸hl, sie heilgen es, Dir jauchzen sie, dir flechten sie den Kranz, Eins bist du mit der allgemeinen Wonne,
Du liebst das Allerfreuende, die Sonne, Und was du siehst, ist deiner Liebe Glanz!

SOREL (ihr um den Hals fallend).
O du entz¸ckst mich, du verstehst mich ganz! Ja ich verkannte dich, du kennst die Liebe, Und was ich f¸hle, sprichst du m‰chtig aus. Von seiner Furcht und Scheue lˆst sich mir Das Herz, es wallt vertrauend dir entgegen

JOHANNA (entreiflt sich mit Heftigkeit ihren Armen). Verlafl mich. Wende dich von mir! Beflecke Dich nicht mit meiner pesterf¸llten N‰he! Sei gl¸cklich, geh, mich lafl in tiefster Nacht Mein Ungl¸ck, meine Schande, mein Entsetzen Verbergen–

SOREL. Du erschreckst mich, ich begreife Dich nicht, doch ich begriff dich nie–und stets Verh¸llt war mir dein dunkel tiefes Wesen. Wer mˆcht es fassen, was dein heilig Herz, Der reinen Seele Zartgef¸hl erschreckt!

JOHANNA. Du bist die Heilige! Du bist die Reine! S‰hst du mein Innerstes, du stieflest schaudernd Die Feindin von dir, die Verr‰terin!

VIERTER AUFZUG

Dritter Auftritt

Die Vorigen. Dunois. Du Chatel und La Hire mit der Fahne der Johanna

DUNOIS. Dich suchen wir, Johanna. Alles ist Bereit, der Kˆnig sendet uns, er will,
Dafl du vor ihm die heilge Fahne tragest, Du sollst dich schlieflen an der F¸rsten Reihn, Die N‰chste an ihm selber sollst du gehn, Denn er verleugnete nicht und alle Welt
Soll es bezeugen, dafl er dir allein Die Ehre dieses Tages zuerkennt.

LA HIRE. Hier ist die Fahne. Nimm sie, edle Jungfrau, Die F¸rsten warten und es harrt das Volk.

JOHANNA Ich vor ihm herziehn! Ich die Fahne tragen!

DUNOIS. Wem anders ziemt’ es! Welche andre Hand Ist rein genug, das Heiligtum zu tragen! Du schwangst sie im Gefechte, trage sie
Zur Zierde nun auf diesem Weg der Freude. (La Hire will ihr die Fahne ¸berreichen, sie bebt schaudernd davor zur¸ck)

JOHANNA. Hinweg! Hinweg!

LA HIRE. Was ist dir? Du erschrickst
Vor deiner eignen Fahne!–Sieh sie an! (Er rollt die Fahne auseinander)
Es ist dieselbe, die du siegend schwangst. Die Himmelskˆnigin ist drauf gebildet,
Die ¸ber einer Erdenkugel schwebt, Denn also lehrte dichs die heilge Mutter.

JOHANNA (mit Entsetzen hinschauend).
Sie ists! Sie selbst! Ganz so erschien sie mir. Seht, wie sie herblickt und die Stirne faltet, Zorngl¸hend aus den finstern Wimpern schaut!

SOREL. O sie ist aufler sich! Komm zu dir selbst! Erkenne dich, du siehst nichts Wirkliches! Das ist ihr irdisch nachgeahmtes Bild,
Sie selber wandelt in des Himmels Chˆren!

JOHANNA. Furchtbare, kommst du dein Geschˆpf zu strafen? Verderbe, strafe mich, nimm deine Blitze, Und lafl sie fallen auf mein schuldig Haupt. Gebrochen hab ich meinen Bund, entweiht, Gel‰stert hab ich deinen heilgen Namen!

DUNOIS. Weh uns! Was ist das! Welch unselge Reden!

LA HIRE (erstaunt zu Du Chatel).
Begreift Ihr diese seltsame Bewegung?

DU CHATEL. Ich sehe, was ich seh. Ich hab es l‰ngst Gef¸rchtet.

DUNOIS. Wie? Was sagt Ihr?

DU CHATEL. Was ich denke,
Darf ich nicht sagen. Wollte Gott, es w‰re Vor¸ber und der Kˆnig w‰r gekrˆnt!

LA HIRE. Wie? Hat der Schrecken, der von dieser Fahne Ausging, sich auf dich selbst zur¸ckgewendet? Den Briten lafl vor diesem Zeichen zittern, Den Feinden Frankreichs ist es f¸rchterlich, Doch seinen treuen B¸rgern ist es gn‰dig.

JOHANNA. Ja du sagst recht! Den Freunden ist es hold Und auf die Feinde sendet es Entsetzen!
(Man hˆrt den Krˆnungsmarsch)

DUNOIS. So nimm die Fahne! Nimm sie! Sie beginnen Den Zug, kein Augenblick ist zu verlieren!

(Sie dringen ihr die Fahne auf, sie ergreift sie mit heftigem Widerstreben und geht ab, die andern folgen)

VIERTER AUFZUG

Die Szene verwandelt sich in einen freien Platz vor der Kathedralkirche

Vierter Auftritt

Zuschauer erf¸llen den Hintergrund, aus ihnen heraus treten Bertrand, Claude Marie und Etienne und kommen vorw‰rts. Der Krˆnungsmarsch erschallt ged‰mpft aus der Ferne

BERTRAND. Hˆrt die Musik! Sie sinds! Sie nahen schon! Was ist das Beste? Steigen wir hinauf
Auf die Platforme, oder dr‰ngen uns Durchs Volk, dafl wir vom Aufzug nichts verlieren,

ETIENNE. Es ist nicht durchzukommen. Alle Straflen sind Von Menschen vollgedr‰ngt, zu Rofl und Wagen. Laflt uns hieher an diese H‰user treten, Hier kˆnnen wir den Zug gem‰chlich sehen, Wenn er vor¸berkommt!

CLAUDE MARIE. Ists doch, als ob
Halb Frankreich sich zusammen hier gefunden! So allgewaltig ist die Flut, dafl sie
Auch uns im fernen lothringischen Land Hat aufgehoben und hieher gesp¸lt!

BERTRAND. Wer wird
In seinem Winkel m¸flig sitzen, wenn Das Grofle sich begibt im Vaterland!
Es hat auch Schweifl und Blut genug gekostet, Bis dafl die Krone kam aufs rechte Haupt! Und unser Kˆnig, der der wahre ist,
Dem wir die Kron itzt geben, soll nicht schlechter Begleitet sein, als der Pariser ihrer,
Den sie zu Saint Denis gekrˆnt! Der ist Kein Wohlgesinnter, der von diesem Fest
Wegbleibt, und nicht mit ruft: es lebe der Kˆnig!

VIERTER AUFZUG

F¸nfter Auftritt

Margot und Louison treten zu ihnen

LOUISON. Wir werden unsre Schwester sehen, Margot! Mir pocht das Herz.

MARGOT. Wir werden sie im Glanz
Und in der Hoheit sehn, und zu uns sagen: Es ist Johanna, es ist unsre Schwester!

LOUISON. Ich kanns nicht glauben, bis ich sie mit Augen Gesehn, dafl diese M‰chtige, die man
Die Jungfrau nennt von Orleans, unsre Schwester Johanna ist, die uns verlorenging.
(Der Marsch kommt immer n‰her)

MARGOT. Du zweifelst noch! Du wirsts mit Augen sehn!

BERTRAND. Gebt acht! Sie kommen!

VIERTER AUFZUG

Sechster Auftritt

Flˆtenspieler und Hoboisten erˆffnen den Zug. Kinderfolgen, weifl gekleidet, mit Zweigen in der Hand, hinter diesen zwei Herolde. Darauf ein Zug von Hellebardierern. Magistratspersonen in der Robe folgen. Hierauf zwei Marsch‰lle mit dem Stabe, Herzog von Burgund das Schwert tragend, Dunois mit dem Szepter, andere Grofle mit der Krone, dem Reichsapfel und dem Gerichtsstabe, andere mit Opfergaben; hinter diesen Ritter in ihrem Ordensschmuck, Chorknaben mit dem Rauchfafl, dann zwei Bischˆfe mit der Sainte Ampoule. Erzbischof mit dem Kruzifix; ihm folgt Johanna mit der Fahne. Sie geht mit gesenktem Haupt und ungewissen Schritten, die Schwestern geben bei ihrem Anblick Zeichen des Erstaunens und der Freude. Hinter ihr kommt der Kˆnig, unter einem Thronhimmel, welchen vier Barone tragen, Hofleute folgen, Soldaten schlieflen. Wenn der Zug in die Kirche hinein ist, schweigt der Marsch

VIERTER AUFZUG

Siebenter Auftritt

Louison. Margot. Claude Marie. Etienne. Bertrand

MARGOT. Sahst du die Schwester?

CLAUDE MARIE. Die im goldnen Harnisch, Die vor dem Kˆnig herging mit der Fahne!

MARGOT. Sie wars. Es war Johanna, unsre Schwester!

LOUISON. Und sie erkannt uns nicht! Sie ahndete Die N‰he nicht der schwesterlichen Brust. Sie sah zur Erde und erschien so blafl, Und unter ihrer Fahne ging sie zitternd– Ich konnte mich nicht freun, da ich sie sah.

MARGOT. So hab ich unsre Schwester nun im Glanz Und in der Herrlichkeit gesehn.–Wer h‰tte Auch nur im Traum geahndet und gedacht,
Da sie die Herde trieb auf unsern Bergen, Dafl wir in solcher Pracht sie w¸rden schauen.

LOUISON. Der Traum des Vaters ist erf¸llt, dafl wir Zu Reims uns vor der Schwester w¸rden neigen. Das ist die Kirche, die der Vater sah
Im Traum, und alles hat sich nun erf¸llt. Doch der Vater sah auch traurige Gesichte, Ach, mich bek¸mmerts, sie so grofl zu sehn!

BERTRAND. Was stehn wir m¸flig hier? Kommt in die Kirche, Die heilge Handlung anzusehn!

MARGOT. Ja kommt!
Vielleicht, dafl wir der Schwester dort begegnen.

LOUISON. Wir haben sie gesehen, kehren wir In unser Dorf zur¸ck.

MARGOT. Was? Eh wir sie
Begr¸flt und angeredet?

LOUISON. Sie gehˆrt
Uns nicht mehr an, bei F¸rsten ist ihr Platz Und Kˆnigen–Wer sind wir, dafl wir uns Zu ihrem Glanze r¸hmend eitel dr‰ngen? Sie war uns fremd, da sie noch unser war!

MARGOT. Wird sie sich unser sch‰men, uns verachten?

BERTRAND. Der Kˆnig selber sch‰mt sich unser nicht, Er gr¸flte freundlich auch den Niedrigsten. Sei sie so hoch gestiegen als sie will,
Der Kˆnig ist doch grˆfler!
(Trompeten und Pauken erschallen aus der Kirche)

CLAUDE MARIE. Kommt zur Kirche!
(Sie eilen nach dem Hintergrund, wo sie sich unter dem Volke verlieren)

VIERTER AUFZUG

Achter Auftritt

Thibaut kommt, schwarz gekleidet, Raimond folgt ihm und will ihn zur¸ckehalten

RAIMOND. Bleibt, Vater Thibaut! Bleibt aus dem Gedr‰nge Zur¸ck! Hier seht Ihr lauter frohe Menschen, Und Euer Gram beleidigt dieses Fest.
Kommt! Fliehn wir aus der Stadt mit eilgen Schritten.

THIBAUT. Sahst du mein ungl¸ckselig Kind? Hast du Sie recht betrachtet?

RAIMOND. O ich bitt Euch, flieht!

THIBAUT. Bemerktest du, wie ihre Schritte wankten, Wie bleich und wie verstˆrt ihr Antlitz war! Die Ungl¸ckselige f¸hlt ihren Zustand, Das ist der Augenblick, mein Kind zu retten, Ich will ihn nutzen.
(Er will gehen)

RAIMOND. Bleibt! Was wollt Ihr tun?

THIBAUT. Ich will sie ¸berraschen, will sie st¸rzen Von ihrem eiteln Gl¸ck, ja mit Gewalt
Will ich zu ihrem Gott, dem sie entsagt, Zur¸ck sie f¸hren.

RAIMOND. Ach! Erw‰gt es wohl!
St¸rzt Euer eigen Kind nicht ins Verderben!

THIBAUT. Lebt ihre Seele nur, ihr Leib mag sterben. (Johanna st¸rzt aus der Kirche heraus, ohne ihre Fahne, Volk dringt zu ihr, adoriert sie rund k¸flt ihre Kleider, sie wird durch das Gedr‰nge im Hintergrunde aufgehalten) Sie kommt! Sie ists! Bleich st¸rzt sie aus der Kirche, Es treibt die Angst sie aus dem Heiligtum, Das ist das gˆttliche Gericht, das sich An ihr verk¸ndiget!–

RAIMOND. Lebt wohl!
Verlangt nicht, dafl ich l‰nger Euch begleite! Ich kam voll Hoffnung und ich geh voll Schmerz. Ich habe Eure Tochter wieder gesehn,
Und f¸hle, dafl ich sie aufs neu verliere! (Er geht ab, Thibaut entfernt sich auf der entgegengesetzten Seite)

VIERTER AUFZUG

Neunter Auftritt

Johanna. Volk. Hernach ihre Schwestern

JOHANNA (hat sich des Volks erwehrt und kommt vorw‰rts). Ich kann nicht bleiben–Geister jagen mich, Wie Donner schallen mir der Orgel Tˆne, Des Doms Gewˆlbe st¸rzen auf mich ein, Des freien Himmels Weite mufl ich suchen! Die Fahne liefl ich in dem Heiligtum,
Nie, nie soll diese Hand sie mehr ber¸hren! –Mir wars, als h‰lt ich die geliebten Schwestern, Margot und Louison, gleich einem Traum
An mir vor¸ber gleiten sehen.–Ach! Es war nur eine t‰uschende Erscheinung! Fern sind sie, fern und unerreichbar weit, Wie meiner Kindheit, meiner Unschuld Gl¸ck!

MARGOT (hervortretend). Sie ists, Johanna ists.

LOUISON (eilt ihr entgegen). O meine Schwester!

JOHANNA. So wars kein Wahn–Ihr seid es–Ich umfafl euch, Dich meine Louison! Dich meine Margot!
Hier in der fremden menschenreichen ÷de Umfang ich die vertraute Schwesterbrust!

MARGOT. Sie kennt uns noch, ist noch die gute Schwester.

JOHANNA. Und eure Liebe f¸hrt euch zu mir her So weit, so weit! Ihr z¸rnt der Schwester nicht, Die lieblos ohne Abschied euch verliefl!

LOUISON. Dich f¸hrte Gottes dunkle Schickung fort.

MARGOT. Der Ruf von dir, der alle Welt bewegt, Der deinen Namen tr‰gt auf allen Zungen, Hat uns erweckt in unserm stillen Dorf,
Und hergef¸hrt zu dieses Festes Feier. Wir kommen deine Herrlichkeit zu sehn,
Und wir sind nicht allein!

JOHANNA (schnell). Der Vater ist mit euch! Wo, wo ist er? Warum verbirgt er sich?

MARGOT. Der Vater ist nicht mit uns.

JOHANNA. Nicht? Er will sein Kind
Nicht sehn? Ihr bringt mir seinen Segen nicht?

LOUISON. Er weifl nicht, dafl wir hier sind.

JOHANNA. Weifl es nicht!
Warum nicht?–Ihr verwirret euch? Ihr schweigt Und seht zur Erde! Sagt, wo ist der Vater?

MARGOT. Seitdem du weg bistó

LOUISON (winkt ihr). Margot!

MARGOT. Ist der Vater
Schwerm¸tig worden.

JOHANNA. Schwerm¸tig!

LOUISON. Trˆste dich!
Du kennst des Vaters ahndungsvolle Seele! Er wird sich fassen, sich zufrieden geben, Wenn wir ihm sagen, dafl du gl¸cklich bist.

MARGOT. Du bist doch gl¸cklich? Ja du muflt es sein, Da du so grofl bist und geehrt!

JOHANNA. Ich bins.
Da ich euch wieder sehe, eure Stimme Vernehme, den geliebten Ton, mich heim
Erinnre an die v‰terliche Flur.
Da ich die Herde trieb auf unsern Hˆhen, Da war ich gl¸cklich wie im Paradies–
Kann ichs nicht wieder sein, nicht wieder werden! (Sie verbirgt ihr Gesicht an Louisons Brust. Claude Marie, Etienne und Bertrand zeigen sich und bleiben sch¸chtern in der Ferne stehen)

MARGOT. Kommt, Etienne! Bertrand! Claude Marie! Die Schwester ist nicht stolz, sie ist so sanft Und spricht so freundlich, als sie nie getan, Da sie noch in dem Dorf mit uns gelebt.
(Jene treten n‰her und wollen ihr die Hand reichen, Johanna sieht sie mit starren Blicken an, und f‰llt in ein tiefes Staunen)

JOHANNA. Wo war ich? Sagt mir! War das alles nur Ein langer Traum und ich bin aufgewacht? Bin ich hinweg aus Dom Remi? Nicht wahr! Ich war entschlafen unterm Zauberbaum,
Und bin erwacht, und ihr steht um mich her, Die wohlbekannten traulichen Gestalten?
Mir hat von diesen Kˆnigen und Schlachten Und Kriegestaten nur getr‰umt–es waren Nur Schatten, die an mir vor¸bergingen, Denn lebhaft tr‰umt sichs unter diesem Baum. Wie k‰met ihr nach Reims? Wie k‰m ich selbst Hieher? Nie, nie verliefl ich Dom Remi! Gesteht mirs offen und erfreut mein Herz.

LOUISON. Wir sind zu Reims. Dir hat von diesen Taten Nicht blofl getr‰umt, du hast sie alle wirklich Vollbracht.–Erkenne dich, blick um dich her, Bef¸hle deine gl‰nzend goldne R¸stung! (Johanna f‰hrt mit der Hand nach der Brust, besinnt sich und erschrickt)

BERTRAND. Aus meiner Hand empfingt Ihr diesen Helm.

CLAUDE MARIE. Es ist kein Wunder, dafl Ihr denkt zu tr‰umen, Denn was Ihr ausgerichtet und getan,
Kann sich im Traum nicht wunderbarer f¸gen.

JOHANNA (schnell). Kommt, laflt uns fliehn! Ich geh mit euch, ich kehre
In unser Dorf, in Vaters Schofl zur¸ck.

LOUISON. O komm! komm mit uns!

JOHANNA. Diese Menschen alle
Erheben mich weit ¸ber mein Verdienst! Ihr habt mich kindisch, klein und schwach gesehn, Ihr liebt mich, doch ihr betet mich nicht an!

MARGOT. Du wolltest allen diesen Glanz verlassen!

JOHANNA. Ich werf ihn von mir, den verhaflten Schmuck, Der euer Herz von meinem Herzen trennt,
Und eine Hirtin will ich wieder werden. Wie eine niedre Magd will ich euch dienen, Und b¸flen will ichs mit der strengsten Bufle, Dafl ich mich eitel ¸ber euch erhob!

(Trompeten erschallen)

VIERTER AUFZUG

Zehenter Auftritt

Der Kˆnig tritt aus der Kirche, er ist im Krˆnungsornat, Agnes Sorel, Erzbischof, Burgund, Dunois, La Hire, Du Chatel, Ritter, Hofleute und Volk

ALLE STIMMEN (rufen wiederholt, w‰hrend dafl der Kˆnig vorw‰rtskommt).
Es lebe der Kˆnig! Karl der Siebente! (Trompeten fallen ein. Auf ein Zeichen, das der Kˆnig gibt, gebieten die Herolde mit erhobenem Stabe Stillschweigen)

K÷NIG. Mein gutes Volk! Habt Dank f¸r eure Liebe! Die Krone, die uns Gott aufs Haupt gesetzt, Durchs Schwert ward sie gewonnen und erobert, Mit edelm B¸rgerblut ist sie benetzt,
Doch friedlich soll der ÷lzweig sie umgr¸nen. Gedankt sei allen, die f¸r uns gefochten, Und allen, die uns widerstanden, sei
Verziehn, denn Gnade hat uns Gott erzeigt, Und unser erstes Kˆnigswort sei–Gnade!

VOLK. Es lebe der Kˆnig! Karl der G¸tige!

K÷NIG. Von Gott allein, dem hˆchsten Herrschenden, Empfangen Frankreichs Kˆnige die Krone. Wir aber haben sie sichtbarer Weise
Aus seiner Hand empfangen.
(Zur Jungfrau sich wendend)
Hier steht die Gottgesendete, die euch Den angestammten Kˆnig wieder gab,
Das Joch der fremden Tyrannei zerbrochen! Ihr Name soll dem heiligen Denis
Gleich sein, der dieses Landes Sch¸tzer ist, Und ein Altar sich ihrem Ruhm erheben!

VOLK. Heil, Heil der Jungfrau, der Erretterin! (Trompeten)

K÷NIG (zu Johanna). Wenn du von Menschen bist gezeugt wie wir, So sage, welches Gl¸ck dich kann erfreuen; Doch wenn dein Vaterland dort oben ist,
Wenn du die Strahlen himmlischer Natur In diesem jungfr‰ulichen Leib verh¸llst, So nimm das Band hinweg von unsern Sinnen Und lafl dich sehn in deiner Lichtgestalt, Wie dich der Himmel sieht, dafl wir anbetend Im Staube dich verehren.
(Ein allgemeines Stillschweigen, jedes Auge ist auf die Jungfrau gerichtet)

JOHANNA (plˆtzlich aufschreiend). Gott! Mein Vater!

VIERTER AUFZUG

Eilfter Auftritt

Die Vorigen. Thibaut tritt aus der Menge und steht Johanna gerade gegen¸ber

MEHRERE STIMMEN. Ihr Vater!

THIBAUT. Ja ihr jammervoller Vater,
Der die Ungl¸ckliche gezeugt, den Gottes Gericht hertreibt, die eigne Tochter anzuklagen.

BURGUND. Ha! Was ist das!

DU CHATEL. Jetzt wird es schrecklich tagen!

THIBAUT (zum Kˆnig).
Gerettet glaubst du dich durch Gottes Macht? Betrogner F¸rst! Verblendet Volk der Franken! Du bist gerettet durch des Teufels Kunst. (Alle treten mit Entsetzen zur¸ck)

DUNOIS. Rast dieser Mensch?

THIBAUT. Nicht ich, du aber rasest,
Und diese hier, und dieser weise Bischof, Die glauben, dafl der Herr der Himmel sich Durch eine schlechte Magd verk¸nden werde. Lafl sehn, ob sie auch in des Vaters Stirn Der dreisten L¸ge Gaukelspiel behauptet, Womit sie Volk und Kˆnig hinterging.
Antworte mir im Namen des Dreieinen, Gehˆrst du zu den Heiligen und Reinen?
(Allgemeine Stille, alle Blicke sind auf sie gespannt, sie steht unbeweglich)

SOREL. Gott, sie verstummt!

THIBAUT. Das mufl sie vor dem furchtbarn Namen Der in der Hˆllen Tiefen selbst
Gef¸rchtet wird!–Sie eine Heilige, Von Gott gesendet!–An verfluchter St‰tte Ward es ersonnen, unterm Zauberbaum,
Wo schon von alters her die bˆsen Geister Den Sabbat halten–hier verkaufte sie
Dem Feind der Menschen ihr unsterblich Teil, Dafl er mit kurzem Weltruhm sie verherrliche. Laflt sie den Arm aufstreifen, seht die Punkte, Womit die Hˆlle sie gezeichnet hat!

BURGUND. Entsetzlich!–Doch dem Vater mufl man glauben, Der wider seine eigne Tochter zeugt!

DUNOIS. Nein, nicht zu glauben ist dem Rasenden, Der in dem eignen Kind sich selber sch‰ndet!

SOREL (zur Johanna). O rede! Brich dies ungl¸ckselge Schweigen! Wir glauben dir! Wir trauen fest auf dich! Ein Wort aus deinem Mund, ein einzig Wort Soll uns gen¸gen–Aber sprich! Vernichte Die gr‰flliche Beschuldigung–Erkl‰re, Du seist unschuldig, und wir glauben dir. (Johanna steht unbeweglich, Agnes Sorel tritt mit Entsetzen von ihr hinweg)

LA HIRE. Sie ist erschreckt. Erstaunen und Entsetzen Schlieflt ihr den Mund.–Vor solcher gr‰fllichen Anklage mufl die Unschuld selbst erheben. (Er n‰hert sich ihr)
Fafl dich, Johanna. F¸hle dich. Die Unschuld Hat eine Sprache, einen Siegerblick,
Der die Verleumdung m‰chtig niederblitzt! In edelm Zorn erhebe dich, blick auf,
Besch‰me, strafe den unw¸rdgen Zweifel, Der deine heilge Tugend schm‰ht.
(Johanna steht unbeweglich. La Hire tritt entsetzt zur¸ck, die Bewegung vermehrt sich)