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  • 1854-1856
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als dritter Bestandteil gesellten sich dazu die nicht viel weniger zahlreichen Juden, so dass die Bevoelkerung dieser Griechenstaedte des Partherreichs, aehnlich wie die von Alexandreia, sich aus drei gesondert nebeneinander stehenden Nationalitaeten zusammensetzte. Zwischen diesen kam es, eben wie in Alexandreia, nicht selten zu Konflikten, wie zum Beispiel zur Zeit der Regierung des Gaius unter den Augen der parthischen Regierung die drei Nationen miteinander handgemein und schliesslich die Juden aus den groesseren Staedten ausgetrieben wurden.
Insofern ist das Parthische Reich zu dem Roemischen das rechte Gegenstueck. Wie in diesem das orientalische Unterkoenigtum ausnahmsweise vorkommt, so in jenem die griechische Stadt; dem allgemeinen orientalisch-aristokratischen Charakter des Partherregiments tun die griechischen Kaufstaedte an der Westgrenze so wenig Eintrag wie die Lehnskoenigtuemer Kappadokien und Armenien dem staedtisch gegliederten Roemerstaat. Waehrend in dem Staat der Caesaren das roemisch-griechische staedtische Gemeinwesen weiter und weiter um sich greift und allmaehlich zur allgemeinen Verwaltungsform wird, so reisst die Staedtegruendung, das rechte Merkzeichen der hellenisch-roemischen Zivilisation, welche die griechischen Kaufstaedte und die Militaerkolonien Roms ebenso umspannt wie die grossartigen Ansiedlungen Alexanders und der Alexandriden, mit dem Eintreten des Partherregiments im Osten ploetzlich ab, und auch die bestehenden Griechenstaedte des Partherreichs verkuemmern im weiteren Lauf der Entwicklung. Dort wie hier draengt die Regel mehr und mehr die Ausnahmen zurueck.
Irans Religion, mit ihrer dem Monotheismus sich naehernden Verehrung des “hoechsten der Goetter, der Himmel und Erde und die Menschen und fuer diese alles Gute geschaffen hat”, mit ihrer Bildlosigkeit und Geistigkeit, mit ihrer strengen Sittlichkeit und Wahrhaftigkeit, ihrer Hinwirkung auf praktische Taetigkeit und energische Lebensfuehrung, hat die Gemueter ihrer Bekenner in ganz anderer und tieferer Weise gepackt, als die Religionen des Okzidents es je vermochten, und wenn vor der entwickelten Zivilisation weder Zeus noch Jupiter standgehalten haben, ist der Glaube bei den Parsen ewig jung geblieben, bis er einem anderen Evangelium, dem der Bekenner des Mohammed erlag oder doch vor ihm nach Indien entwich. Wie sich der alte Mazda-Glaube, zu dem die Achaemeniden sich bekannten und dessen Entstehung in die vorgeschichtliche Zeit faellt, zu demjenigen verhielt, den als Lehre des weisen Zarathustra die wahrscheinlich unter den spaeteren Achaemeniden entstandenen heiligen Buecher der Perser, das Awesta, verkuenden, ist nicht unsere Aufgabe darzustellen; fuer die Epoche, wo der Okzident mit dem Orient in Beruehrung steht, kommt nur die spaetere Religionsform in Betracht, wie sie, entstanden vielleicht im Osten Irans, in Baktrien, insbesondere vom Westen her, von Medien aus dem Okzident gegenuebertrat und in ihn eindrang. Enger aber als selbst bei den Kelten sind in Iran die nationale Religion und der nationale Staat miteinander verwachsen. Es ist schon hervorgehoben worden, dass das legitime Koenigtum im Iran zugleich eine religioese Institution, der oberste Herrscher des Landes als durch die oberste Landesgottheit besonders zum Regiment berufen und selbst gewissermassen goettlich gedacht wird. Auf den Muenzen nationalen Gepraeges erscheint regelmaessig der grosse Feueraltar und ueber ihm schwebend der gefluegelte Gott Ahura Mazda, neben ihm in kleinerer Gestalt und in betender Stellung der Koenig und dem Koenig gegenueber das Reichsbanner. Dem entsprechend geht auch die Uebermacht des Adels im Partherreich Hand in Hand mit der privilegierten Stellung des Klerus. Die Priester dieser Religion, die Magier, erscheinen schon in den Urkunden der Achaemeniden und in den Erzaehlungen Herodots und haben, wahrscheinlich mit Recht, den Okzidentalen immer als national persische Institution gegolten. Das Priestertum ist erblich und wenigstens in Medien, vermutlich auch in anderen Landschaften, galt die Gesamtheit der Priester, etwa wie die Leviten in dem spaeteren Israel, als ein besonderer Volksteil. Auch unter der Herrschaft der Griechen haben die alte Religion des Staates und das nationale Priestertum ihren Platz behauptet. Als der erste Seleukos die neue Hauptstadt seines Reiches, das schon erwaehnte Seleukeia gruenden wollte, liess er die Magier Tag und Stunde dafuer bestimmen, und erst nachdem diese Perser, nicht gern, das verlangte Horoskop gestellt hatten, vollzogen ihrer Anweisung gemaess der Koenig und sein Heer die feierliche Grundsteinlegung der neuen Griechenstadt. Also auch ihm standen beratend die Priester des Ahura Mazda zur Seite und sie, nicht die des hellenischen Olymp, wurden bei den oeffentlichen Angelegenheiten insoweit befragt, als diese goettliche Dinge betrafen. Selbstverstaendlich gilt dies um so mehr von den Arsakiden. Dass bei der Koenigswahl neben dem Adelsrat der der Priester mitwirkte, wurde schon bemerkt. Koenig Tiridates von Armenien, aus dem Haus der Arsakiden, kam nach Rom unter Geleit eines Gefolges von Magiern, und nach deren Vorschrift reiste und speiste er, auch in Gemeinschaft mit dem Kaiser Nero, der gern sich von den fremden Weisen ihre Lehre verkuenden und die Geister beschwoeren liess. Daraus folgt allerdings noch nicht, dass der Priesterstand als solcher auf die Fuehrung des Staats wesentlich bestimmend eingewirkt hat; aber keineswegs ist der Mazda- Glaube erst durch die Sassaniden wiederhergestellt worden; vielmehr ist bei allem Wechsel der Dynastien und bei aller eigenen Entwicklung die Landesreligion im Iran in ihren Grundzuegen die gleiche geblieben. Die Landessprache im Partherreich ist die einheimische Irans. Keine Spur fuehrt darauf, dass unter den Arsakiden jemals eine Fremdsprache in oeffentlichem Gebrauch gewesen ist. Vielmehr ist es der iranische Landesdialekt Babyloniens und die diesem eigentuemliche Schrift, wie beide vor und in der Arsakidenzeit unter dem Einfluss von Sprache und Schrift der aramaeischen Nachbarn sich entwickelten, welche mit der Benennung Pahlavi, das heisst Parthava, belegt und damit bezeichnet werden als die des Reiches der Parther. Auch das Griechische ist in demselben nicht Reichssprache geworden. Keiner der Herrscher fuehrt auch nur als zweiten Namen einen griechischen; und haetten die Arsakiden diese Sprache zu der ihrigen gemacht, so wuerden uns griechische Inschriften in ihrem Reiche nicht fehlen. Allerdings zeigen ihre Muenzen bis auf die Zeit des Claudius ausschliesslich ^11 und auch spaeter ueberwiegend griechische Aufschrift, wie sie auch keine Spur der Landesreligion aufweisen und im Fuss sich der oertlichen Praegung der roemischen Ostprovinzen anschliessen, ebenso die Jahrteilung so wie die Jahrzaehlung so beibehalten haben, wie sie unter den Seleukiden geregelt worden waren. Aber es wird dies vielmehr dahin aufzufassen sein, dass die Grosskoenige selber ueberhaupt nicht praegten ^12 und diese Muenzen, die ja wesentlich fuer den Verkehr mit den westlichen Nachbarn dienten, von den griechischen Staedten des Reiches auf den Namen des Landesherrn geschlagen worden sind. Die Bezeichnung des Koenigs auf diesen Muenzen als “Griechenfreund” (philell/e/n), die schon frueh begegnet ^13 und seit Mithradates I., das heisst seit der Ausdehnung des Staates bis an den Tigris, stehend wird, hat einen Sinn nur, wenn auf diesen Muenzen die parthische Griechenstadt redet. Vermutlich war der griechischen Sprache im Partherreich neben der persischen eine aehnliche sekundaere Stellung im oeffentlichen Gebrauch eingeraeumt, wie sie sie im Roemerstaat neben der lateinischen besass. Das allmaehliche Schwinden des Griechentums unter der parthischen Herrschaft laesst sich auf diesen staedtischen Muenzen deutlich verfolgen, sowohl in dem Auftreten der einheimischen Sprache neben und statt der griechischen wie auch in der mehr und mehr hervortretenden Sprachzerruettung ^14. —————————————– ^11 Die aelteste bekannte Muenze mit Pahlavischrift ist zu Claudius’ Zeit unter Volagasos I. geschlagen; sie ist zweisprachig und gibt dem Koenig griechisch den vollen Titel, aber nur den Namen Arsakes, iranisch bloss den einheimischen Individualnamen abgekuerzt (Vol.). ^12 Gewoehnlich beschraenkt man dies auf die Grosssilbermuenze und betrachtet das Kleinsilber und das meiste Kupfer als koenigliche Praegung. Indes damit wird dem Grosskoenig eine seltsame sekundaere Rolle in der Praegung zugeteilt. Richtiger wird wohl jene Praegung aufgefasst als ueberwiegend fuer das Ausland, diese als ueberwiegend fuer den inneren Verkehr bestimmt; die zwischen beiden Gattungen bestehenden Verschiedenheiten erklaeren sich auf diese Weise auch.
^13 Der erste Herrscher, der sie fuehrt, ist Phraapates um 188 v. Chr. (P. Gardner, Parthian coinage, S. 27).
^14 So steht auf den Muenzen des Gotarzes (unter Claudius): G/o/terz/e/s basile?s basile/o/n yos kekaloymenos Artabanoy. Auf den spaeteren ist die griechische Aufschrift oft ganz unverstaendlich. —————————————– Dem Umfang nach stand das Reich der Arsakiden weit zurueck nicht bloss hinter dem Weltstaat der Achaemeniden, sondern auch hinter dem ihrer unmittelbaren Vorgaenger, dem Seleukidenstaat. Von dessen urspruenglichem Gebiet besassen sie nur die groessere oestliche Haelfte; nach der Schlacht, in welcher Koenig Antiochos Sidetes, ein Zeitgenosse der Gracchen, gegen die Parther fiel, haben die syrischen Koenige nicht wieder ernstlich versucht, ihre Herrschaft jenseits des Euphrat geltend zu machen; aber das Land diesseits des Euphrat blieb den Okzidentalen.
Von dem Persischen Meerbusen waren beide Kuesten, auch die arabische, im Besitz der Parther, die Schiffahrt auf demselben also vollstaendig in ihrer Gewalt; die uebrige arabische Halbinsel gehorchte weder den Parthern noch den ueber Aegypten gebietenden Roemern.
Das Ringen der Nationen um den Besitz des Industals und der westlich und oestlich angrenzenden Landschaften zu schildern, soweit die gaenzlich zerrissene Ueberlieferung ueberhaupt eine Schilderung zulaesst, ist die Aufgabe unserer Darstellung nicht; aber die Hauptzuege dieses Kampfes, welcher dem um das Euphrattal gefuehrten stetig zur Seite geht, duerfen auch in diesem Zusammenhang um so weniger fehlen, als unsere Ueberlieferung uns nicht gestattet, die Verhaeltnisse Irans nach Osten in ihrem Eingreifen in die westlichen Beziehungen im einzelnen zu verfolgen und es daher notwendig erscheint, wenigstens die Grundlinien derselben uns zu vergegenwaertigen. Bald nach dem Tode des grossen Alexander wurde durch das Abkommen seines Marschalls und Teilerben Seleukos mit dem Gruender des Inderreiches, Tschandragupta oder griechisch Sandrakottos, die Grenze zwischen Iran und Indien gezogen. Danach herrschte der letztere nicht bloss ueber das Gangestal in seiner ganzen Ausdehnung und das gesamte noerdliche Vorderindien, sondern im Gebiet des Indus wenigstens ueber einen Teil des Hochtals des heutigen Kabul, ferner ueber Arachosien oder Afghanistan, vermutlich auch ueber das wueste und wasserarme Gedrosien, das heutige Belutschistan, sowie ueber das Delta und die Muendungen des Indus; die in Stein gehauenen Urkunden, durch welche Tschandraguptas Enkel, der glaeubige Buddhaverehrer Asoka, das allgemeine Sittengesetz seinen Untertanen einschaerfte, sind wie in diesem ganzen weit ausgedehnten Gebiet, so namentlich noch in der Gegend von Peschawar gefunden worden ^15. Der Hindukusch, der Parapanisos der Alten, und dessen Fortsetzung nach Osten und Westen schieden also mit ihrer gewaltigen, nur von wenigen Paessen durchsetzten Kette Iran und Indien. Aber langen Bestand hat dies Abkommen nicht gehabt. —————————————- ^15 Waehrend das Reich des Dareios, seinen Inschriften zufolge, die Gadara (die Gandara der Inder, Gandarai der Griechen, am Kabulfluss) und die Hindu (die Indusanwohner) in sich schliesst, werden die ersteren in einer der Inschriften des Asoka unter seinen Untertanen aufgefuehrt, und ein Exemplar seines grossen Edikts hat sich in Kapurdi Giri oder vielmehr in Schahbaz Garhi (Yusufzai- Distrikt) gefunden, nahezu sechs deutsche Meilen nordwestlich von der Muendung des Kabulflusses in den Indus bei Atak. Der Sitz der Regierung dieser nordwestlichen Provinzen von Asokas Reich war (nach der Inschrift CI Indicar. I p. 91) Takkhasi-la, Taxila der Griechen, etwa neun deutsche Meilen OSO von Atak, der Regierungssitz fuer die suedwestlichen Landschaften Udjdjeni (Ox/e/n/e/). Der oestliche Teil des Kabultals gehoerte also auf jeden Fall zu Asokas Reich. Dass der Khaiberpass die Grenze gebildet habe, ist nicht geradezu unmoeglich; wahrscheinlich aber gehoerte das ganze Kabultal zu Indien und machte die Grenze suedlich von Kabul die scharfe Linie der Sulaiman-Kette und weiter suedwestlich der Bolanpass. Von dem spaeteren indoskythischen Koenig Huvischka (Ooerke der Muenzen), der an der Yamuna in Mathura residiert zu haben scheint, hat sich eine Inschrift bei Wardak, nicht weit noerdlich von Kabul, gefunden (nach Mitteilungen Oldenbergs).
—————————————- In der frueheren Diadochenzeit brachten die griechischen Herrscher des Reiches von Baktra, das von dem Seleukidenstaat geloest einen maechtigen Aufschwung nahm, das Grenzgebirge ueberschreitend einen grossen Teil des Industals in ihre Gewalt und setzten vielleicht noch weiter hinein in Vorderindien sich fest, so dass das Schwergewicht dieses Reiches sich aus dem westlichen Iran nach dem oestlichen Indien verschob und der Hellenismus dem Indertum wich. Die Koenige dieses Reiches heissen indische und fuehren spaeterhin ungriechische Namen; auf den Muenzen erscheint neben und statt der griechischen die einheimisch indische Sprache und Schrift, aehnlich wie in der parthisch-persischen Praegung neben dem Griechischen das Pahlavi emporkommt. Es trat dann eine Nation mehr in den Kampf ein: die Skythen oder, wie sie in Iran und in Indien heissen, die Saker brachen aus ihren Stammsitzen am Jaxartes ueber das Gebirge nach Sueden vor. Die baktrische Landschaft kam wenigstens grossenteils in ihre Gewalt, und etwa im letzten Jahrhundert der roemischen Republik muessen sie sich in dem heutigen Afghanistan und Belutschistan festgesetzt haben. Darum heisst in der fruehen Kaiserzeit die Kueste zu beiden Seiten der Indusmuendung um Minnagara Skythien und fuehrt im Binnenlande die westlich von Kandahar gelegene Landschaft der Dranger spaeter den Namen “Sakerland”, Sakastane, das heutige Sedjistan. Diese Einwanderung der Skythen in die Landschaften des baktro-indischen Reiches hat dasselbe wohl eingeschraenkt und geschaedigt, etwa wie die ersten Wanderungen der Germanen das roemische, aber es nicht zerstoert; noch unter Vespasian hat ein wahrscheinlich selbstaendiger baktrischer Staat bestanden ^16. —————————————————– ^16 Der Anm. 18 genannte aegyptische Kaufmann gedenkt c. 47 “des streitbaren Volks der Baktrianer, die ihren eigenen Koenig haben”. Damals also war Baktrien von dem unter parthischen Fuersten stehenden Indusreich getrennt. Auch Strabon (11, 11, 1 p. 516) behandelt das baktrisch-indische Reich als der Vergangenheit angehoerig.
—————————————————– Unter den Juliern und den Claudiern scheinen dann an der Indusmuendung die Parther die Vormacht gewesen zu sein. Ein zuverlaessiger Berichterstatter aus augustischer Zeit fuehrt eben jenes Sakastane unter den parthischen Provinzen auf und nennt den Koenig der Saker-Skythen einen Unterkoenig der Arsakiden; als letzte parthische Provinz gegen Osten bezeichnet er Arachosien mit der Hauptstadt Alexandropolis, wahrscheinlich Kandahar. Ja, bald darauf, in vespasianischer Zeit, herrschen in Minnagara parthische Fuersten. Indes war dies fuer das Reich am Indusstrom mehr ein Wechsel der Dynastie als eine eigentliche Annexion an den Staat von Ktesiphon. Der Partherfuerst Gondopharos, den die christliche Legende mit dem Apostel der Parther und der Inder, dem heiligen Thomas, verknuepft ^17, hat allerdings von Minnagara aus bis nach Peschawar und Kabul hinauf geherrscht; aber diese Herrscher gebrauchen, wie ihre Vorherrscher im indischen Reich, neben der griechischen die indische Sprache und nennen sich Grosskoenige wie diejenigen von Ktesiphon; sie scheinen mit den Arsakiden darum nicht weniger rivalisiert zu haben, weil sie demselben Fuerstengeschlecht angehoerten ^18.
—————————————————– ^17 Wahrscheinlich ist er der Kaspar – in aelterer Tradition Gathaspar -, der unter den heiligen drei Koenigen aus dem Morgenland auftritt (Gutschmid, Rheinisches Museum N. F. 19, 1861, S. 162). ^18 Das bestimmteste Zeugnis der Partherherrschaft in diesen Gegenden findet sich in der unter Vespasian von einem aegyptischen Kaufmann aufgesetzten Kuestenbeschreibung des Roten Meeres c. 38: “Hinter der Indusmuendung im Binnenland liegt die Hauptstadt von Skythien Minnagara; beherrscht aber wird diese von den Parthern, die bestaendig einander verjagen (ypo Parth/o/n synech/o/s all/e/loys endi/o/kont/o/n). Dasselbe wird in etwas verwirrter Weise c. 41 wiederholt; es kann hier scheinen, als laege Minnagara in Indien selbst oberhalb Barygaza, und schon Ptolemaeos ist dadurch irregefuehrt worden; aber gewisshat der Schreiber, der ueber das Binnenland nur von Hoerensagen spricht, nur sagen wollen, dass eine grosse Stadt Minnagara im Binnenland nicht fern von Barygaza liege und von da viel Baumwolle nach Barygaza gefuehrt werde. Auch koennen die nach demselben Gewaehrsmann in Minnagara zahlreich begegnenden Spuren Alexanders nur am Indus, nicht in Gudjarat sich gefunden haben. Die Lage Minnagaras am unteren Indus, unweit Haiderabad, und die Existenz einer parthischen Herrschaft daselbst unter Vespasian erscheint hierdurch gesichert. Damit werden verbunden werden duerfen die Muenzen des Koenigs Gondopharos oder Hyndopherres, welcher in einer sehr alten christlichen Legende von dem Apostel der Parther und der Inder, dem heiligen Thomas, zum Christentum bekehrt wird und in der Tat der ersten roemischen Kaiserzeit anzugehoeren scheint (Sallet, Zeitschrift fuer Numismatik 6, 1879, S. 355; Gutschmid, Rheinisches Museum N. F. 19, 1861, S. 162); seines Brudersohns Abdagases (Sauet, a. a. O., S. 365), welcher mit dem parthischen Fuersten dieses Namens bei Tacitus (ann. 6, 36) identisch sein kann, auf jeden Fall einen parthischen Namen traegt, endlich des Koenigs Sanabaros, der kurz nach Hyndopherres regiert haben muss, vielleicht sein Nachfolger gewesen ist. Dazu gehoeren noch eine Anzahl anderer mit parthischen Namen, Arsakes, Pakoros, Vonones, bezeichneten Muenzen. Diese Praegung stellt sich entschieden zu der der Arsakiden (Sallet, a. a. O., S. 277); die Silberstuecke des Gondopharos und des Sanabaros – von den uebrigen gibt es fast nur Kupfer -entsprechen genau den Arsakidendrachmen. Allem Anschein nach gehoeren diese den Partherfuersten von Minnagara; dass neben der griechischen hier indische Aufschrift erscheint, wie bei den spaeten Arsakiden Pahlavischrift, passt dazu. Aber es sind dies nicht Muenzen von Satrapen, sondern, wie dies auch der Aegypter andeutet, mit den ktesiphontischen rivalisierender Grosskoenige; Hyndopherres nennt sich in sehr verdorbenem Griechisch basile?s basile/o/n megas aytokr und in gutem Indisch “Maharadja Radjadi Radja”. Wenn, wie dies nicht unwahrscheinlich ist, in dem Mambaros oder Akabaros, den der Periplus c. 41. 52 als Herrscher der Kueste von Barygaza nennt, der Sanabaros der Muenzen steckt, so gehoert dieser in die Zeit Neros oder Vespasians und herrschte nicht bloss an der Indusmuendung, sondern auch ueber Gudjarat. Wenn ferner eine unweit Peschawar gefundene Inschrift mit Recht auf den Koenig Gondopharos bezogen wird, so muss dessen Herrschaft bis dort hinauf, wahrscheinlich bis nach Kabul hin sich erstreckt haben. Dass Corbulo im Jahre 60 die Gesandtschaft der von den Parthern abgefallenen Hyrkaner, damit sie von jenen nicht aufgegriffen wuerden, an die Kueste des Roten Meeres schickte, von wo sie, ohne parthisches Gebiet zu betreten, die Heimat erreichen konnten (Tac. 15, 25), spricht dafuer, dass das Industal damals dem Herrscher von Ktesiphon nicht botmaessig war. —————————————————– Auf diese parthische Dynastie folgt dann in dem indischen Reich nach kurzer Zwischenzeit die in der indischen Ueberlieferung als die der Saker oder die des Koenigs Kanerku oder Kanischka bezeichnete, welche mit dem Jahre 78 n. Chr. beginnt und wenigstens bis in das dritte Jahrhundert bestanden hat ^19. Sie gehoeren zu den Skythen, deren Einwanderung frueher erwaehnt ward, und auf ihren Muenzen tritt an die Stelle der indischen die skythische Sprache ^20. So haben im Indusgebiet nach den Indern und den Hellenen in den ersten drei Jahrhunderten unserer Zeitrechnung Parther und Skythen das Regiment gefuehrt. Aber auch unter den auslaendischen Dynastien hat dort dennoch eine national-indische Staatenbildung sich vollzogen und behauptet und der parthisch-persischen Machtentwicklung im Osten eine nicht minder dauernde Schranke entgegengestellt wie der Roemerstaat im Westen.
—————————————————– ^19 Dass das Grosskoenigtum der Arsakiden von Minnagara nicht viel ueber die neronische Zeit hinaus bestanden hat, ist nach den Muenzen wahrscheinlich. Was fuer Herrscher auf sie gefolgt sind, ist fraglich. Die baktrisch-indischen Herrscher griechischen Namens gehoeren ueberwiegend, vielleicht saemtlich der voraugustischen Epoche an; auch manche einheimischen Namens, zum Beispiel Maues und Azes, fallen nach Sprache und Schrift (zum Beispiel der Form des m S2) vor diese Zeit. Dagegen sind die Muenzen der Koenige Kozulokadphises und Ooemokadphises und diejenigen der Sakerkoenige, des Kanerku und seiner Nachfolger, welche alle namentlich durch den bis dahin in der indischen Praegung nicht begegnenden Goldstater vom Gewicht des roemischen Aureus sich deutlich als einheitliche Praegung charakterisieren, allem Anschein nach spaeter als Gondopharos und Sanabaros. Sie zeigen, wie der Staat des Industals sich in immer steigendem Mass im Gegensatz gegen die Hellenen wie gegen die Iranier national- indisch gestaltet hat. Die Regierung dieser Kadphises wird also zwischen die indo-parthischen Herrscher und die Dynastie der Saker fallen welche letztere mit dem Jahre 78 n. Chr. beginnt (Oldenberg in Sallets Zeitschrift fuer Numismatik 8, 1881, S. 292). In dem Schatz von Peschawar gefundene Muenzen dieser Sakerkoenige nennen merkwuerdigerweise griechische Goetter in verstuemmelter Form /E/rakilo, Sarapo, neben dem nationalen Boydo. Die spaetesten ihrer Muenzen zeigen den Einfluss der aeltesten Sassanidenpraegung und duerften der zweiten Haelfte des dritten Jahrhunderts angehoeren (Sallet, Zeitschrift fuer Numismatik 6, 1879, S. 225).
^20 Die indo-griechischen und die indo-parthischen Herrscher, ebenso die Kadphises bedienen sich auf ihren Muenzen in grossem Umfang neben der griechischen der einheimischen indischen Sprache und Schrift; die Sakerkoenige dagegen haben niemals indische Sprache und indisches Alphabet gebraucht, sondern verwenden ausschliesslich die griechischen Buchstaben, und die nicht griechischen Aufschriften ihrer Muenzen sind ohne Zweifel skythisch. So steht auf Kanerkus Goldstuecken bald basile?s basile/o/n Kan/e/rkoy, bald rao nanorao kan/e/rki korano wo die ersten beiden Woerter eine skythisierte Form des indischen Rbdjbdi Rbdja sein werden, die beiden folgenden den Eigen- und den Stammnamen (Guschana) des Koenigs enthalten (Oldenberg, a. a. O., S. 294). Also waren diese Saker in anderem Sinne Fremdherrscher in Indien als die baktrischen Hellenen und die Parther. Doch sind die unter ihnen in Indien gesetzten Inschriften nicht skythisch, sondern indisch. —————————————————– Gegen Norden und Nordosten grenzte Iran mit Turan. Wie das westliche und suedliche Ufer des Kaspischen Meeres und die oberen Taeler des Oxos und Jaxartes der Zivilisation eine geeignete Staette bieten, so gehoert die Steppe um den Aralsee und das dahinter sich ausbreitende weite Flachland von Rechts wegen den schweifenden Leuten. Es sind unter diesen Nomaden wohl einzelne den Iraniern verwandte Voelkerschaften gewesen; aber auch diese haben keinen Teil an der iranischen Zivilisation, und es ist das bestimmende Moment fuer die geschichtliche Stellung Irans, dass es die Vormauer der Kulturvoelker bildet gegen diejenigen Horden, die als Skythen, Saken, Hunnen, Mongolen, Tuerken keine andere weltgeschichtliche Bestimmung zu haben scheinen als die der Kulturvernichtung. Baktra, das grosse Bollwerk Irans gegen Turan, hat in der nachalexandrischen Epoche unter seinen griechischen Herrschern laengere Zeit dieser Abwehr genuegt; aber es ist schon erwaehnt worden, dass es spaeterhin zwar nicht unterging, aber das Vordringen der Skythen nach Sueden nicht laenger zu hindern vermochte. Mit dem Rueckgang der baktrischen Macht ging die gleiche Aufgabe ueber auf die Arsakiden. Wie weit dieselben ihr entsprochen haben, ist schwierig zu sagen. In der ersten Kaiserzeit scheinen die Grosskoenige von Ktesiphon, wie suedlich vom Hindukusch so auch in den noerdlichen Landschaften, die Skythen zurueckgedraengt oder sich botmaessig gemacht zu haben; einen Teil des baktrischen Gebiets haben sie ihnen wieder entrissen. Aber welche und ob ueberhaupt dauernde Grenzen hier sich feststellten, ist zweifelhaft. Der Kriege der Parther und der Skythen wird oft gedacht. Die letzteren, hier zunaechst die Umwohner des Aralsees, die Vorfahren der heutigen Turkmenen, sind regelmaessig die Angreifenden, indem sie teils zu Wasser ueber das Kaspische Meer in die Taeler des Kyros und des Araxes einfallen, teils von ihrer Steppe aus die reichen Fluren Hyrkaniens und die fruchtbare Oase der Margiana (Merw) ausrauben. Die Grenzgebiete verstanden sich dazu, die willkuerliche Brandschatzung mit Tributen abzukaufen, welche regelmaessig in festen Terminen eingefordert wurden, wie heute die Beduinen Syriens von den Bauern daselbst die Kubba erheben. Das parthische Regiment also vermochte wenigstens in der frueheren Kaiserzeit so wenig wie das heutige tuerkische, hier dem friedlichen Untertan die Fruechte seiner Arbeit zu sichern und einen dauernden Friedensstand an der Grenze herzustellen. Auch fuer die Reichsgewalt selbst blieben diese Grenzwirren eine offene Wunde; oftmals haben sie in die Sukzessionskriege der Arsakiden so wie in ihre Streitigkeiten mit Rom eingegriffen. Wie das Verhaeltnis der Parther zu den Roemern sich gestaltet und die Grenzen der beiden Grossmaechte sich festgestellt hatten, ist seinerzeit dargelegt worden. Waehrend die Armenier mit den Parthern rivalisiert hatten und das Koenigtum am Araxes sich anschickte, in Vorderasien die Grosskoenigsrolle zu spielen, hatten die Parther im allgemeinen freundliche Beziehungen zu den Roemern unterhalten als den Feinden ihrer Feinde. Aber nach der Niederwerfung des Mithradates und des Tigranes hatten die Roemer, namentlich durch die von Pompeius getroffenen Organisationen, eine Stellung genommen, die mit ernstlichem und dauerndem Frieden zwischen den beiden Staaten sich schwer vertrug. Im Sueden stand Syrien jetzt unter unmittelbarer roemischer Herrschaft, und die roemischen Legionen hielten Wacht an dem Saume der grossen Wueste, die das Kuestenland vom Euphrattal scheidet. Im Norden waren Kappadokien und Armenien roemische Lehnsfuerstentuemer. Die nordwaerts an Armenien grenzenden Voelkerschaften, die Kolcher, Iberer, Albaner, waren damit notwendig dem parthischen Einfluss entzogen und, wenigstens nach roemischer Auffassung, ebenfalls roemische Lehnsstaaten. Das suedoestlich an Armenien angrenzende, durch den Araxes von ihm getrennte Klein-Medien oder Atropatene (Aserbeidschan) hatte schon den Seleukiden gegenueber unter seiner alteinheimischen Dynastie seine Nationalitaet behauptet und sogar sich selbstaendig gemacht; unter den Arsakiden erscheint der Koenig dieser Landschaft je nach Umstaenden als Lehnstraeger der Parther oder als unabhaengig von diesen durch Anlehnung an die Roemer. Somit reichte der bestimmende Einfluss Roms bis zum Kaukasus und zum westlichen Ufer des Kaspischen Meeres. Es lag hierin ein Uebergreifen ueber die durch die nationalen Verhaeltnisse angezeigten Grenzen. Das hellenische Volkstum hatte wohl an der Suedkueste des Schwarzen Meeres und im Binnenland in Kappadokien und Kommagene so weit Fuss gefasst, dass hier die roemische Vormacht an ihm einen Rueckhalt fand; aber Armenien ist auch unter der langjaehrigen roemischen Herrschaft immer ein ungriechisches Land geblieben, durch die Gemeinschaft der Sprache und des Glaubens, die zahlreichen Zwischenheiraten der Vornehmen, die gleiche Kleidung und gleiche Bewaffnung ^21 an den Partherstaat mit unzerreissbaren Banden geknuepft. Die roemische Aushebung und die roemische Besteuerung sind nie auf Armenien erstreckt worden; hoechstens bestritt das Land die Aufstellung und die Unterhaltung der eigenen Truppen und die Verpflegung der daselbst liegenden roemischen. Die armenischen Kaufleute vermittelten den Warentausch ueber den Kaukasus mit Skythien, ueber das Kaspische Meer mit Ostasien und China, den Tigris hinab mit Babylonien und Indien, nach Westen hin mit Kappadokien; nichts haette naeher gelegen, als das politisch abhaengige Land in das roemische Steuer- und Zollgebiet einzuschliessen; dennoch ist nie dazu geschritten worden. Die Inkongruenz der nationalen und der politischen Zugehoerigkeit Armeniens bildet ein wesentliches Moment in dem durch die ganze Kaiserzeit sich hinziehenden Konflikt mit dem oestlichen Nachbarn. Man erkannte es wohl auf roemischer Seite, dass die Annektierung jenseits des Euphrat ein Uebergriff in das Stammgebiet der orientalischen Nationalitaet und fuer Rom kein eigentlicher Machtzuwachs war. Der Grund aber oder wenn man will die Entschuldigung dafuer, dass diese Uebergriffe dennoch sich fortsetzten, liegt darin, dass das Nebeneinanderstehen gleichberechtigter Grossstaaten mit dem Wesen der roemischen, man darf vielleicht sagen mit der Politik des Altertums ueberhaupt unvereinbar ist. Das roemische Reich kennt als Grenze genaugenommen nur das Meer oder das wehrlose Landgebiet. Dem schwaecheren, aber doch wehrhaften Staatswesen der Parther goennten die Roemer die Machtstellung nicht und nahmen ihm, worauf diese wieder nicht verzichten konnten; und darum ist das Verhaeltnis zwischen Rom und Iran durch die ganze Kaiserzeit eine nur durch Waffenstillstaende unterbrochene ewige Fehde um das linke Ufer des Euphrat. —————————————— ^21 Arrian, der als Statthalter von Kappadokien selbst ueber die Armenier das Kommando gefuehrt hatte (Alan. 29), nennt in der Taktik Armenier und Parther immer zusammen (4, 3; 44, 1 wegen der schweren Reiterei, der gepanzerten kontophoroi und der leichten Reiterei, der akrobolistai oder ippotoxotai; 35, 7 wegen der Pluderhosen), und wo er von Hadrians Einfuehrung der barbarischen Kavallerie in das roemische Heer spricht, fuehrt er die berittenen Schuetzen zurueck auf das Muster “der Parther oder Armenier” (44, 1). —————————————— In den von Lucullus und Pompeius mit den Parthern abgeschlossenen Vertraegen war die Euphratgrenze anerkannt, also Mesopotamien ihnen zugestanden worden. Aber dies hinderte die Roemer nicht, die Herrscher von Edessa in ihre Klientel aufzunehmen und, wie es scheint durch Erstreckung der Grenzen Armeniens gegen Sueden, einen grossen Teil des noerdlichen Mesopotamien wenigstens fuer ihre mittelbare Herrschaft in Anspruch zu nehmen. Deswegen hatte nach einigem Zaudern die parthische Regierung den Krieg gegen die Roemer in der Form begonnen, dass sie ihn den Armeniern erklaerte. Die Antwort darauf war der Feldzug des Crassus und nach der Niederlage bei Karrhae die Zurueckfuehrung Armeniens unter parthische Gewalt; man kann hinzusetzen: die Wiederaufnahme der Ansprueche auf die westliche Haelfte des Seleukidenstaats, deren Durchfuehrung freilich damals misslang. Waehrend des ganzen zwanzigjaehrigen Buergerkriegs, in dem die roemische Republik zugrunde ging und schliesslich der Prinzipat sich feststellte, dauerte der Kriegsstand zwischen Roemern und Parthern, und nicht selten griffen beide Kaempfe ineinander ein. Pompeius hatte vor der Entscheidungsschlacht versucht, den Koenig Orodes als Verbuendeten zu gewinnen; aber als dieser die Abtretung Syriens forderte, vermochte er es nicht ueber sich, die durch ihn selbst roemisch gewordene Provinz auszuliefern. Nach der Katastrophe hatte er dennoch sich dazu entschlossen; aber Zufaelligkeiten lenkten seine Flucht statt nach Syrien vielmehr nach Aegypten, wo er dann sein Ende fand. Die Parther schienen im Begriff, abermals in Syrien einzubrechen; und die spaeteren Fuehrer der Republikaner verschmaehten den Beistand der Landesfeinde nicht. Noch bei Caesars Lebzeiten hatte Caecilius Bassus, als er die Fahne des Aufstands in Syrien erhob, sofort die Parther herbeigerufen. Sie waren diesem Ruf auch gefolgt; des Orodes Sohn Pakoros hatte den Statthalter Caesars geschlagen und die von ihm in Apameia belagerte Truppe des Bassus befreit (709 45). Sowohl aus diesem Grunde, wie um fuer Karrhae Revanche zu nehmen, hatte Caesar beschlossen, im naechsten Fruehling persoenlich nach Syrien und ueber den Euphrat zu gehen; aber die Ausfuehrung dieses Planes verhinderte sein Tod. Als dann Cassius in Syrien ruestete, knuepfte er auch mit dem Partherkoenig an, und in der Entscheidungsschlacht bei Philippi (712 42) haben parthische berittene Schuetzen mit fuer die Freiheit Roms gestritten. Da die Republikaner unterlagen, verhielt der Grosskoenig zunaechst sich ruhig, und auch Antonius hatte wohl die Absicht, des Diktators Plaene auszufuehren, aber zunaechst mit der Ordnung des Orients genug zu tun. Der Zusammenstoss konnte nicht ausbleiben; der Angreifende war diesmal der Partherkoenig. Als im Jahre 713 (41) Caesar der Sohn in Italien mit den Feldherren und der Gemahlin des Antonius schlug und dieser in Aegypten bei der Koenigin Kleopatra untaetig verweilte, entsprach Orodes dem Draengen eines bei ihm im Exil lebenden Roemers, des Quintus Labienus, und sandte diesen, einen Sohn des erbitterten Gegners des Diktators Titus Labienus und ehemaligen Offizier im Heere des Brutus, sowie (713 41) seinen Sohn Pakoros mit einer starken Armee ueber die Grenze. Der Statthalter Syriens, Decidius Saxa, unterlag dem unvermuteten Angriff; die roemischen Besatzungen, grossenteils gebildet aus alten Soldaten der republikanischen Armee, stellten sich unter den Befehl ihres frueheren Offiziers; Apameia und Antiocheia, ueberhaupt alle Staedte Syriens mit Ausnahme der ohne Flotte nicht zu bezwingenden Inselstadt Tyros, unterwarfen sich; auf der Flucht nach Kilikien gab sich Saxa, um nicht gefangen zu werden, selber den Tod. Nach der Einnahme Syriens wandte sich Pakoros gegen Palaestina, Labienus nach der Provinz Asia; auch hier unterwarfen sich weithin die Staedte oder wurden mit Gewalt bezwungen, mit Ausnahme des karischen Stratonikeia. Antonius, durch die italischen Verwicklungen in Anspruch genommen, sandte seinen Statthaltern keinen Sukkurs, und fast zwei Jahre (Ende 713 bis Fruehjahr 715 41- 39) geboten in Syrien und einem grossen Teil Kleinasiens die parthischen Feldherren und der republikanische Imperator Labienus -der Parthiker, wie er mit schamloser Ironie sich nannte, nicht der Roemer, der die Parther, sondern der Roemer, der mit den Parthern die Seinigen ueberwand. Erst nachdem der drohende Bruch zwischen den beiden Machthabern abgewandt war, sandte Antonius ein neues Heer unter Fuehrung des Publius Ventidius Bassus, dem er das Kommando in den Provinzen Asia und Syrien uebergab. Der tuechtige Feldherr traf in Asia den Labienus allein mit seinen roemischen Truppen und schlug ihn rasch aus der Provinz hinaus. An der Scheide von Asia und Kilikien, in den Paessen des Taurus, wollte eine Abteilung der Parther die fliehenden Verbuendeten aufnehmen; aber auch sie wurden geschlagen, bevor sie sich mit Labienus vereinigen konnten, und darauf dieser auf der Flucht in Kilikien aufgegriffen und getoetet. Mit gleichem Glueck erstritt Ventidius die Paesse des Amanos an der Grenze von Kilikien und Syrien; hier fiel Pharnapates, der beste der parthischen Generale (715 39). Damit war Syrien vom Feinde befreit. Allerdings ueberschritt im Jahre darauf Pakoros noch einmal den Euphrat, aber nur um in einem entscheidenden Treffen bei Gindaros nordoestlich von Antiocheia (9. Juni 716 38) mit dem groessten Teil seines Heeres den Untergang zu finden. Es war ein Sieg, der den Tag bei Karrhae einigermassen aufwog und von dauernder Wirkung: auf lange hinaus haben die Parther nicht wieder ihre Truppen am roemischen Ufer des Euphrat gezeigt. Wenn es im Interesse Roms lag, die Eroberungen gegen Osten auszudehnen und die Erbschaft des grossen Alexander hier in ihrem vollen Umfang anzutreten, so lagen dafuer die Verhaeltnisse nie guenstiger als im Jahre 716 (38). Die Beziehungen der Zweiherrscher zueinander hatten zur rechten Zeit dafuer sich neu befestigt, und auch Caesar wuenschte damals wahrscheinlich aufrichtig eine ernstliche und glueckliche Kriegfuehrung seines Herrschaftsgenossen und neuen Schwagers. Die Katastrophe von Gindaros hatte bei den Parthern eine schwere dynastische Krise hervorgerufen. Koenig Orodes legte, tief erschuettert durch den Tod seines aeltesten und tuechtigsten Sohnes, das Regiment zu Gunsten seines zweitgeborenen, Phraates, nieder. Dieser fuehrte, um sich den Thron besser zu sichern, ein Regiment des Schreckens, dem seine zahlreichen Brueder und der alte Vater selbst so wie eine Anzahl der hohen Adligen des Reiches zum Opfer fielen; andere derselben traten aus und suchten Schutz bei den Roemern, unter ihnen der maechtige und angesehene Monaeses. Nie hat Rom im Orient ein Heer von gleicher Zahl und Tuechtigkeit gehabt wie in dieser Zeit: Antonius vermochte nicht weniger als sechzehn Legionen, gegen 70000 Mann roemischer Infanterie, gegen 40000 der Hilfsvoelker, 10000 spanische und gallische, 6000 armenische Reiter ueber den Euphrat zu fuehren; wenigstens die Haelfte derselben waren altgediente, aus dem Westen herangefuehrte Truppen, alle bereit, ihrem geliebten und verehrten Fuehrer, dem Sieger von Philippi, wo immer hin zu folgen und die glaenzenden Siege, die nicht durch, aber fuer ihn ueber die Parther bereits erfochten waren, unter seiner eigenen Fuehrung mit noch groesseren Erfolgen zu kroenen.
In der Tat fasste Antonius die Aufrichtung eines asiatischen Grosskoenigtums nach dem Muster Alexanders ins Auge. Wie Crassus vor seinem Einruecken verkuendigt hatte, dass er die roemische Herrschaft bis nach Baktrien und Indien ausdehnen werde, so nannte Antonius den ersten Sohn, den die aegyptische Koenigin ihm gebar, mit dem Namen Alexanders. Er scheint geradezu beabsichtigt zu haben, einerseits mit Ausschluss der vollstaendig hellenisierten Provinzen Bithynien und Asia das gesamte Reichsgebiet im Osten, so weit es nicht schon unter abhaengigen Kleinfuersten stand, in diese Form zu bringen, andererseits alle einstmals von den Okzidentalen besetzten Landschaften des Ostens in Form von Satrapien sich untertaenig zu machen. Von dem oestlichen Kleinasien wurde der groesste Teil und der militaerische Primat dem streitbarsten der dortigen Fuersten, dem Galater Amyntas, zugewiesen. Neben dem galatischen standen die Fuersten von Paphlagonien, die von Galatien verdraengten Nachkommen des Delotarus; Polemon, der neue Fuerst im Pontos und der Gemahl der Enkelin des Antonius Pythodoris; ferner wie bisher die Koenige von Kappadokien und Kommagene. Einen grossen Teil Kilikiens und Syriens sowie Kypros und Kyrene vereinigte Antonius mit dem aegyptischen Staat, dem er also fast die Grenzen wiedergab, wie sie unter den Ptolemaeern gewesen waren, und wie er die Buhle Caesars, die Koenigin Kleopatra, zu der seinigen oder vielmehr zu seiner Gattin gemacht hatte, so erhielt ihr Bastard von Caesar, Caesarion, schon frueher anerkannt als Mitherrscher in Aegypten ^22, die Anwartschaft auf das alte Ptolemaeerreich, die auf Syrien ihr Bastard von Antonius, Ptolemaeos Philadelphos. Einem anderen Sohn, den sie dem Antonius geboren hatte, dem schon erwaehnten Alexander, ward fuer jetzt Armenien zugeteilt als Abschlagzahlung auf die ihm weiter zugedachte Herrschaft des Ostens. Mit diesem nach orientalischer Art geordneten Grosskoenigtum ^23 dachte er den Prinzipat ueber den Okzident zu vereinigen. Er selbst hat nicht den Koenigsnamen angenommen, vielmehr seinen Landsleuten und den Soldaten gegenueber nur diejenigen Titel gefuehrt, die auch Caesar zukamen. Aber auf Reichsmuenzen mit lateinischer Aufschrift heisst Kleopatra Koenigin der Koenige, ihre Soehne von Antonius wenigstens Koenige; den Kopf seines aeltesten Sohnes zeigen die Muenzen neben dem des Vaters, als verstaende die Erblichkeit sich von selbst; die Ehe und die Erbfolge der echten und der Bastardkinder wird von ihm behandelt, wie es bei den Grosskoenigen des Ostens Gebrauch ist oder, wie er selbst sagte, mit der goettlichen Freiheit seines Ahnherrn Herakles ^24; jenen Alexander und dessen Zwillingsschwester Kleopatra nannte er den ersteren Helios, die letztere Selene nach dem Muster eben dieser Grosskoenige, und wie einst der Perserkoenig dem fluechtigen Themistokles eine Anzahl asiatischer Staedte, so schenkte er dem zu ihm uebergetretenen Parther Monaeses drei Staedte Syriens. Auch in Alexander gingen der Koenig der Makedonier und der Koenig der Koenige des Ostens einigermassen nebeneinander her, und auch ihm war fuer das Lagerzelt von Gaugamela das Brautbett in Susa der Lohn; aber seine roemische Kopie zeigt in ihrer Genauigkeit ein starkes Element der Karikatur. —————————————- ^22 Als Mitherrscher Aegyptens ist der Bastard Caesars Ptolemaios o kai Kaisar theos philopat/o/r philom/e/t/o/r, wie seine Koenigsbenennung lautet (CIG 4717), eingetreten in dem aegyptischen Jahr 29. Aug. 711/12, wie die Jahresrechnung ausweist (Westher Bullettino dell’ Instituto 1866, S. 199; Krall, Wiener Studien 5, S. 313). Da er an den Platz des Gatten und Bruders seiner Mutter Ptolemaeos des Juengeren tritt, so wird dessen Beseitigung durch Kleopatra, deren naehere Umstaende nicht bekannt sind, eben damals erfolgt sein und den Anlass gegeben haben, ihn als Koenig von Aegypten zu proklamieren. Auch Dio (47, 31) setzt seine Ernennung in den Sommer des Jahres 712 vor die Schlacht von Philippi. Dieselbe ist also nicht Antonius’ Werk, sondern von den beiden Herrschern gemeinschaftlich genehmigt zu einer Zeit, wo ihnen daran gelegen sein musste, der Koenigin von Aegypten, die allerdings von Anfang an auf ihrer Seite gestanden hatte, entgegenzukommen.
^23 Das meint Augustus, wenn er sagt, dass er die grossenteils unter Koenige verteilten Provinzen des Orients wieder zum Reiche gebracht habe (Mop. Ancyr. 5, 41: provincias omnis, quae trans Hadrianum mare vergunt ad orientem, Cyrenasque, iam ex parte magna regibus eas possidentibus . . . reciperavi). ^24 Die Dezenz, die fuer Augustus ebenso charakteristisch ist wie fuer seinen Kollegen das Gegenteil, verleugnet sich auch hier nicht. Nicht bloss wurde in Betreff Caesarions die Vaterschaft, die der Diktator selbst so gut wie anerkannt hatte, spaeterhin offiziell verleugnet; auch die Kinder des Antonius von der Kleopatra, wo freilich nichts zu verleugnen war, sind wohl als Glieder des kaiserlichen Hauses betrachtet, aber nie foermlich als Kinder des Antonius anerkannt worden. Im Gegenteil heisst der Sohn der Tochter des Antonius von Kleopatra, der spaetere Koenig von Mauretanien Ptolemaeos in der athenischen Inschrift CIA III, 555 Enkel des Ptolemaeos; denn Ptolemaioy ekgonos kann in diesem Zusammenhang nicht wohl anders gefasst werden. Man erfand in Rom diesen muetterlichen Grossvater, um den wirklichen offiziell verschweigen zu koennen. Wer es vorzieht, was O. Hirschfeld vorschlaegt, ekgonos als Urenkel zu nehmen und auf den muetterlichen Urgrossvater zu beziehen, kommt zu demselben Resultat; denn dann ist der Grossvater uebergangen, weil die Mutter im Rechtssinne vaterlos war.
Ob die Fiktion, die mir wahrscheinlicher ist, so weit ging, einen bestimmten Ptolemaeos zu bezeichnen, etwa dem im Jahre 712 gestorbenen letzten Lagiden das Leben zu verlaengern, oder ob man sich begnuegte, im allgemeinen den Vater zu fingieren, ist nicht zu entscheiden. Aber auch darin hielt man die Fiktion fest, dass der Sohn der Tochter des Antonius den Namen des fiktiven Grossvaters erhielt. Dass dabei der Herkunft von den Lagiden vor derjenigen von Massinissa der Vorzug gegeben ward, mag wohl mehr durch die Ruecksicht auf das kaiserliche Haus herbeigefuehrt sein, welches das Bastardkind als zugehoerig behandelte, als durch die hellenischen Neigungen des Vaters. —————————————- Ob Antonius gleich bei der Uebernahme des Regiments im Osten seine Stellung in dieser Weise aufgefasst, ist nicht zu entscheiden; vermutlich ist die Schaffung eines neuen orientalischen Grosskoenigtums in Verbindung mit dem okzidentalischen Prinzipat allmaehlich in ihm gereift und der Gedanke erst voellig zu Ende gedacht worden, nachdem er im Jahre 717 (37) bei seiner Rueckkehr aus Italien nach Asien abermals das Verhaeltnis mit der letzten Koenigin des Lagidenhauses angeknuepft hatte, um es nicht wieder zu zerreissen. Aber sein Naturell war solchem Unterfangen nicht gewachsen. Eine jener militaerischen Kapazitaeten, die dem Feind gegenueber und besonders in schwieriger Lage besonnen und kuehn zu schlagen wissen, fehlte ihm der staatsmaennische Wille, das sichere Erfassen und entschlossene Verfolgen des politischen Ziels. Haette der Diktator Caesar ihm die Unterwerfung des Ostens zur Aufgabe gestellt, so wuerde er sie wohl geloest haben; zum Herrscher taugte der Marschall nicht. Nach der Vertreibung der Parther aus Syrien verstrichen fast zwei Jahre (Sommer 716 bis Sommer 718 38-36), ohne dass irgendein Schritt zum Ziele getan ward. Antonius selbst, auch darin untergeordnet, dass er seinen Generalen bedeutende Erfolge ungern goennte, hatte den Besieger des Labienus und des Pakoros, den tuechtigen Ventidius sofort nach diesem letzten Erfolg entfernt und selbst den Oberbefehl uebernommen, um die armselige Ehre der Einnahme Samosatas, der Hauptstadt des kleinen syrischen Dependenzstaats Kommagene, zu verfolgen und zu verfehlen; aergerlich darueber verliess er den Osten, um in Italien mit seinem Schwager ueber die kuenftige Ordnung zu verhandeln oder mit seiner jungen Gattin Octavia sich des Lebens zu freuen. Seine Statthalter im Osten waren nicht untaetig. Publius Canidius Crassus ging von Armenien aus gegen den Kaukasus vor und unterwarf daselbst den Koenig der Iberer, Pharnabazos, und den der Albaner, Zober. Gaius Sossius nahm in Syrien die letzte noch zu den Parthern haltende Stadt Arados; er stellte ferner in Judaea die Herrschaft des Herodes wieder her und liess den von den Parthern eingesetzten Thronpraetendenten, den Hasmonaeer Antigonos, hinrichten. Die Konsequenzen des Sieges auf roemischem Gebiet wurden also gezogen und bis zum Kaspischen Meer und der syrischen Wueste die roemische Herrschaft zur Anerkennung gebracht. Aber die Kriegfuehrung gegen die Parther zu beginnen, hatte sich Antonius selbst vorbehalten, und er kam nicht.
Als er endlich im Jahre 718 (36) sich nicht Octavias, sondern Kleopatras Armen entwand und die Heersaeulen in Marsch setzte, war bereits ein guter Teil der geeigneten Jahreszeit verstrichen. Noch viel auffallender als die Saeumnis ist die Richtung, welche Antonius waehlte. Frueher und spaeter haben alle Angriffskriege der Roemer gegen die Parther den Weg auf Ktesiphon eingeschlagen, die Hauptstadt des Reiches und zugleich an dessen Westgrenze gelegen, also fuer die am Euphrat oder am Tigris hinabmarschierenden Heere das natuerliche und naechste Operationsziel. Auch Antonius konnte, nachdem er durch das noerdliche Mesopotamien ungefaehr auf dem Wege, den Alexander beschritten hatte, an den Tigris gelangt war, am Fluss hinab auf Ktesiphon und Seleukeia vorruecken. Aber statt dessen ging er vielmehr in noerdlicher Richtung zunaechst nach Armenien und von da, wo er seine gesamten Streitkraefte vereinigte und namentlich durch die armenische Reiterei sich verstaerkte, in die Hochebene von Media Atropatene (Aserbeidschan). Der verbuendete Koenig von Armenien mag diesen Feldzugsplan wohl empfohlen haben, da die armenischen Herrscher zu allen Zeiten nach dem Besitz dieses Nachbarlandes strebten und Koenig Artavazdes von Armenien hoffen mochte, den gleichnamigen Satrapen von Atropatene jetzt zu bewaeltigen und dessen Gebiet zu dem seinigen zu fuegen. Aber Antonius selbst ist durch solche Ruecksichten unmoeglich bestimmt worden. Eher mochte er meinen, von Atropatene aus in das Herz des feindlichen Landes vordringen zu koennen und die alten persischen Residenzen Ekbatana und Rhagae als Marschziel betrachten. Aber wenn er dies plante, handelte er ohne Kenntnis des schwierigen Terrains und unterschaetzte durchaus die Widerstandskraft des Gegners, wobei die kurze fuer Operationen in diesem Gebirgsland verfuegbare Zeit und der spaete Beginn des Feldzugs schwer in die Waagschale fielen. Da ein geschickter und erfahrener Offizier, wie Antonius war, sich darueber schwerlich hat taeuschen koennen, so haben wahrscheinlich besondere politische Erwaegungen hier eingewirkt. Phraates’ Herrschaft wankte, wie gesagt ward; Monaeses, von dessen Treue Antonius sich versichert hielt und den er vielleicht an Phraates’ Stelle zu setzen hoffte, war dem Wunsche des Partherkoenigs gemaess in sein Vaterland zurueckgekehrt ^25; Antonius scheint auf eine Schilderhebung desselben gegen Phraates gezaehlt und in Erwartung dieses Buergerkrieges seine Armee in die inneren parthischen Provinzen gefuehrt zu haben. Es waere wohl moeglich gewesen, in dem befreundeten Armenien den Erfolg dieses Anschlags abzuwarten, und wenn danach weitere Operationen erforderlich waren, im folgenden Jahre wenigstens ueber die volle Sommerzeit zu verfuegen; aber dies Zuwarten missfiel dem hastigen Feldherrn. In Atropatene traf er nicht bloss auf den hartnaeckigen Widerstand des maechtigen und halb unabhaengigen Unterkoenigs, der in seiner Hauptstadt Praaspa oder Phraarta (suedlich vom Urmia-See, vermutlich am oberen Lauf des Djaghatu) entschlossen die Belagerung aushielt, sondern der feindliche Angriff brachte auch den Parthern, wie es scheint, den inneren Frieden. Phraates fuehrte ein stattliches Heer zum Entsatz der angegriffenen Stadt heran. Antonius hatte einen grossen Belagerungspark mitgefuehrt, aber ungeduldig vorwaerts eilend diesen in der Obhut von zwei Legionen unter dem Legaten Oppius Stauanus zurueckgelassen. So kam er seinerseits mit der Belagerung nicht vorwaerts; Koenig Phraates aber sandte unter eben jenem Monaeses seine Reitermassen in den Ruecken der Feinde gegen das muehsam nachrueckende Korps des Stauanus. Die Parther hieben die Deckungsmannschaft nieder, darunter den Feldherrn selbst, nahmen den Rest gefangen und vernichteten den gesamten Park von 300 Wagen. Damit war der Feldzug verloren. Der Armenier, an dem Erfolge des Feldzugs verzweifelnd, nahm seine Leute zusammen und ging heim. Antonius gab nicht sofort die Belagerung auf und schlug sogar das koenigliche Heer in offener Feldschlacht, aber die flinken Reiter entrannen ohne wesentlichen Verlust und es war ein Sieg ohne Wirkung. Ein Versuch, von dem Koenig wenigstens die Rueckgabe der alten und der neu verlorenen Adler zu erlangen und also wenn nicht mit Vorteil, doch mit Ehren Frieden zu schliessen, schlug fehl; so leichten Kaufs gab der Parther den sicheren Erfolg nicht aus der Hand. Er versicherte nur den Abgesandten des Antonius, dass, wenn die Roemer die Belagerung aufheben wuerden, er sie auf der Heimkehr nicht belaestigen werde. Diese weder ehrenvolle noch zuverlaessige feindliche Zusage wird Antonius schwerlich zum Aufbruch bestimmt haben. Es lag nahe, in Feindesland Winterquartier zu nehmen, zumal da die parthischen Truppen dauernden Kriegsdienst nicht kannten und voraussichtlich beim Einbrechen des Winters die meisten Mannschaften heimgegangen sein wuerden. Aber es fehlte ein fester Stuetzpunkt, und die Zufuhr in dem ausgesogenen Land war nicht gesichert, vor allen Dingen Antonius selbst einer solchen zaehen Kriegfuehrung nicht faehig. Also gab er die Maschinen preis, die die Belagerten sofort verbrannten und trat den schweren Rueckweg an, entweder zu frueh oder zu spaet. Fuenfzehn Tagemaersche (300 roemische Meilen) durch feindliches Land trennten das Heer von dem Araxes, dem Grenzfluss Armeniens, wohin trotz der zweideutigen Haltung des Herrschers allein der Rueckzug gerichtet werden konnte. Ein feindliches Heer von 40000 Berittenen gab trotz der gegebenen Zusage den Abziehenden das Geleit, und mit dem Abmarsch der Armenier hatten die Roemer den besten Teil ihrer Reiterei verloren. Die Lebensmittel und die Zugtiere waren knapp, die Jahreszeit weit vorgerueckt. Aber Antonius fand in der gefaehrlichen Lage seine Kraft und seine Kriegskunst wieder, einigermassen auch sein Kriegsglueck; er hatte gewaehlt, und der Feldherr wie die Truppen loesten die Aufgabe in ruehmlicher Weise. Haetten sie nicht einen ehemaligen Soldaten des Crassus bei sich gehabt, der, zum Parther geworden, Weg und Steg auf das genaueste kannte und sie statt durch die Ebene, auf der sie gekommen waren, auf Gebirgswegen zurueckfuehrte, die den Reiterangriffen weniger ausgesetzt waren – wie es scheint ueber die Berge um Tabriz -, so wuerde das Heer schwerlich an das Ziel gelangt sein; und haette nicht Monaeses, in seiner Art dem Antonius die Dankesschuld abtragend, ihn rechtzeitig von den falschen Zusicherungen und den hinterlistigen Anschlaegen seiner Landsleute in Kenntnis gesetzt, so waeren die Roemer wohl in einen der Hinterhalte gefallen, die ihnen mehrfach gelegt wurden. Antonius’ Soldatennatur trat in diesen schweren Tagen oftmals glaenzend hervor, in seiner geschickten Benutzung jedes guenstigen Moments, in seiner Strenge gegen die Feigen, in seiner Macht ueber die Soldatengemueter, in seiner treuen Fuersorge fuer die Verwundeten und die Kranken. Dennoch war die Rettung fast ein Wunder; schon hatte Antonius einen treuen Leibdiener angewiesen, im aeussersten Fall ihn nicht lebend in die Haende der Feinde fallen zu lassen. Unter stetigen Angriffen des tueckischen Feindes, in winterlich kalter Witterung, bald ohne genuegende Nahrung und oft ohne Wasser erreichten sie in siebenundzwanzig Tagen die schuetzende Grenze, wo der Feind von ihnen abliess. Der Verlust war ungeheuer; man rechnete auf jene siebenundzwanzig Tage achtzehn groessere Treffen, und in einem einzigen derselben zaehlten die Roemer 3000 Tote und 5000 Verwundete. Es waren eben die Besten und Bravsten, die die stetigen Nachhuts- und Flankengefechte hinrafften. Das ganze Gepaeck, ein Drittel des Trosses, ein Viertel der Armee, 20000 Fusssoldaten und 4000 Reiter waren auf diesem medischen Feldzug zugrunde gegangen, zum grossen Teil nicht durch das Schwert, sondern durch Hunger und Seuchen. Auch am Araxes waren die Leiden der ungluecklichen Truppen noch nicht zu Ende. Artavazdes nahm sie als Freund auf und hatte auch keine andere Wahl; es waere wohl moeglich gewesen, hier zu ueberwintern. Aber die Ungeduld des Antonius litt dies nicht; der Marsch ging weiter, und bei der immer rauher werdenden Jahreszeit und dem Gesundheitszustand der Soldaten kostete dieser letzte Abschnitt der Expedition vom Araxes bis nach Antiocheia, obwohl kein Feind ihn behinderte, noch weitere 8000 Mann. Wohl ist dieser Feldzug ein letztes Aufleuchten dessen, was in Antonius’ Charakter brav und tuechtig war, aber politisch seine Katastrophe, um so mehr, als gleichzeitig Caesar durch die glueckliche Beendigung des sizilischen Krieges die Herrschaft im Okzident und das Vertrauen Italiens fuer jetzt und alle Zukunft gewann. ———————————————– ^25 Es ist an sich glaublich dass Antonius dem Phraates so lange wie moeglich die bevorstehende Invasion verbarg und darum bei Ruecksendung des Monaeses sich bereit erklaerte, auf Grund der Rueckgabe der verlorenen Feldzeichen Frieden zu schliessen (Plut. Ant. 37; Dio 49, 24; Florus 2, 20 [4, 101). Aber er wusste vermutlich, dass dies Anerbieten nicht wuerde angenommen werden, und ernst kann es ihm mit diesen Antraegen auf keinen Fall gewesen sein; ohne Zweifel wollte er den Krieg und den Sturz des Phraates. ———————————————– Die Verantwortung fuer den Misserfolg, den zu verleugnen er vergeblich versuchte, warf Antonius auf die abhaengigen Koenige von Kappadokien und Armenien, auf den letzteren insofern mit Recht, als dessen vorzeitiger Abmarsch von Praaspa die Gefahren und die Verluste des Rueckzugs wesentlich gesteigert hatte. Aber fuer den Feldzugsplan trug nicht er die Verantwortung, sondern Antonius ^26; und das Fehlschlagen der auf Monaeses gesetzten Hoffnungen, die Katastrophe des Stauanus, das Scheitern der Belagerung von Praaspa sind nicht durch den Armenier herbeigefuehrt worden. Die Unterwerfung des Ostens gab Antonius nicht auf, sondern brach im naechsten Jahre (719 35) abermals aus Aegypten auf. Die Verhaeltnisse lagen auch jetzt noch verhaeltnismaessig guenstig. Mit dem medischen Koenig Artavazdes wurde ein Freundschaftsbuendnis angeknuepft; derselbe war nicht bloss mit dem parthischen Oberherrn in Streit geraten, sondern grollte auch vor allem dem armenischen Nachbarn und durfte bei der wohlbekannten Erbitterung des Antonius gegen diesen darauf rechnen, an dem Feind seines Feindes eine Stuetze zu finden. Alles kam an auf das feste Einvernehmen der beiden Machthaber, des sieggekroenten Herrn des Westens und des geschlagenen Herrschers im Osten; und auf die Kunde hin, dass Antonius die Fortfuehrung des Krieges beabsichtige, begab sich seine rechtmaessige Gattin, die Schwester Caesars, von Italien nach dem Osten, um ihm neue Mannschaften zuzufuehren und das Verhaeltnis zu ihr und zu dem Bruder neu zu befestigen. Wenn Octavia gross genug dachte, trotz des Verhaeltnisses mit der aegyptischen Koenigin dem Gatten die Hand zur Versoehnung zu bieten, so muss auch Caesar, wie dies weiter die eben jetzt erfolgende Eroeffnung des Krieges an der italischen Nordostgrenze bestaetigt, damals noch bereit gewesen sein, das bestehende Verhaeltnis aufrechtzuerhalten. Beide Geschwister ordneten ihre persoenlichen Interessen denen des Gemeinwesens in hochherziger Weise unter. Aber wie laut das Interesse wie die Ehre dafuer sprachen, die hingereichte Hand anzunehmen, Antonius konnte es nicht ueber sich gewinnen, das Verhaeltnis zu der Aegypterin zu loesen; er wies die Gattin zurueck, und dies war zugleich der Bruch mit deren Bruder, und, wie man hinzusetzen kann, der Verzicht auf die Fortfuehrung des Krieges gegen die Parther. Nun musste, ehe daran gedacht werden konnte, die Herrschaftsfrage zwischen Antonius und Caesar erledigt werden. Antonius ging denn auch sofort aus Syrien nach Aegypten zurueck und unternahm in den folgenden Jahren nichts weiteres zur Ausfuehrung seiner orientalischen Eroberungsplaene; nur strafte er die, denen er die Schuld des Misserfolgs beimass. Den Koenig von Kappadokien, Ariarathes, liess er hinrichten ^27 und gab das Koenigreich einem illegitimen Verwandten desselben, dem Archelaos. Das gleiche Schicksal war dem Armenier zugedacht. Wenn Antonius, wie er sagte, zur Fortfuehrung des Krieges im Jahre 720 (34) in Armenien erschien, so hatte dies nur den Zweck, die Person des Koenigs, der sich geweigert hatte, nach Aegypten zu gehen, in die Gewalt zu bekommen: Dieser Akt der Rache wurde auf nichtswuerdige Weise im Wege der Ueberlistung ausgefuehrt und in nicht minder nichtswuerdiger Weise durch eine in Alexandreia aufgefuehrte Karikatur des kapitolinischen Triumphs gefeiert. Damals wurde der zum Herrn des Ostens bestimmte Sohn des Antonius, wie frueher angegeben ward, als Koenig von Armenien eingesetzt und mit der Tochter des neuen Bundesgenossen, des Koenigs von Medien, vermaehlt, waehrend der aelteste Sohn des gefangenen und einige Zeit spaeter auf Geheiss der Kleopatra hingerichteten Koenigs von Armenien, Artaxes, den die Armenier anstatt des Vaters zum Koenig ausgerufen hatten, landfluechtig zu den Parthern ging. Armenia und Media Atropatene waren hiermit in Antonius’ Gewalt oder ihm verbuendet; die Fortfuehrung des parthischen Krieges wurde wohl angekuendigt, blieb aber verschoben bis nach der Ueberwindung des westlichen Rivalen. Phraates seinerseits ging gegen Medien vor, anfangs ohne Erfolg, da die in Armenien stehenden roemischen Truppen den Medern Beistand leisteten; aber als im Verlauf der Ruestungen gegen Caesar Antonius seine Mannschaften von dort abrief, gewannen die Parther die Oberhand, ueberwanden die Meder und setzten in Medien so wie auch in Armenien den Koenig Artaxes ein, der, um die Hinrichtung des Vaters zu vergelten, saemtliche im Lande zerstreute Roemer greifen und toeten liess. Dass Phraates die grosse Fehde zwischen Antonius und Caesar, waehrend sie vorbereitet und ausgefochten ward, nicht voller ausnutzte, wurde wahrscheinlich wieder einmal durch die im eigenen Lande ausbrechenden Unruhen verhindert. Diese endigten damit, dass er ausgetrieben ward und zu den Skythen des Ostens ging; an seiner Stelle wurde Tiridates als Grosskoenig ausgerufen. Als die entscheidende Seeschlacht an der Kueste von Epirus geschlagen ward und dann in Aegypten die Katastrophe des Antonius sich vollzog, sass in Ktesiphon dieser neue Grosskoenig auf dem schwankenden Thron und schickten an der entgegengesetzten Reichsgrenze die Scharen Turans sich an, den frueheren Herrscher wieder an seine Stelle zu setzen, was ihnen bald darauf auch gelang. ——————————————- ^26 Was darueber Strabon (11, 13, 4 p. 524) offenbar nach der von Antonius’ Waffengefaehrten Dellius und vermutlich auf dessen Geheiss aufgesetzten Darstellung dieses Krieges (vgl. das. 11, 13 3; Dio 49, 39) berichtet, ist ein recht klaeglicher Rechtfertigungsversuch des geschlagenen Generals. Wenn Antonius nicht den naechsten Weg nach Ktesiphon einschlug, so kann dafuer der Koenig Artavasdes nicht als falscher Wegweiser in Anspruch genommen werden; es war eine militaerische und wohl mehr noch eine politische Verrechnung des obersten Feldherrn.
^27 Die Tatsache der Absetzung und der Hinrichtung und die Zeit bezeugen Dio (49, 32) und Valerius Maximus (9, 15 ext. 2); die Ursache oder der Vorwand wird mit dem Armenischen Krieg zusammenhaengen. ——————————————- Der kluge und klare Mann, dem die Liquidation der Unternehmungen des Antonius und die Feststellung des Verhaeltnisses der beiden Reichsteile zufiel, bedurfte ebensosehr der Maessigung wie der Energie. Es wuerde der schwerste Fehler gewesen sein, in Antonius’ Gedanken eingehend den Orient oder auch nur im Orient weiter zu erobern. Augustus erkannte dies; seine militaerischen Ordnungen zeigen deutlich, dass er zwar den Besitz der syrischen Kueste wie den der aegyptischen als ein unentbehrliches Komplement fuer das Reich des Mittelmeers betrachtete, aber auf binnenlaendischen Besitz daselbst keinen Wert legte. Indes Armenien war nun einmal seit einem Menschenalter roemisch und konnte, nach Lage der Verhaeltnisse, nur roemisch oder parthisch sein; die Landschaft war durch ihre Lage militaerisch fuer jede der Grossmaechte ein Ausfallstor in das Gebiet der anderen. Augustus dachte auch nicht daran, auf Armenien zu verzichten und es den Parthern zu ueberlassen; und wie die Dinge lagen, durfte er schwerlich daran denken. Wenn aber Armenien festgehalten ward, konnte man dabei nicht stehenbleiben; die oertlichen Verhaeltnisse noetigten die Roemer, weiter das Stromgebiet des Kyros, die Landschaften der Iberer an seinem oberen, der Albaner an seinem unteren Lauf, das heisst, die als Reiter wie zu Fuss kampftuechtigen Bewohner des heutigen Georgien und Schirwan, unter ihren massgebenden Einfluss zu bringen, das parthische Machtgebiet nicht noerdlich vom Araxes ueber Atropatene hinaus sich erstrecken zu lassen. Schon die Expedition des Pompeius hatte gezeigt, dass die Festsetzung in Armenien die Roemer notwendig einerseits bis an den Kaukasus, andrerseits bis an das Westufer des Kaspischen Meeres fuehrte. Die Ansaetze waren ueberall da. Antonius’ Legaten hatten mit den Iberern und den Albanern gefochten. Polemon, von Augustus in seiner Stellung bestaetigt, herrschte nicht bloss ueber die Kueste von Pharnakeia bis Trapezunt, sondern auch ueber das Gebiet der Kolcher an der Phasismuendung. Zu dieser allgemeinen Sachlage kamen die besonderen Verhaeltnisse des Augenblicks, welche es dem neuen Alleinherrscher Roms in dringendster Weise nahelegten, das Schwert den Orientalen gegenueber nicht bloss zu zeigen, sondern auch zu ziehen. Dass Koenig Artaxes, wie einst Mithradates, saemtliche Roemer innerhalb seiner Grenzen umzubringen befohlen hatte, konnte nicht unvergolten bleiben. Auch der landfluechtige Koenig von Medien hatte Hilfe jetzt bei Augustus gesucht, wie er sie sonst bei Antonius gesucht haben wuerde. Der Buerger- und Praetendentenkrieg im Parthischen Reiche erleichterte nicht bloss den Angriff, sondern der vertriebene Herrscher Tiridates suchte gleichfalls Schutz bei Augustus und erklaerte sich bereit, als roemischer Vasall das Reich von Augustus zu Lehen zu nehmen. Die Rueckgabe der bei den Niederlagen des Crassus und der Antonianer in die Gewalt der Parther geratenen Roemer und der verlorenen Adler mochte an sich dem Herrscher der Kriegfuehrung nicht wert erscheinen; fallen lassen konnte der Wiederhersteller des roemischen Staates diese militaerische und politische Ehrenfrage nicht. Mit diesen Tatsachen musste der roemische Staatsmann rechnen; bei der Stellung, die Augustus im Orient nahm, war die Politik der Aktion ueberhaupt und durch die vorhergegangenen Misserfolge doppelt geboten. Ohne Zweifel war es wuenschenswert, die Ordnung der Dinge in Rom bald vorzunehmen; aber eine zwingende Noetigung, dies sofort zu tun, bestand fuer den unbestrittenen Alleinherrscher nicht. Er befand sich nach den entscheidenden Schlaegen von Aktion und Alexandreia an Ort und Stelle und an der Spitze eines starken und siegreichen Heeres; was einmal geschehen musste, geschah am besten gleich. Ein Herrscher vom Schlage Caesars waere schwerlich nach Rom zurueckgegangen, ohne in Armenien die Schutzherrschaft hergestellt, die roemische Suprematie bis zum Kaukasus und zum Kaspischen Meere zur Anerkennung gebracht und mit dem Parther abgerechnet zu haben. Ein Herrscher von Umsicht und Tatkraft haette die Grenzverteidigung im Osten gleich jetzt geordnet, wie die Verhaeltnisse es erforderten; es war von vornherein klar, dass die vier syrischen Legionen von zusammen 40000 Mann nicht genuegten, um die Interessen Roms zugleich am Euphrat, am Araxes und am Kyros zu wahren und dass die Milizen der abhaengigen Koenigreiche den Mangel der Reichstruppen nur verdeckten, nicht deckten. Armenien hielt durch politische und nationale Sympathie mehr zu den Parthern als zu den Roemern; die Koenige von Kommagene, Kappadokien, Galatien, Pontus neigten wohl umgekehrt mehr nach der roemischen Seite, aber sie waren unzuverlaessig und schwach. Auch die masshaltende Politik bedurfte zu ihrer Begruendung eines energischen Schwertschlags, zu ihrer Aufrechthaltung des nahen Arms einer ueberlegenen roemischen Militaermacht. Augustus hat weder geschlagen noch geschirmt; gewiss nicht, weil er ueber die Sachlage sich taeuschte, sondern weil es in seiner Art lag, das als notwendig Erkannte zoegernd und schwaechlich durchzufuehren und die Ruecksichten der inneren Politik auf das Verhaeltnis zum Ausland mehr als billig einwirken zu lassen. Das Unzulaengliche des Grenzschutzes durch die kleinasiatischen Klientelstaaten hat er wohl eingesehen; es gehoert in diesen Zusammenhang, dass er schon im Jahre 729 (25), nach dem Tode des Koenigs Amyntas, des Herrn im ganzen innern Kleinasien, diesem keinen Nachfolger gab, sondern das Land einem kaiserlichen Legaten unterstellte. Vermutlich sollten auch die benachbarten bedeutenderen Klientelstaaten, namentlich Kappadokien, in gleicher Weise nach dem Ableben der derzeitigen Inhaber in kaiserliche Statthalterschaften verwandelt werden. Dies war ein Fortschritt, insofern die Milizen dieser Landschaften damit der Reichsarmee inkorporiert und unter roemische Offiziere gestellt wurden; einen ernstlichen Druck auf die unsicheren Grenzlandschaften oder gar auf den benachbarten Grossstaat konnten diese Truppen nicht ausueben, wenn sie auch jetzt zu denen des Reiches zaehlten. Aber alle diese Erwaegungen wurden ueberwogen durch die Ruecksicht auf die Herabdrueckung der Ziffer des stehenden Heeres und der Ausgabe fuer das Heerwesen auf das moeglichst niedrige Mass.
Ebenso ungenuegend waren den augenblicklichen Verhaeltnissen gegenueber die auf der Heimkehr von Alexandreia von Augustus getroffenen Massregeln. Er gab dem vertriebenen Koenig der Meder die Herrschaft von Klein-Armenien und dem parthischen Praetendenten Tiridates ein Asyl in Syrien, um durch jenen den in offener Feindseligkeit gegen Rom verharrenden Koenig Artaxes in Schach zu halten, durch diesen auf den Koenig Phraates zu druecken. Die mit diesem wegen der Rueckgabe der parthischen Siegestrophaeen angeknuepften Verhandlungen zogen sich ergebnislos hin, obwohl Phraates im Jahre 731 (23), um die Entlassung eines zufaellig in die Gewalt der Roemer geratenen Sohnes zu erlangen, die Rueckgabe zugesichert hatte.
Erst als Augustus im Jahre 734 (20) sich persoenlich nach Syrien begab und Ernst zeigte, fuegten sich die Orientalen. In Armenien, wo eine maechtige Partei sich gegen den Koenig Artaxes erhoben hatte, warfen sich die Insurgenten den Roemern in die Arme und erbaten fuer des Artaxes juengeren, am kaiserlichen Hof erzogenen und in Rom lebenden Bruder Tigranes die kaiserliche Belehnung. Als des Kaisers Stiefsohn Tiberius Claudius Nero, damals ein 22jaehriger Juengling, mit Heeresmacht in Armenien einrueckte, wurde Koenig Artaxes von seinen eigenen Verwandten ermordet, und Tigranes empfing die koenigliche Tiara aus der Hand des kaiserlichen Vertreters, wie sie fuenfzig Jahre frueher sein gleichnamiger Grossvater von Pompeius empfangen hatte. Atropatene wurde wieder von Armenien getrennt und kam unter die Herrschaft eines ebenfalls in Rom erzogenen Herrschers, des Ariobarzanes, Sohnes des frueher erwaehnten Artavazdes; doch scheint dieser das Land nicht als roemisches, sondern als parthisches Lehnsreich erhalten zu haben. Ueber die Ordnung der Dinge in den Fuerstentuemern am Kaukasus erfahren wir nichts; aber da sie spaeter unter die roemischen Klientelstaaten gerechnet werden, so hat wahrscheinlich damals auch hier der roemische Einfluss obgesiegt. Selbst Koenig Phraates, jetzt vor die Wahl gestellt, sein Wort einzuloesen oder zu schlagen, entschloss sich schweren Herzens zu der die nationalen Gefuehle der Seinen empfindlich verletzenden Herausgabe der wenigen noch lebenden roemischen Kriegsgefangenen und der gewonnenen Feldzeichen.
Unendlicher Jubel begruesste diesen, von dem Fuersten des Friedens errungenen unblutigen Sieg. Auch bestand nach demselben mit dem Partherkoenig laengere Zeit ein freundschaftliches Verhaeltnis, wie denn die unmittelbaren Interessen der beiden Grossstaaten sich wenig stiessen. In Armenien dagegen hatte die roemische Lehnsherrschaft, die nur auf sich selbst ruhte, der nationalen Opposition gegenueber einen schweren Stand. Nach dem fruehen Tode des Koenigs Tigranes schlugen dessen Kinder oder die unter ihrem Namen regierenden Staatsleiter sich selber zu dieser. Gegen sie wurde von den Roemerfreunden ein anderer Herrscher, Artavazdes, aufgestellt; aber er vermochte nicht gegen die staerkere Gegenpartei durchzudringen. Diese armenischen Wirren stoerten auch das Verhaeltnis zu den Parthern; es lag in der Sache, dass die antiroemisch gesinnten Armenier sich auf diese zu stuetzen suchten, und auch die Arsakiden konnten nicht vergessen, dass Armenien frueher eine parthische Sekundogenitur gewesen war. Unblutige Siege sind oft schwaechliche und gefaehrliche. Es kam so weit, dass die roemische Regierung im Jahre 748 (6) demselben Tiberius, der vierzehn Jahre zuvor den Tigranes als Lehnskoenig von Armenien eingesetzt hatte, den Auftrag erteilte, abermals mit Heeresmacht dort einzuruecken und die Verhaeltnisse noetigenfalls mit Waffengewalt zu ordnen. Aber das Zerwuerfnis in der kaiserlichen Familie, welches die Unterwerfung der Germanen unterbrochen hatte, griff auch hier ein und hatte die gleiche ueble Wirkung. Tiberius lehnte den Auftrag des Stiefvaters ab, und in Ermangelung eines geeigneten prinzlichen Feldherrn sah die roemische Regierung einige Jahre hindurch wohl oder uebel dem Schalten der antiroemischen Partei in Armenien unter Parthisches Schutz untaetig zu. Endlich im Jahre 753 (1) wurde dem aelteren Adoptivsohn des Kaisers, dem zwanzigjaehrigen Gaius Caesar, nicht bloss derselbe Auftrag erteilt, sondern es sollte, wie der Vater hoffte, die Unterwerfung Armeniens der Anfang groesserer Dinge sein, der Orientfeldzug des zwanzigjaehrigen Kronprinzen man moechte fast sagen die Alexanderfahrt fortsetzen. Vom Kaiser beauftragte oder dem Hofe nahestehende Literaten, der Geograph Isidoros, selber an der Euphratmuendung zu Hause, und der Vertreter der griechischen Gelehrsamkeit unter den Fuerstlichkeiten des Augustischen Kreises, Koenig Juba von Mauretanien, widmeten, jener seine im Orient selbst eingezogenen Erkundigungen, dieser literarische Kollektaneen ueber Arabien, dem jungen Prinzen, der vor Begierde zu brennen schien, mit der Eroberung Arabiens, ueber welche Alexander weggestorben war, einen vor laengerer Zeit dort eingetretenen Misserfolg des Augustfischen Regiments glaenzend zu begleichen. Zunaechst fuer Armenien war diese Sendung ebenso von Erfolg wie die des Tiberius. Der roemische Kronprinz und der parthische Grosskoenig Phraatakes trafen persoenlich auf einer Insel des Euphrat zusammen; die Parther gaben wieder einmal Armenien auf und die nahegerueckte Gefahr eines parthischen Krieges ward abgewandt, das gestoerte Einvernehmen wenigstens aeusserlich wiederhergestellt. Den Armeniern setzte Gaius den Ariobarzanes, einen Prinzen aus dem medischen Fuerstenhause, zum Koenig, und die Oberherrschaft Roms wurde abermals befestigt. Indes fuegten die antiroemisch gesinnten Armenier sich nicht ohne Widerstand; es kam nicht bloss zum Einruecken der Legionen, sondern auch zum Schlagen. Vor den Mauern des armenischen Kastells Artageira empfing der junge Kronprinz von einem parthischen Offizier durch tueckische List die Wunde (2 n. Chr.), an der er nach monatelangem Siechen hinstarb. Die Verschlingung der Reichs- und der dynastischen Politik bestrafte sich aufs neue. Der Tod eines jungen Mannes aenderte den Gang der grossen Politik; die so zuversichtlich dem Publikum angekuendigte arabische Expedition fiel weg, nachdem ihr Gelingen dem Sohn des Kaisers nicht mehr den Weg zur Nachfolge ebnen konnte. Auch an weitere Unternehmungen am Euphrat wurde nicht mehr gedacht; das Naechste, die Besetzung Armeniens und die Wiederherstellung der Beziehungen zu den Parthern war erreicht, wie truebe Schatten auch durch den Tod des Kronprinzen auf diesen Erfolg fielen. Bestand hatte derselbe so wenig wie der der glaenzenderen Expedition des Jahres 734 (20). Die von Rom eingesetzten Herrscher Armeniens wurden bald von denen der Gegenpartei unter versteckter oder offener Beteiligung der Parther bedraengt oder verdraengt. Als der in Rom erzogene parthische Prinz Vonones auf den erledigten parthischen Thron berufen ward, hofften die Roemer an ihm eine Stuetze zu finden; allein eben deswegen musste er bald ihn raeumen, und an seine Stelle kam Koenig Artabanos von Medien, ein muetterlicherseits den Arsakiden entsprossener, aber dem skythischen Volke der Daker angehoeriger und in einheimischer Sitte aufgewachsener tatkraeftiger Mann (um 10 n. Chr.). Vonones ward damals von den Armeniern als Herrscher aufgenommen und damit diese unter roemischem Einfluss gehalten. Aber um so weniger konnte Artabanos seinen verdraengten Nebenbuhler als Nachbarfuersten dulden; die roemische Regierung haette, um den fuer seine Stellung in jeder Hinsicht ungeeigneten Mann zu halten, Waffengewalt gegen die Parther wie gegen seine eigenen Untertanen anwenden muessen. Tiberius, der inzwischen zur Regierung gekommen war, liess nicht sofort einruecken, und fuer den Augenblick siegte in Armenien die antiroemische Partei; aber es war nicht seine Absicht, auf das wichtige Grenzland zu verzichten. Im Gegenteil wurde die wahrscheinlich laengst beschlossene Einziehung des Koenigreichs Kappadokien im Jahre 17 zur Ausfuehrung gebracht: der alte Archelaos, der dort seit dem Jahre 718 (36) den Thron einnahm, ward nach Rom berufen und ihm hier angekuendigt, dass er aufgehoert habe zu regieren. Ebenso kam das kleine, aber wegen der Euphratuebergaenge wichtige Koenigreich Kommagene damals unter unmittelbare kaiserliche Verwaltung. Damit war die unmittelbare Reichsgrenze bis an den mittleren Euphrat vorgeschoben. Zugleich ging der Kronprinz Germanicus, der soeben am Rhein mit grosser Auszeichnung kommandiert hatte, mit ausgedehnter Machtvollkommenheit nach dem Osten, um die neue Provinz Kappadokien zu ordnen und das gesunkene Ansehen der Reichsgewalt wiederherzustellen. Auch diese Sendung kam bald und leicht zum Ziel. Germanicus, obwohl von dem Statthalter Syriens, Gnaeus Piso, nicht mit derjenigen Truppenmacht unterstuetzt, die er fordern durfte und gefordert hatte, ging nichtsdestoweniger nach Armenien und brachte durch das blosse Gewicht seiner Persoenlichkeit und seiner Stellung das Land zum Gehorsam zurueck. Den unfaehigen Vonones liess er fallen und setzte den Armeniern, den Wuenschen der roemisch gesinnten Vornehmen entsprechend, zum Herrscher einen Sohn jenes Polemon, den Antonius zum Koenig im Pontus gemacht hatte, den Zenon oder, wie er als Koenig von Armenien heisst, Artaxias; dieser war einerseits dem kaiserlichen Hause verbunden durch seine Mutter, die Koenigin Pythodoris, eine Enkelin des Triumvirn Antonius, andererseits nach Landesart erzogen, ein tuechtiger Waidmann und bei dem Gelag ein tapferer Zecher. Auch der Grosskoenig Artabanos kam dem roemischen Prinzen in freundschaftlicher Weise entgegen und bat nur um Entfernung seines Vorgaengers Vonones aus Syrien, um den zwischen diesem und den unzufriedenen Parthern sich anspinnenden Zettelungen zu steuern. Da Germanicus dieser Bitte entsprach und den unbequemen Fluechtling nach Kilikien schickte, wo er bald darauf bei einem Fluchtversuch umkam, stellten zwischen den beiden Grossstaaten die besten Beziehungen sich her. Artabanos wuenschte sogar, mit Germanicus am Euphrat persoenlich zusammenzukommen, wie dies auch Phraatakes und Gaius getan hatten; dies aber lehnte Germanicus ab, wohl mit Ruecksicht auf Tiberius’ leicht erregten Argwohn. Freilich fiel auf diese orientalische Expedition derselbe truebe Schatten wie auf die letztvorhergehende; auch von dieser kam der Kronprinz des Roemischen Reiches nicht lebend heim.
Eine Zeitlang taten die getroffenen Einrichtungen ihren Dienst. So lange Tiberius mit sicherer Hand die Herrschaft fuehrte und so lange Koenig Artaxias von Armenien lebte, blieb im Orient Ruhe; aber in den letzten Jahren des alten Kaisers, als derselbe von seiner einsamen Insel aus die Dinge gehen liess und vor jedem Eingreifen zurueckscheute, und insbesondere nach dem Tode des Artaxias (um 34) begann das alte Spiel abermals. Koenig Artabanos, gehoben durch sein langes und glueckliches Regiment und durch vielfache, gegen die Grenzvoelker Irans erstrittene Erfolge und ueberzeugt, dass der alte Kaiser keine Neigung haben werde, einen schweren Krieg im Orient zu beginnen, bewog die Armenier, seinen eigenen aeltesten Sohn, den Arsakes, zum Herrscher auszurufen, das heisst die roemische Oberherrlichkeit mit der parthischen zu vertauschen. Ja er schien es geradezu auf den Krieg mit Rom anzulegen; er forderte die Verlassenschaft seines in Kilikien umgekommenen Vorgaengers und Rivalen Vonones von der roemischen Regierung, und seine Schreiben an diese sprachen ebenso unverhuellt aus, dass der Orient den Orientalen gehoere, wie sie die Greuel am kaiserlichen Hofe, die man in Rom sich nur im vertrautesten Kreise zuzufluestern wagte, bei ihrem rechten Namen nannten. Er soll sogar einen Versuch gemacht haben, sich in Besitz von Kappadokien zu setzen. Aber indem alten Loewen hatte er sich verrechnet. Tiberius war auch auf Capreae nicht bloss den Hofleuten furchtbar und nicht der Mann, sich und in sich Rom ungestraft verhoehnen zu lassen. Er sandte den Lucius Vitellius, den Vater des spaetem Kaisers, einen entschlossenen Offizier und geschickten Diplomaten, nach dem Orient mit aehnlicher Machtvollkommenheit, wie sie frueher Gaius Caesar und Germanicus gehabt hatten, und mit dem Auftrag, noetigenfalls die syrischen Legionen ueber den Euphrat zu fuehren. Zugleich wandte er das oft erprobte Mittel an, den Herrschern des Ostens durch Insurrektionen und Praetendenten in ihrem eigenen Lande zu schaffen zu machen. Dem Partherprinzen, den die armenischen Nationalen zum Herrscher ausgerufen hatten, stellte er einen Fuersten aus dem Koenigshaus der Iberer entgegen, den Mithradates, des Ibererkoenigs Pharasmanes Bruder, und wies diesen sowie den Fuersten der Albaner an, den roemischen Praetendenten fuer Armenien mit Heeresmacht zu unterstuetzen. Von den streitbaren und fuer jeden Werber leicht zugaenglichen transkaukasischen Sarmaten wurden grosse Scharen mit roemischem Golde fuer den Einfall in Armenien gedungen. Es gelang auch dem roemischen Praetendenten, seinen Nebenbuhler durch bestochene Hofleute zu vergiften und sich des Landes und der Hauptstadt Artaxata zu bemaechtigen. Artabanos sandte an des Ermordeten Stelle einen anderen Sohn, Orodes, nach Armenien und versuchte auch seinerseits transkaukasische Hilfstruppen zu beschaffen; aber nur wenige kamen nach Armenien durch, und die parthischen Reiterscharen waren der guten Infanterie der Kaukasusvoelker und den gefuerchteten sarmatischen berittenen Schuetzen nicht gewachsen. Orodes wurde in harter Feldschlacht ueberwunden und selbst im Zweikampf mit seinem Rivalen schwer verwundet. Da brach Artabanos selber nach Armenien auf. Nun aber setzte auch Vitellius die syrischen Legionen in Bewegung, um den Euphrat zu ueberschreiten und in Mesopotamien einzufallen; und dies brachte die lange gaerende Insurrektion im Partherreiche zum Ausbruch. Das energische und mit den Erfolgen selbst immer schroffere Auftreten des skythischen Herrschers hatte viele Personen und Interessen verletzt, insbesondere die mesopotamischen Griechen und die maechtige Stadtgemeinde von Seleukeia, welcher er ihre nach griechischer Art demokratische Gemeindeverfassung genommen hatte, ihm abwendig gemacht. Das roemische Gold naehrte die sich vorbereitende Bewegung. Unzufriedene Adlige hatten schon frueher sich mit der roemischen Regierung in Verbindung gesetzt und einen echten Arsakiden von dieser erbeten. Tiberius hatte des Phraates einzigen ueberlebenden, dem Vater gleichnamigen Sohn und, nachdem der alte roemisch gewoehnte Mann den Anstrengungen noch in Syrien erlegen war, an dessen Stelle einen ebenfalls in Rom lebenden Enkel des Phraates namens Tiridates geschickt. Der parthische Fuerst Sinnakes, der Fuehrer dieser Zettelungen, kuendigte jetzt dem Skythen den Gehorsam und pflanzte das Banner der Arsakiden auf. Vitellius ueberschritt mit den Legionen den Euphrat und in seinem Gefolge der neue Grosskoenig von roemischen Gnaden. Der parthische Statthalter von Mesopotamien, Ornospades, der einst als Verbannter unter Tiberius den pannonischen Krieg mitgemacht hatte, stellte sich und seine Truppen sofort dem neuen Herrn zur Verfuegung des Sinnakes Vater Abdagaeses lieferte den Reichsschatz aus; in kuerzester Zeit sah sich Artabanos von dem ganzen Lande verlassen und gezwungen, in seine skythische Heimat zu fluechten, wo er als unsteter Mann in den Waeldern herumirrte und mit seinem Bogen sich das Leben fristete, waehrend dem Tiridates von den nach parthischer Staatsordnung zur Kroenung des Herrschers berufenen Fuersten in Ktesiphon feierlich die Tiara aufs Haupt gesetzt ward. Indes die Herrschaft des von dem Reichsfeind geschickten neuen Grosskoenigs waehrte nicht lange. Das Regiment, welches weniger er fuehrte, ein junger unerfahrener und untuechtiger Mann, als die ihn zum Koenig gemacht hatten, vornehmlich Abdagaeses, rief bald Opposition hervor. Einige der vornehmsten Satrapen waren schon bei der Kroenungsfeier ausgeblieben und zogen den vertriebenen Herrscher wieder aus der Verbannung hervor; mit ihrem Beistand und den von seinen skythischen Landsleuten gestellten Mannschaften kehrte Artabanos zurueck, und schon im folgenden Jahre (36) war das ganze Reich mit Ausnahme von Seleukeia wieder in seiner Gewalt, Tiridates ein fluechtiger Mann und genoetigt, bei seinen roemischen Beschuetzern die Zuflucht zu heischen, die ihm nicht versagt werden konnte. Vitellius fuehrte die Legionen abermals an den Euphrat; aber da der Grosskoenig persoenlich erschien und sich zu allem Verlangten bereit erklaerte, falls die roemische Regierung von Tiridates abstehe, war der Friede bald geschlossen. Artabanos erkannte nicht bloss den Mithradates als Koenig von Armenien an, sondern brachte auch dem Bildnis des roemischen Kaisers die Huldigung dar, die von den Lehnsmannen gefordert zu werden pflegte, und stellte seinen Sohn Dareios den Roemern als Geisel. Darueber war der alte Kaiser gestorben; aber diesen so unblutigen wie vollstaendigen Sieg seiner Politik ueber die Auflehnung des Orients hat er noch erlebt. Was die Klugheit des Greises erreicht hatte, verdarb sofort der Unverstand des Nachfolgers. Abgesehen davon, dass er verstaendige Einrichtungen des Tiberius rueckgaengig machte, zum Beispiel das eingezogene Koenigreich Kommagene wiederherstellte, goennte sein toerichter Neid dem toten Kaiser den erreichten Erfolg nicht; den tuechtigen Statthalter von Syrien wie den neuen Koenig von Armenien lud er zur Verantwortung nach Rom vor, setzte den letzteren ab und schickte ihn, nachdem er ihn eine Zeitlang gefangen gehalten hatte, ins Exil. Selbstverstaendlich griff die parthische Regierung zu und nahm das herrenlose Armenien wiederum in Besitz ^28. Claudius hatte, als er im Jahre 41 zur Regierung kam, die getane Arbeit von neuem zu beginnen. Er verfuhr nach dem Beispiel des Tiberius. Mithradates, aus dem Exil zurueckgerufen, wurde wieder eingesetzt und angewiesen, mit Hilfe seines Bruders sich Armeniens zu bemaechtigen. Der damals zwischen den drei Soehnen des Koenigs Artabanos III. gefuehrte Bruderkrieg im Partherreich ebnete den Roemern den Weg. Nach der Ermordung des aeltesten Sohnes stritten Jahre lang Gotarzes und Vardanes um den Thron; Seleukeia, das schon dem Vater den Gehorsam aufgekuendigt hatte, trotzte sieben Jahre hindurch ihm und nachher den Soehnen; die Voelker Turans griffen wie immer auch in diesen Hader der Fuersten Irans ein. Mithradates vermochte mit Hilfe der Truppen seines Bruders und der Garnisonen der benachbarten roemischen Provinzen die parthisch Gesinnten in Armenien zu ueberwaeltigen und sich wieder zum Herrn daselbst zu machen ^29; das Land erhielt roemische Besatzung. Nachdem Vardanes sich mit dem Bruder verglichen und endlich Seleukeia wieder eingenommen hatte, machte er Miene, in Armenien einzuruecken; aber die drohende Haltung des roemischen Legaten von Syrien hielt ihn ab und sehr bald brach der Bruder den Vergleich und begann der Buergerkrieg aufs neue. Nicht einmal die Ermordung des tapferen und im Kampf mit den Voelkern Turans siegreichen Vardanes setzte demselben ein Ziel; die Gegenpartei wendete sich nun nach Rom und erbat sich von der dortigen Regierung den dort lebenden Sohn des Vonones, den Prinzen Meherdates, welcher dann auch vom Kaiser Claudius vor dem versammelten Senat den Seinigen zur Verfuegung gestellt und nach Syrien entlassen ward mit der Ermahnung, sein neues Reich gut und gerecht zu verwalten und der roemischen Schutzfreundschaft eingedenk zu bleiben (Jahr 49). Er kam nicht in die Lage, von diesen Ermahnungen Anwendung zu machen. Die roemischen Legionen, die ihm bis zum Euphrat das Geleit gaben, uebergaben ihn dort denen, die ihn gerufen hatten, dem Haupt des maechtigen Fuerstengeschlechts der Karen und den Koenigen Abgaros von Edessa und Izates von Adiabene. Der unerfahrene und unkriegerische Juengling war der Aufgabe so wenig gewachsen wie alle anderen von den Roemern aufgestellten parthischen Herrscher; eine Anzahl seiner namhaftesten Anhaenger verliessen ihn, so wie sie ihn kennenlernten und gingen zu Gotarzes; in der entscheidenden Schlacht gab der Fall des tapferen Karen den Ausschlag. Meherdates wurde gefangen und nicht einmal hingerichtet, sondern nur nach orientalischer Sitte durch Verstuemmelung der Ohren regierungsunfaehig gemacht. —————————————- ^28 Der Bericht ueber die Besitzergreifung Armeniens fehlt, aber die Tatsache geht aus Tac. ann. 11, 9 deutlich hervor. Wahrscheinlich gehoert hierher, was Josephus (bel. Iud. 20 3, 3) von der Absicht des Nachfolgers des Artabanos erzaehlt, gegen die Roemer Krieg zu fuehren wovon der Satrap von Adiabene, Izates, ihn vergebens abmahnt. Josephus nennt diesen Nachfolger wohl irrig Bardanes. Artabanos’ III. unmittelbarer Nachfolger war nach Tac. ann. 11, 8 sein gleichnamiger Sohn, den nebst seinem Sohn dann Gotarzes aus dem Wege raeumte; und dieser Artabanos IV. wird hier gemeint sein. ^29 Die Meldung des Petrus Patricius (fr. 3 Muell.), dass der Koenig Mithradates von Iberien den Abfall von Rom geplant, aber, um den Schein der Treue zu wahren, seinen Bruder Kotys an Claudius gesandt habe und dann, da dieser dem Kaiser von jenen Umtrieben Anzeige gemacht, abgesetzt und durch den Bruder ersetzt worden sei vertraegt sich nicht mit der gesicherten Tatsache, dass in Iberien wenigstens vom Jahr 35 (Tac. ann. 6, 32) bis zum Jahr 60 (Tac. ann. 14, 26) Pharasmanes, im Jahre 75 dessen Sohn Mithradates (CIL III, 6052) geherrscht hat. Ohne Zweifel hat Petrus den Mithradates von Iberien und den gleichnamigen Koenig des Bosporus zusammengeworfen und liegt hier die Erzaehlung zu Grunde, welche Tacitus (ann. 12, 18) voraussetzt. —————————————- Trotz dieser Niederlage der roemischen Politik im Partherreich blieb Armenien den Roemern, solange der schwache Gotarzes ueber die Parther herrschte. Aber sowie eine kraeftigere Hand die Zuegel der Herrschaft fasste und die inneren Kaempfe ruhten, ward auch der Kampf um jenes Land wieder aufgenommen. Koenig Vologasos, der nach dem Tode des Gotarzes und dem kurzen Regiment Vonones’ II, diesem seinem Vater im Jahre 51 sukzedierte ^30, bestieg den Thron ausnahmsweise in vollem Einverstaendnis mit seinen beiden Bruedern Pakoros und Tiridates. Er war ein faehiger und umsichtiger Regent – auch als Staedtegruender finden wir ihn und mit Erfolg bemueht, den Handel von Palmyra nach seiner Stadt Vologasias am unteren Euphrat zu lenken -, raschen und extremen Entschluessen abgeneigt und bemueht, mit dem maechtigen Nachbarn womoeglich Frieden zu halten. Aber die Rueckgewinnung Armeniens war der leitende politische Gedanke der Dynastie und auch er bereit, jede Gelegenheit zu seiner Verwirklichung zu benutzen. Diese Gelegenheit schien jetzt sich zu bieten. Der armenische Hof war der Schauplatz einer der entsetzlichsten Familientragoedien geworden, die die Geschichte verzeichnet. Der alte Koenig der Iberer, Pharasmanes, unternahm es, seinen Bruder, den Koenig von Armenien Mithradates, vom Thron zu stossen und seinen eigenen Sohn Rhadamistos an dessen Stelle zu setzen. Unter dem Vorwande eines Zerwuerfnisses mit dem Vater erschien Rhadamistos bei seinem Oheim und Schwiegervater und knuepfte mit angesehenen Armeniern Verhandlungen in jenem Sinne an. Nachdem er sich eines Anhangs versichert hatte, ueberzog Pharasmanes im Jahre 52 unter nichtigen Vorwaenden den Bruder mit Krieg und brachte auch das Land in seine oder vielmehr seines Sohnes Gewalt. Mithradates stellte sich unter den Schutz der roemischen Besatzung des Kastells Gorneae ^31. Diese anzugreifen wagte Rhadamistos nicht; aber der Kommandant Caelius Pollio war als nichtswuerdig und feil bekannt. Der unter ihm den Befehl fuehrende Centurio begab sich zu Pharasmanes, um ihn zur Zurueckrufung seiner Truppen zu bestimmen, was dieser wohl versprach, aber nicht hielt. Waehrend der Abwesenheit des Zweitkommandierenden noetigte Pollio den Koenig, der wohl ahnte, was ihm bevorstand, durch die Drohung, ihn im Stiche zu lassen, sich dem Rhadamistos in die Haende zu liefern. Von diesem wurde er umgebracht, mit ihm seine Gattin, des Rhadamistos’ Schwester und die Kinder derselben, weil sie im Anblick der Leichen ihrer Eltern in Jammergeschrei ausbrachen. Auf diese Weise gelangte Rhadamistos zur Herrschaft von Armenien. Die roemische Regierung durfte weder solchen, von ihren Offizieren mitverschuldeten Greueln zusehen noch dulden, dass einer ihrer Lehnstraeger den andern mit Krieg ueberzog. Nichtsdestoweniger erkannte der Statthalter von Kappadokien, Iulius Paelignus, den neuen Koenig von Armenien an. Auch im Rat des Statthalters von Syrien, Ummidius Quadratus, ueberwog die Meinung, dass es den Roemern gleichgueltig sein koenne, ob der Oheim oder der Neffe ueber Armenien herrsche; der nach Armenien mit einer Legion gesendete Legat erhielt nur den Auftrag, den Status quo bis auf weiteres aufrecht zu halten. Da hielt der Partherkoenig, in der Voraussetzung, dass die roemische Regierung sich nicht beeifern werde, fuer den Koenig Rhadamistos einzutreten, den Moment fuer geeignet, seine alten Ansprueche auf Armenien wieder aufzunehmen. Er belehnte mit Armenien seinen Bruder Tiridates, und die einrueckenden parthischen Truppen bemaechtigten sich fast ohne Schwertstreich der beiden Hauptstaedte Tigranokerta und Artaxata und des ganzen Landes. Als Rhadamistos einen Versuch machte, den Preis seiner Bluttaten festzuhalten, schlugen die Armenier selbst ihn zum Lande hinaus. Die roemische Besatzung scheint nach der Uebergabe von Gorneae Armenien verlassen zu haben; die aus Syrien in Marsch gesetzte Legion zog der Statthalter zurueck, um nicht mit den Parthern in Konflikt zu geraten.
—————————————————- ^30 Wenn die Muenzen, die freilich meistens nur nach der Bildnisaehnlichkeit sich scheiden lassen, richtig attributiert sind, so reichen die des Gotarzes bis Sel. 362 Daesius = n. Chr. 51, Juni und beginnen die des Volagasos (von Vonones II. kennen wir keine) mit Sel. 362 Gorpiaeus = n. Chr. 51, September (Gardner, Parthian coinage, S. 50, 51), was mit Tacitus (ann. 12, 14, 44) uebereinstimmt.
^31 Gorneae, bei den Armeniern Garhni, wie die Ruine (nahe, oestlich von Eriwan) noch jetzt genannt wird. Kiepert. —————————————————- Als diese Kunde nach Rom kam (Ende 54), war Kaiser Claudius eben gestorben und regierten fuer den jungen siebzehnjaehrigen Nachfolger tatsaechlich die Minister Burrus und Seneca. Das Vorgehen des Vologasos konnte nur mit der Kriegserklaerung beantwortet werden. In der Tat sandte die roemische Regierung nach Kappadokien, das sonst Statthalterschaft zweiten Ranges und nicht mit Legionen belegt war, ausnahmsweise den konsularischen Legaten Gnaeus Domitius Corbulo. Er war als Schwager des Kaisers Gaius rasch vorwaerts gekommen, dann unter Claudius im Jahre 47 Legat von Untergermanien gewesen und galt seitdem als einer der damals nicht zahlreichen tuechtigen, die vielfach verfallene Disziplin energisch handhabenden Heerfuehrer, selbst eine herkulische Gestalt, jeder Strapaze gewachsen und nicht bloss dem Feind, sondern auch seinen eigenen Soldaten gegenueber von ruecksichtslosem Mut. Es schien ein Zeichen des Besserwerdens der Dinge, dass die Neronische Regierung das erste von ihr zu besetzende wichtige Kommando an ihn vergab. Der unfaehige syrische Legat von Syrien, Quadratus, wurde nicht abgerufen, aber angewiesen, zwei von seinen vier Legionen dem Statthalter der Nachbarprovinz zur Verfuegung zu stellen. Die Legionen alle wurden an den Euphrat herangezogen und die sofortige Schlagung der Bruecken ueber den Fluss angeordnet. Die beiden westlich zunaechst an Armenien grenzenden Landschaften Klein-Armenien und Sophene wurden zwei zuverlaessigen syrischen Fuersten, dem Aristobulos aus einem Seitenzweig des herodischen Hauses und dem Sohaemos aus der Herrscherfamilie von Hemesa zugeteilt und beide unter Corbulos Befehle gestellt. Der Koenig des damals noch uebrigen Restes des Judenstaats Agrippa und der Koenig von Kommagene Antiochos erhielten ebenfalls Marschbefehl. Indes zunaechst kam es nicht zum Schlagen. Die Ursache lag zum Teil in dem Zustand der syrischen Legionen; es war ein schlimmes Armutszeugnis fuer die bisherige Verwaltung, dass Corbulo die ihm ueberwiesenen Truppen geradezu als unbrauchbar bezeichnen musste. Die in den griechischen Provinzen ausgehobenen und garnisonierenden Legionen waren immer geringer gewesen als die okzidentalischen; jetzt hatte die entnervende Gewalt des Orients bei dem langen Friedensstand und der schlaffen Heereszucht dieselben voellig demoralisiert. Die Soldaten hielten mehr in den Staedten sich auf als in den Lagern; nicht wenige derselben waren des Waffentragens entwoehnt und wussten nichts von Lagerschlagen und Wachdienst; die Regimenter waren lange nicht ergaenzt und enthielten zahlreiche alte unbrauchbare Leute; Corbulo hatte zunaechst eine grosse Anzahl von Soldaten zu entlassen und in noch viel groesserer Zahl Rekruten auszuheben und auszubilden. Der Wechsel der bequemen Winterquartiere am Orontes mit denen in den rauben armenischen Bergen, die ploetzliche Einfuehrung unerbittlich strenger Lagerzucht fuehrte vielfach Erkrankungen herbei und veranlasste zahlreiche Desertionen. Trotz allem dem sah sich der Feldherr, als es Ernst ward, genoetigt, um Zusendung einer der besseren Legionen des Okzidents zu bitten. Unter diesen Umstaenden beeilte er sich nicht, seine Soldaten an den Feind zu bringen; indes waren doch dabei ueberwiegend politische Ruecksichten massgebend.
Waere es die Absicht der roemischen Regierung gewesen, den parthischen Herrscher sofort aus Armenien zu vertreiben, und zwar nicht den Rhadamistos, mit dessen Blutschuld die Roemer keine Veranlassung hatten, sich zu beflecken, aber irgendeinen anderen Fuersten ihrer Wahl an dessen Stelle zu setzen, so haetten dazu die Streitkraefte Corbulos wohl sofort ausgereicht, da Koenig Vologasos, wieder einmal durch innere Unruhen abgezogen, seine Truppen aus Armenien weggefuehrt hatte. Aber dies lag nicht im Plane der Roemer; man wollte dort vielmehr das Regiment des Tiridates sich gefallen lassen und ihn nur zur Anerkennung der roemischen Oberherrlichkeit bestimmen und noetigenfalls zwingen; nur zu diesem Zweck sollten aeussersten Falls die Legionen marschieren. Es kam dies der Sache nach der Abtretung Armeniens an die Parther sehr nahe. Was fuer diese sprach und was sie verhinderte, ist frueher entwickelt worden. Wurde jetzt Armenien als parthische Sekundogenitur geordnet, so war die Anerkennung des roemischen Lehnsrechts wenig mehr als eine Formalitaet, genau genommen nichts als eine Deckung der militaerischen und politischen Ehre. Also hat die Regierung der frueheren neronischen Zeit, der notorisch an Einsicht und Energie wenige gleich kamen, beabsichtigt, sich Armeniens in schicklicher Weise zu entledigen; und es kann das nicht verwundern. Man schoepfte hier in der Tat in das Sieb. Der Besitz Armeniens war wohl im Jahre 20 v. Chr. durch Tiberius, dann durch Gaius im Jahre 2, durch Germanicus im Jahre 18, durch Vitellius im Jahre 36 im Lande selbst wie bei den Parthern zur Geltung und Anerkennung gebracht worden. Aber eben diese regelmaessig sich wiederholenden und regelmaessig von Erfolg gekroenten und doch niemals zu dauernder Wirkung gelangenden ausserordentlichen Expeditionen gaben den Parthern recht, wenn sie in den Verhandlungen unter Nero behaupteten, dass die roemische Oberherrschaft ueber Armenien ein leerer Name, das Land nun einmal parthisch sei und sein wolle. Zur Geltendmachung der roemischen Obergewalt bedurfte es immer wenn nicht der Kriegfuehrung, doch der Kriegdrohung, und die dadurch bedingte stetige Reibung machte den dauernden Friedensstand zwischen den beiden benachbarten Grossmaechten unmoeglich. Die Roemer hatten, wenn sie folgerichtig verfuhren, nur die Wahl, Armenien und das linke Euphratufer ueberhaupt entweder durch Beseitigung der bloss mittelbaren Herrschaft effektiv in ihre Gewalt zu bringen oder es soweit den Parthern zu ueberlassen, als dies mit dem obersten Grundsatz des roemischen Regiments, keine gleichberechtigte Grenzmacht anzuerkennen, sich vertrug. Augustus und die bisherigen Regenten hatten die erstere Alternative entschieden abgelehnt, und sie haetten also den zweiten Weg einschlagen sollen; aber auch diesen abzulehnen, hatten sie wenigstens versucht und das parthische Koenigshaus von der Herrschaft ueber Armenien ausschliessen wollen, ohne es zu koennen. Dies muessen die leitenden Staatsmaenner der frueheren neronischen Zeit als einen Fehler betrachtet haben, da sie Armenien den Arsakiden ueberliessen und sich auf das denkbar geringste Mass von Rechten daran beschraenkten. Wenn die Gefahren und die Nachteile, welche das Festhalten dieser nur aeusserlich dem Reich anhaftenden Landschaft dem Staate brachte, gegen diejenigen abgewogen wurden, welche die Partherherrschaft ueber Armenien fuer die Roemer nach sich zog, so konnte, zumal bei der geringen Offensivkraft des Parthischen Reiches, die Entscheidung wohl in dem letzteren Sinne gefunden werden: Unter allen Umstaenden aber war diese Politik konsequent und suchte das auch von Augustus verfolgte Ziel in klarerer und verstaendigerer Weise zu erreichen. Von diesem Standpunkt aus versteht man, weshalb Corbulo und Quadratus, statt den Euphrat zu ueberschreiten, mit Vologasos Verhandlungen anknuepften und nicht minder, dass dieser, ohne Zweifel von den wirklichen Absichten der Roemer unterrichtet, sich dazu verstand, in aehnlicher Weise wie sein Vorgaenger den Roemern sich zu beugen und ihnen als Friedenspfand eine Anzahl dem koeniglichen Hause nahestehender Geiseln zu ueberliefern. Die stillschweigend vereinbarte Gegenleistung dafuer war die Duldung der Herrschaft des Tiridates ueber Armenien und die Nichtaufstellung eines roemischen Praetendenten. So gingen einige Jahre in faktischem Friedensstand hin. Aber da Vologasos und Tiridates sich nicht dazu verstanden, um die Belehnung des letzteren mit Armenien bei der roemischen Regierung einzukommen ^32, ergriff Corbulo im Jahre 58 gegen Tiridates die Offensive. Eben die Politik des Zurueckweichens und Nachgehens bedurfte, wenn sie bei Freund und Feind nicht als Schwaeche erscheinen sollte, der Folie, also entweder der foermlichen und feierlichen Anerkennung der roemischen Obergewalt oder besser noch des mit den Waffen gewonnenen Sieges. —————————————— ^32 Noch nach dem Angriff beschwerte Tiridates sich, cur datis nuper obsidibus redintegrataque amicitia . . . vetere Armeniae possessione depelleretur, und Corbulo stellte ihm, falls er sich bittweise an den Kaiser wende, ein regnum stabile in Aussicht (Tac. ann. 12 37). Auch anderswo wird als der eigentliche Kriegsgrund die Weigerung des Lehnseides bezeichnet (Tac. ann. 12, 34).
—————————————— Im Sommer des Jahres 58 fuehrte Corbulo eine leidlich schlagfaehige Armee von mindestens 30000 Mann ueber den Euphrat. Die Reorganisation und die Abhaertung der Truppen wurde durch die Kampagne selbst vollendet und das erste Winterquartier auf armenischem Boden genommen. Im Fruehjahr 59 ^33 begann er den Vormarsch in der Richtung auf Artaxata. Zugleich brachen in Armenien von Norden her die Iberer ein, deren Koenig Pharasmanes, um seine eigenen Frevel zu bedecken, seinen Sohn Rhadamistos hatte hinrichten lassen und nun weiter bemueht war, durch gute Dienste seine Verschuldung in Vergessenheit zu bringen; nicht minder ihre nordwestlichen Nachbarn, die tapferen Moscher, von Sueden Koenig Antiochos von Kommagene. Koenig Vologasos war durch den Aufstand der Hyrkaner an der entgegengesetzten Seite des Reiches festgehalten und konnte oder wollte in den Kampf nicht unmittelbar eingreifen. Tiridates leistete mutigen Widerstand; aber er vermochte nichts gegen die erdrueckende Uebermacht. Vergeblich versuchte er sich auf die Verbindungslinien der Roemer zu werfen, die ihre Beduerfnisse ueber das Schwarze Meer und den Hafen von Trapezus bezogen. Die Burgen Armeniens fielen unter den Angriffen der stuermenden Roemer, und die Besatzungen wurden bis auf den letzten Mann niedergemacht. In einer Feldschlacht unter den Mauern von Artaxata geschlagen, gab Tiridates den ungleichen Kampf auf und ging zu den Parthern. Artaxata ergab sich und hier, im Herzen von Armenien, ueberwinterte das roemische Heer. Im Fruehjahr 60 brach Corbulo von dort auf, nachdem er die Stadt niedergebrannt hatte, und marschierte quer durch das Land auf dessen zweite Hauptstadt Tigranokerta oberhalb Nisibis im Tigrisgebiet. Der Schrecken ueber die Zerstoerung Artaxatas ging ihm voraus; ernstlicher Widerstand wurde nirgends geleistet; auch Tigranokerta oeffnete dem Sieger freiwillig die Tore, der hier in wohlberechneter Weise die Gnade walten liess. Tiridates machte noch einen Versuch, zurueckzukehren und den Kampf wieder aufzunehmen, wurde aber ohne besondere Anstrengung abgewiesen. Am Ausgang des Sommers 60 war ganz Armenien unterworfen und stand zur Verfuegung der roemischen Regierung. —————————————— ^33 Der Bericht bei Tacitus (ann. 13, 34-41) umfasst ohne Zweifel die Kampagnen der Jahre 58 und 59, da Tacitus unter dem Jahr 59 von dem armenischen Feldzug schweigt, unter dem Jahr 60 aber (ann. 14, 23) unmittelbar an 13, 41 anknuepft und offenbar nur einen einzigen Feldzug schildert, ueberhaupt, wo er in dieser Weise zusammenfasst, in der Regel antizipiert. Dass der Krieg nicht erst 59 angefangen haben kann, bestaetigt weiter die Tatsache, dass Corbulo die Sonnenfinsternis vom 30. April 59 auf armenischem Boden beobachtete (Plin. nat. 2, 70, 180); waere er erst 59 eingerueckt, so konnte er so frueh im Jahre kaum die feindliche Grenze ueberschritten haben. Einen Jahreinschnitt zeigt die Erzaehlung des Tacitus (ann. 13, 34-41) an sich nicht, wohl aber laesst sie bei seiner Art zu berichten die Moeglichkeit zu dass das erste Jahr mit dem Ueberschreiten des Euphrat und der Festsetzung in Armenien verging, also der c. 35 erwaehnte Winter der des Jahres 58/59 ist, zumal da bei der Beschaffenheit des Heeres eine derartige Kriegseinleitung wohl am Platze und bei dem kurzen armenischen Sommer es militaerisch zweckmaessig war, den Einmarsch und die eigentliche Kriegfuehrung also zu trennen. —————————————— Es ist begreiflich, dass man in Rom jetzt von Tiridates absah. Der Prinz Tigranes, ein Urenkel von vaeterlicher Seite Herodes’ des Grossen, von muetterlicher des Koenigs Archelaos von Kappadokien, auch dem alten armenischen Koenigshause von weiblicher Seite verwandt und ein Neffe eines der ephemeren Herrscher Armeniens aus den letzten Jahren des Augustus, in Rom erzogen und durchaus ein Werkzeug der roemischen Regierung, wurde jetzt (60) von Nero mit dem Koenigreich Armenien belehnt und auf des Kaisers Befehl von Corbulo in die Herrschaft eingesetzt. Im Lande blieb roemische Besatzung, 1000 Legionarier und drei- bis viertausend Reiter und Infanterie der Auxilien. Ein Teil der Grenzlandschaften ward von Armenien abgetrennt und verteilt unter die benachbarten Koenige Polemon von Pontus und Trapezus, Aristobulos von Klein- Armenien, Pharasmanes von Iberien und Antiochos von Kommagene. Dagegen rueckte der neue Herr von Armenien, natuerlich mit Einwilligung der Roemer, in die angrenzende parthische Provinz Adiabene ein, schlug den dortigen Statthalter Monobazos und schien auch diese Landschaft vom parthischen Staat abreissen zu wollen.
Diese Wendung der Dinge noetigte die parthische Regierung, aus ihrer Passivitaet herauszutreten; es handelte sich nun nicht mehr um die Wiedergewinnung Armeniens, sondern um die Integritaet des Parthischen Reiches. Die lange drohende Kollision zwischen den beiden Grossstaaten schien unvermeidlich. Vologasos bestaetigte in einer Versammlung der Grossen des Reiches den Tiridates wiederholt als Koenig von Armenien und sandte mit ihm den Feldherrn Monaeses gegen den roemischen Usurpator des Landes, der in Tigranokerta, welches die roemischen Truppen besetzt hielten, von den Parthern belagert ward. Vologasos selbst zog die parthische Hauptmacht in Mesopotamien zusammen und bedrohte (Anfang 61) Syrien. Corbulo, der nach Quadratus’ Tode zur Zeit in Kappadokien wie in Syrien das Kommando fuehrte, aber von der Regierung die Ernennung eines anderen Statthalters fuer Kappadokien und Armenien erbeten hatte, sandte vorlaeufig zwei Legionen nach Armenien, um Tigranes Beistand zu leisten, waehrend er selbst an den Euphrat rueckte, um den Partherkoenig zu empfangen. Indes es kam wieder nicht zum Schlagen, sondern zum Vertrag. Vologasos, wohl wissend, wie gefaehrlich das beginnende Spiel sei, erklaerte sich jetzt bereit, auf die vor dem Ausbruch des armenischen Krieges von den Roemern vergeblich angebotenen Bedingungen einzugehen und die Belehnung des Bruders durch den roemischen Kaiser zu gestatten. Corbulo ging auf den Vorschlag ein. Er liess den Tigranes fallen, zog die roemischen Truppen aus Armenien zurueck und liess es geschehen, dass Tiridates daselbst sich festsetzte, waehrend die parthischen Hilfstruppen ebenfalls abzogen; dagegen schickte Vologasos eine Gesandtschaft an die roemische Regierung und erklaerte die Bereitwilligkeit seines Bruders, das Land von Rom zu Lehen zu nehmen. Diese Massnahmen Corbulos waren bedenklicher Art ^34 und fuehrten zu einer ueblen Verwicklung. Der roemische Feldherr mag wohl mehr noch als die Staatsmaenner in Rom von der Nutzlosigkeit des Festhaltens von Armenien durchdrungen gewesen sein; aber nachdem die roemische Regierung den Tigranes als Koenig von Armenien eingesetzt hatte, durfte er nicht von sich aus auf die frueher gestellten Bedingungen zurueckgreifen, am wenigsten seine eigenen Eroberungen preisgeben und die roemischen Truppen aus Armenien zurueckziehen. Er war dazu um so weniger berechtigt, als er Kappadokien und Armenien nur interimistisch verwaltete und selbst der Regierung erklaert hatte, dass er nicht imstande sei, zugleich dort und in Syrien das Kommando zu fuehren; woraufhin der Konsular Lucius Caesennius Paetus zum Statthalter von Kappadokien ernannt und auch dorthin bereits unterwegs war. Der Verdacht ist kaum abzuweisen, dass Corbulo diesem die Ehre der schliesslichen Unterwerfung Armeniens nicht goennte und durch den faktischen Friedensschluss mit den Parthern vor seinem Eintreffen ein Definitivum herzustellen wuenschte. Die roemische Regierung lehnte denn auch die Antraege des Vologasos ab und bestand auf der Festhaltung Armeniens, das, wie der neue, im Laufe des Sommers 61 in Kappadokien eingetroffene Statthalter erklaerte, sogar in unmittelbare roemische Verwaltung genommen werden sollte. Ob die roemische Regierung in der Tat sich entschlossen hatte, so weit zu gehen, ist nicht auszumachen; aber es lag dies allerdings in der Konsequenz ihrer Politik. Die Einsetzung eines von Rom abhaengigen Koenigs war nur die Verlaengerung des bisherigen unhaltbaren Zustandes; wer die Abtretung Armeniens an die Parther nicht wollte, musste die Umwandlung des Koenigreichs in eine roemische Provinz ins Auge fassen. Der Krieg hatte also seinen Fortgang; es wurde darum auch eine der moesischen Legionen dem kappadokischen Heer zugesandt. Als Paetus eintraf, lagerten die beiden von Corbulo ihm zugewiesenen Legionen diesseits des Euphrat in Kappadokien; Armenien war geraeumt und musste wieder erobert werden. Paetus ging sofort an das Werk, ueberschritt bei Melitene (Malatia) den Euphrat, rueckte in Armenien ein und bezwang die naechsten Burgen an der Grenze. Indes die vorgerueckte Jahreszeit noetigte ihn bald, die Operationen einzustellen und auf die beabsichtigte Wiederbesetzung Tigranokertas fuer dies Jahr zu verzichten; doch nahm er, um im naechsten Fruehjahr den Marsch sogleich wieder aufzunehmen, nach Corbulos Beispiel die Winterquartiere in Feindesland bei Rhandeia, an einem Nebenfluss des Euphrat, dem Arsanias, unweit des heutigen Charput, waehrend der Tross und die Weiber und Kinder unweit davon in dem festen Kastell Arsamosata untergebracht wurden. Aber er hatte die Schwierigkeit des Unternehmens unterschaetzt. Die eine und die beste seiner Legionen, die moesische, war noch auf dem Marsch und ueberwinterte diesseits des Euphrat im pontischen Gebiet; die beiden anderen waren nicht diejenigen, welche Corbulo kriegen und siegen gelehrt hatte, sondern die frueheren syrischen des Quadratus, unvollzaehlig und ohne durchgreifende Reorganisation kaum brauchbar. Dabei stand er nicht wie Corbulo den Armeniern allein, sondern der Hauptmasse der Parther gegenueber; Vologasos hatte, als es mit dem Kriege Ernst ward, den Kern seiner Truppen aus Mesopotamien nach Armenien gefuehrt und den strategischen Vorteil, dass er die inneren und kuerzeren Linien beherrschte, verstaendig zur Geltung gebracht. Corbulo haette, zumal da er den Euphrat ueberbrueckt und am anderen Ufer Brueckenkoepfe angelegt hatte, diesen Abmarsch durch einen rechtzeitigen Einfall in Mesopotamien wenigstens erschweren oder doch wettmachen koennen; aber er ruehrte sich nicht aus seinen Stellungen und ueberliess es Paetus, sich der Gesamtmacht der Feinde zu erwehren, wie er konnte. Dieser war weder selber Militaer noch bereit, militaerischen Rat anzunehmen und zu befolgen, nicht einmal ein Mann von entschlossenem Charakter, uebermuetig und ruhmredig im Anlauf, verzagt und kleinmuetig gegenueber dem Misserfolg. Also kam, was kommen musste. Im Fruehling 62 griff nicht Paetus an, sondern Vologasos; die vorgeschobenen Truppen, welche den Parthern den Weg verlegen sollten, wurden von der Uebermacht erdrueckt; der Angriff verwandelte sich rasch in eine Belagerung der roemischen weit auseinandergezogenen Stellungen in dem Winterlager und dem Kastell. Die Legionen konnten weder vorwaerts noch zurueck; die Soldaten desertierten massenweise; die einzige Hoffnung ruhte auf Corbulos fern im noerdlichen Syrien, ohne Zweifel bei Zeugma, untaetig lagernden Legionen. In die Schuld der Katastrophe teilten sich beide Generale, Corbulo wegen des verspaeteten Aufbruchs zur Hilfe ^35, obwohl er dann, als er den ganzen Umfang der Gefahr erkannte, den Marsch nach Moeglichkeit beschleunigte, Paetus, weil er den kuehnen Entschluss, lieber unterzugehen als zu kapitulieren, nicht zu fassen vermochte und damit die nahe Rettung verscherzte; noch drei Tage laenger und die 5000 Mann, welche Corbulo heranfuehrte, haetten die ersehnte Hilfe gebracht. Die Bedingungen der Kapitulation waren freier Abzug fuer die Roemer und Raeumung Armeniens unter Auslieferung aller von ihnen besetzten Kastelle und aller in ihren Haenden befindlichen Vorraete, deren die Parther dringend benoetigt waren. Dagegen erklaerte Vologasos sich bereit, trotz dieses militaerischen Erfolges Armenien als roemisches Lehen fuer den Bruder von der kaiserlichen Regierung zu erbitten und deswegen Gesandte an Nero zu senden ^36. Die Maessigung des Siegers kann darauf beruhen, dass er von Corbulos Annaehern bessere Kunde hatte als die eingeschlossene Armee; aber wahrscheinlicher lag dem vorsichtigen Mann gar nichts daran, die Katastrophe des Crassus zu erneuern und wiederum roemische Adler nach Ktesiphon zu bringen. Die Niederlage einer roemischen Armee, das wusste er, war nicht die Ueberwaeltigung Roms und die reale Konzession, welche in der Anerkennung des Tiridates lag, ward durch die Nachgiebigkeit in der Form nicht allzu teuer erkauft.
————————————— ^34 Aus der Darstellung des Tacitus (ann. 15, 6) sieht die Parteilichkeit und die Verlegenheit deutlich heraus. Die Auslieferung Armeniens an Tiridates auszusprechen, wagt er nicht und laesst sie den Leser nur schliessen. ^35 Das sagt Tacitus selbst (arm. 15, 10): nec a Corbulone properatum, quo gliscentibus periculis etiam subsidii laus augeretur, in naiver Unbefangenheit ueber den schweren Tadel, den dieses Lob in sich traegt. Wie parteiisch der ganze, auf Corbulos Depeschen beruhende Bericht gehalten ist, beweist unter anderem, dass dem Paetus in einem Atem die ungenuegende Verproviantierung des Lagers (15, 8) und die Uebergabe desselben trotz reichlicher Vorraete (15 16) zum Vorwurf gemacht und die letztere Tatsache daraus geschlossen wird, dass die abziehenden Roemer die nach der Kapitulation den Parthern auszuliefernden Vorraete lieber zerstoerten. Wie die Erbitterung gegen Tiberius in der Schoenfaerberei des Germanicus, so hat die gegen Nero in der des Corbulo ihren Ausdruck gefunden.
^36 Corbulos Angabe, dass Paetus in Gegenwart seiner Soldaten und der parthischen Abgesandten sich eidlich verpflichtet habe, bis zum Eintreffen der Antwort Neros keine Truppen nach Armenien zu schicken, erklaert Tacitus (ann. 15, 16) fuer unglaubwuerdig; der Sachlage entspricht sie, und es ist auch nicht dagegen gehandelt worden.
————————————— Die roemische Regierung lehnte das Anerbieten des Partherkoenigs abermals ab und befahl die Fortsetzung des Krieges. Sie konnte nicht wohl anders; war die Anerkennung des Tiridates vor dem Wiederbeginn des Krieges bedenklich und nach der parthischen Kriegserklaerung kaum annehmbar, so erschien sie jetzt, als Konsequenz der Kapitulation von Rhandeia, geradezu als deren Ratifikation. Von Rom aus wurde die Wiederaufnahme des Kampfes gegen die Parther in energischer Weise betrieben. Paetus wurde abberufen; Corbulo, in dem die durch die schimpfliche Kapitulation erregte oeffentliche Meinung nur den Besieger Armeniens sah und den auch die, welche die Sachlage genau kannten und scharf beurteilten, nicht umhin konnten, als den faehigsten und fuer diesen Krieg einzig geeigneten Feldherrn zu bezeichnen, uebernahm wieder die Statthalterschaft von Kappadokien, aber zugleich das Kommando ueber saemtliche fuer diesen Feldzug verwendbare Truppen, welche noch weiter durch eine siebente, aus Pannonien herbeigerufene Legion verstaerkt wurden; demnach wurde alle Statthalter und Fuersten des Orients angewiesen, in militaerischen Angelegenheiten seinen Anordnungen Folge zu leisten, so dass seine Amtsgewalt derjenigen, welche den Kronprinzen Gaius und Germanicus fuer ihre Sendungen in den Orient beigelegt worden war, ziemlich gleichkam. Wenn diese Massregeln eine ernste Reparation der roemischen Waffenehre herbeifuehren sollten, so verfehlten sie ihren Zweck. Wie Corbulo die Sachlage ansah, zeigte schon das Abkommen, das er nicht lange nach der Katastrophe von Rhandeia mit dem Partherkoenig traf: dieser zog die parthischen Besatzungen aus Armenien zurueck, die Roemer raeumten die auf mesopotamischem Gebiet zum Schutz der Bruecken angelegten Kastelle. Fuer die roemische Offensive waren die parthischen Besatzungen in Armenien ebenso gleichgueltig wie die Euphratbruecken wichtig; sollte dagegen Tiridates als roemischer Lehnskoenig in Armenien anerkannt werden, so waren allerdings die letzteren ueberfluessig und parthische Besatzungen in Armenien unmoeglich. Im naechsten Fruehjahr 63 schritt Corbulo allerdings zu der ihm anbefohlenen Offensive und fuehrte die vier besten seiner Legionen bei Melitene ueber den Euphrat gegen die in der Gegend von Arsamosata stehende parthisch-armenische Hauptmacht. Aber aus dem Schlagen ward nicht viel; nur einige Schloesser armenischer, antiroemisch gesinnter Adliger wurden zerstoert. Dagegen fuehrte auch diese Begegnung zum Vertragen. Corbulo nahm die frueher von seiner Regierung zurueckgewiesenen parthischen Antraege an und zwar, wie der weitere Verlauf der Dinge zeigte, in dem Sinne, dass Armenien ein fuer allemal eine parthische Sekundogenitur ward und die roemische Regierung, wenigstens nach dem Geiste des Abkommens, darauf einging, diese Krone in Zukunft nur an einen Arsakiden zu verleihen. Hinzugefuegt wurde nur, dass Tiridates sich verpflichten solle, in Rhandeia, eben da, wo die Kapitulation geschlossen worden war, oeffentlich unter den Augen der beiden Armeen das koenigliche Diadem vom Haupte zu nehmen und es vor dem Bildnis des Kaisers niederzulegen, gelobend, es nicht wieder aufzusetzen, bevor er es aus seiner Hand und zwar in Rom selbst empfangen haben werde. So geschah es (63). Durch diese Demuetigung wurde daran nichts geaendert, dass der roemische Feldherr, statt den ihm aufgetragenen Krieg zu fuehren, auf die von seiner Regierung verworfenen Bedingungen Frieden schloss ^37. Aber die frueher leitenden Staatsmaenner waren inzwischen gestorben oder zurueckgetreten und das persoenliche Regiment des Kaisers dafuer installiert, und auf das Publikum und vor allem auf den Kaiser persoenlich verfehlte der feierliche Akt in Rhandeia und das in Aussicht gestellte Schaugepraenge der Belehnung des parthischen Fuersten mit der Krone von Armenien in der Reichshauptstadt seine Wirkung nicht. Der Friede wurde ratifiziert und erfuellt. Im Jahre 66 erschien der parthische Fuerst versprochenermassen in Rom, geleitet von 3000 parthischen Reitern, als Geiseln die Kinder der drei Brueder so wie die des Monobazos von Adiabene heranfuehrend. Er begruesste kniefaellig seinen auf dem Markte der Hauptstadt auf dem Kaiserstuhl sitzenden Lehnsherrn und hier knuepfte dieser ihm vor allem Volke die koenigliche Binde um die Stirn. —————————————— ^37 Da nach Tacitus (ann. 15, 25; vgl. Dio 62, 22) Nero die Gesandten des Vologasos wohlwollend entliess und die Moeglichkeit einer Verstaendigung, wenn Tiridates persoenlich erscheine, durchblicken liess, so kann Corbulo in diesem Fall nach seinen Instruktionen gehandelt haben; aber eher moechte dies zu den im Interesse Corbulos hinzugesetzten Wendungen gehoeren. Dass bei dem Prozess, der diesem einige Jahre nachher gemacht ward, diese Vorgaenge zur Sprache gekommen sind, ist wahrscheinlich nach der Notiz, dass einer der Offiziere von der armenischen Kampagne sein Anklaeger wurde. Die Identitaet des Kohortenpraefekten Arrius Varus bei Tacitus (ann. 13, 9) und des Primipilen (hist. 3, 6) ist mit Unrecht bestritten worden; vgl. zu CIL V, 867. —————————————— Die von beiden Seiten zurueckhaltende, man moechte sagen friedliche Fuehrung des letzten, nominell zehnjaehrigen Krieges und der entsprechende Abschluss desselben durch den faktischen Uebergang Armeniens an die Parther unter Schonung der Suszeptibilitaeten des maechtigeren Westreiches trug gute Frucht. Armenien war unter der nationalen von den Roemern anerkannten Dynastie mehr von ihnen abhaengig als frueher unter den dem Lande aufgedrungenen Herrschern. Wenigstens in der zunaechst an den Euphrat grenzenden Landschaft Sophene blieb roemische Besatzung ^38. Fuer die Wiederherstellung von Artaxata wurde die Erlaubnis des Kaisers erbeten und gewaehrt, und der Bau von Kaiser Nero mit Geld und Arbeitern gefoerdert. Zwischen den beiden maechtigen Staaten, die der Euphrat voneinander schied, hat zu keiner Zeit ein gleich gutes Verhaeltnis bestanden wie nach dem Abschluss des Vertrages von Rhandeia in den letzten Jahren Neros und weiter unter den drei Herrschern des Flavischen Hauses. Noch andere Umstaende trugen dazu bei. Die transkaukasischen Voelkermassen, vielleicht gelockt durch ihre Beteiligung an den letzten Kriegen, waehrend welcher sie als Soeldner teils der Iberer, teils der Parther den Weg nach Armenien gefunden hatten, fingen damals an, vor allem die westlichen parthischen Provinzen, aber zugleich die oestlichen des Roemischen Reiches zu bedrohen. Wahrscheinlich um ihnen zu wehren, wurde unmittelbar nach dem Armenischen Kriege im Jahre 63 die Einziehung des sogenannten Pontischen Koenigreichs verfuegt, das heisst der Suedostecke der Kueste des Schwarzen Meeres mit der Stadt Trapezus und dem Phasisgebiet. Die grosse orientalische Expedition, welche Kaiser Nero eben anzutreten im Begriff war, als ihn die Katastrophe ereilte (68), und fuer welche er bereits die Kerntruppen des Westens teils nach Aegypten, teils an die Donau in Marsch gesetzt hatte, sollte freilich auch nach anderen Seiten hin die Reichsgrenze vorschieben ^39; aber der eigentliche Zielpunkt waren die Kaukasuspaesse oberhalb Tiflis und die am Nordabhang ansaessigen skythischen Staemme, zunaechst die Alanen ^40. Eben diese berannten einerseits Armenien, andererseits Medien. Jene Neronische Expedition richtete sich so wenig gegen die Parther, dass sie vielmehr aufgefasst werden konnte als diesen zur Hilfe unternommen; den wilden Horden des Nordens gegenueber war fuer die beiden Kulturstaaten des Westens und des Ostens gemeinsame Abwehr allerdings angezeigt. Vologasos lehnte freilich die freundschaftliche Aufforderung seines roemischen Kollegen, ihn ebenso wie der Bruder in Rom zu besuchen, in gleicher Freundschaftlichkeit ab, da ihn keineswegs geluestete, auch seinerseits als Lehnstraeger des roemischen Herrschers auf dem roemischen Markt zu figurieren; aber er erklaerte sich bereit, dem Kaiser sich vorzustellen, wenn dieser im Orient eintreffen werde, und nicht die Roemer, aber wohl die Orientalen haben Nero aufrichtig betrauert. Koenig Vologasos richtete an den Senat offiziell das Ersuchen, Neros Gedaechtnis in Ehren zu halten, und als spaeterhin ein Pseudo- Nero auftrat, fand er vor allem im Partherstaat Sympathien. —————————————— ^38 In Ziata (Charput) haben sich zwei Inschriften eines Kastells gefunden, welches eine der von Corbulo ueber den Euphrat gefuehrten Legionen, die 3. Gallica, dort auf Corbulos Geheiss im Jahre 64 anlegte (Eph. epigr. V, p. 25). ^39 Nero beabsichtigte inter reliqua bella auch einen aethiopischen (Plin. nat. 6, 29, 182, vgl. 184). Darauf beziehen sich die Truppensendungen nach Alexandreia (Tac. hist. 1, 31, 70).
^40 Als Zielpunkt der Expedition bezeichnen sowohl Tacitus (hist. 1, 6) wie Sueton (Nero 19) die kaspischen Tore, d. h. den Kaukasuspass zwischen Tiflis und Wladi-Kawkas bei Darial, welchen nach der Sage Alexander mit eisernen Pforten schloss (Plin. nat. 6, 11, 30; Ios. bel. Iud. 7, 7, 4; Prok. Pers. 1, 10). Sowohl nach dieser Lokalitaet wie nach der ganzen Anlage der Expedition kann dieselbe unmoeglich gegen die Albaner am westlichen Ufer des Kaspischen Meeres sich gerichtet haben; hier sowohl wie an einer anderen Stelle (arm. 2, 68: ad Armenios, inde Albanos Heniochosque) koennen nur die Alanen gemeint sein, die bei Josephus a. a. O. und sonst eben an dieser Stelle erscheinen und oefter mit den kaukasischen Albanern verwechselt worden sind. Verwirrt ist freilich auch der Bericht des Josephus. Wenn hier die Alanen mit Genehmigung des Koenigs der Hyrkaner durch die kaspischen Tore in Medien und dann in Armenien einfallen, so hat der Schreiber an das andere kaspische Tor oestlich von Rhagae gedacht; aber dies wird sein Versehen sein, da der letztere im Herzen des Parthischen Reichs gelegene Pass unmoeglich das Ziel der Neronischen Expedition gewesen sein kann und die Alanen nicht am oestlichen Ufer des Kaspischen Meeres, sondern nordwaerts vom Kaukasus sassen. Dieser Expedition wegen wurde die beste der roemischen Legionen, die 14., aus Britannien abgerufen, die freilich nur bis Pannonien kam (Tac. hist. 2, 11, vgl. 27. 66), und eine neue Legion, die 1. italische, von Nero gebildet (Suet. Nero 19). Man sieht daraus, in welchem Rahmen sie entworfen war.
—————————————— Indes war es dem Parther nicht so sehr um die Freundschaft Neros zu tun als um die des roemischen Staates. Nicht bloss enthielt er sich waehrend der Krisen des Vierkaiserjahres jedes Uebergriffes ^41, sondern er bot Vespasian, den wahrscheinlichen Ausgang des schwebenden Entscheidungskampfes richtig schaetzend, noch in Alexandreia 40000 berittene Schuetzen zum Kampfe gegen Vitellius an, was natuerlich dankend abgelehnt ward. Vor allem aber fuegte er sich ohne weiteres den Anordnungen, welche die neue Regierung fuer den Schutz der Ostgrenze traf. Vespasian hatte selbst als Statthalter von Judaea die Unzulaenglichkeit der dort staendig verwendeten Streitkraefte kennengelernt; und als er diese Statthalterschaft mit der Kaisergewalt vertauschte, wurde nicht nur Kommagene wieder nach dem Vorgang des Tiberius aus einem Koenigreich eine Provinz, sondern es ward auch die Zahl der staendigen Legionen im roemischen Asien von vier auf sieben erhoeht, auf welche Zahl sie voruebergehend fuer den Parthischen und wieder fuer den Juedischen Krieg gebracht worden waren. Waehrend ferner es bis dahin in Asien nur ein einziges groesseres Militaerkommando, das des Statthalters von Syrien, gegeben hatte, wurden jetzt drei derartige Oberbefehlshaberstellen daselbst eingerichtet. Syrien, zu dem Kommagene hinzutrat, behielt wie bisher vier Legionen; die beiden bisher nur mit Truppen zweiter Ordnung besetzten Provinzen Palaestina und Kappadokien wurden die erste mit einer, die zweite mit zwei Legionen belegt ^42, Armenien blieb roemisches Lehnsfuerstentum im Besitz der Arsakiden; aber unter Vespasian stand roemische Besatzung jenseits der armenischen Grenze in dem iberischen Kastell Harmozika bei Tiflis ^43, und danach muss in dieser Zeit auch Armenien militaerisch in roemischer Gewalt gewesen sein. Alle diese Massregeln, so wenig sie auch nur eine Kriegsdrohung enthielten, richteten die Spitze gegen den oestlichen Nachbarn. Dennoch war Vologasos nach dem Fall Jerusalems der erste, der dem roemischen Kronprinzen seinen Glueckwunsch zu der Befestigung der roemischen Herrschaft in Syrien darbrachte, und die Einrichtung der Legionslager in Kommagene, Kappadokien und Klein-Armenien nahm er ohne Widerrede hin. Ja er regte sogar bei Vespasian jene transkaukasische Expedition wieder an und erbat die Sendung einer roemischen Armee gegen die Alanen unter Fuehrung eines der kaiserlichen Prinzen; obwohl Vespasian auf diesen weitaussehenden Plan nicht einging, so kann doch jene roemische Truppe in der Gegend von Tiflis kaum zu anderem Zweck hingeschickt worden sein als zur Sperrung des Kaukasuspasses und vertrat insofern dort auch die Interessen der Parther. Trotz der Verstaerkung der militaerischen Stellung Roms am Euphrat oder auch vielleicht infolge derselben – denn dem Nachbarn Respekt einzufloessen, ist auch ein Mittel, den Frieden zu erhalten – blieb der Friedensstand waehrend der gesamten Herrschaft der Flavier wesentlich ungestoert. Wenn, wie das zumal bei dem steten Wechsel der parthischen Dynasten nicht befremden kann, ab und zu Kollisionen eintraten und selbst Kriegswolken sich zeigten, so verschwanden sie wieder ebenso rasch ^44. Das Auftreten eines falschen Nero in den letzten Jahren Vespasians – es ist derjenige, der zu der Offenbarung Johannis den Anstoss gegeben hat – haette fast zu einer solchen Kollision gefuehrt. Der Praetendent, in Wirklichkeit ein gewisser Terentius Maximus aus Kleinasien, aber in Antlitz und Stimme und Kuensten dem Saengerkaiser taeuschend aehnlich, fand nicht bloss Zulauf in dem roemischen Gebiet am Euphrat, sondern auch Unterstuetzung bei den Parthern. Bei diesen scheinen damals, wie so oft, mehrere Herrscher miteinander im Kampfe gelegen und der eine von ihnen, Artabanos, weil Kaiser Titus sich gegen ihn erklaerte, die Sache des roemischen Praetendenten aufgenommen zu haben. Indes es hatte dies keine Folgen; vielmehr lieferte bald darauf die parthische Regierung den Praetendenten an Kaiser Domitianus aus ^45. Der fuer beide Teile vorteilhafte Handelsverkehr von Syrien nach dem unteren Euphrat, wo eben damals Koenig Vologasos nicht weit von Ktesiphon das neue Emporium Vologasias oder Vologasokerta ins Leben rief, wird das seinige dazu beigetragen haben, den Friedensstand zu foerdern.
———————————————— ^41 In welchem Zusammenhang er dem Vespasian den Kaisertitel verweigerte (Dio 66, 11), erhellt nicht; moeglicherweise unmittelbar nach dessen Schilderhebung, bevor er erkannt hatte, dass die Flavianer die staerkeren seien. Seine Verwendung fuer die Fuersten von Kommagene (Ios. bel. Iud. 7, 7, 3) war von Erfolg, also rein persoenlich, keineswegs ein Protest gegen die Umwandlung des Koenigreichs in eine Provinz.
^42 Die vier syrischen Legionen sind die 3. Gallica, die 6. ferrata (beide bisher in Syrien), die 4. Scythica (bisher in Moesien, aber bereits am Parthischen wie am Juedischen Kriege beteiligt) und die 16. Flavia (neu). Die eine Legion von Palaestina ist die 10. fretensis (bisher in Syrien). Die zwei von Kappadokien sind die 12. fulminata (bisher in Syriern von Titus nach Melitene gelegt. Ios. bel. Iud. 7, 1, 3) und die 15. Apollinaris (bisher in Pannonien, aber gleich der 4. Scythica am Parthischen wie am Juedischen Kriege beteiligt). Die Garnisonen wurden also so wenig wie moeglich gewechselt, nur zwei der schon frueher nach Syrien gerufenen Legionen dort fest stationiert und eine neu eingerichtete dorthin gelegt.
Nach dem juedischen Kriege unter Hadrian wurde die 6. ferrata von Syrien nach Palaestina geschickt.
^43 In diese Zeit (vgl. CIL V, 6988) faellt auch wohl die kappadokische Statthalterschaft des C. Rutilius Gallicus, von der es heisst (Star. silv. 1, 4, 78): hunc . . . timuit . . . Armenia et patiens Latii iam pontis Araxes, vermutlich mit Beziehung auf einen von dieser roemischen Besatzung ausgefuehrten Brueckenbau. Dass Gallicus unter Corbulo gedient hat, ist bei dem Stillschweigen des Tacitus nicht wahrscheinlich.
^44 Dass, waehrend M. Ulpius Traianus, der Vater des Kaisers, Statthalter von Syrien war, unter Vespasian im Jahre 75 Krieg am Euphrat auszubrechen drohte, sagt Plinius in seiner Lobrede auf den Sohn c. 14, wahrscheinlich mit starker Uebertreibung; die Ursache ist unbekannt. ^45 Es gibt datierte und mit den Individualnamen der Koenige versehene Muenzen von (V)ologasos aus den Jahren 389 und 390 = 77-78; von Pakoros aus den Jahren 389-394 = 77-82 (und wieder 404-407 = 92-95); von Artabanos aus dem Jahr 392 = 80/81. Die entsprechenden geschichtlichen Daten sind, bis auf die Artabanos und Titus verknuepfende Notiz bei Zonaras (11, 18; vgl. Suet. Nero 57; Tac. hist. 1, 2), verschollen, aber die Muenzen deuten auf eine Epoche rascher Thronwechsel und, wie es scheint, simultaner Praegung streitender Praetendenten. ———————————————— Zu einem Konflikt kam es unter Traianus. In den frueheren Jahren seiner Regierung hatte er in den oestlichen Verhaeltnissen nichts Wesentliches geaendert, abgesehen von der Verwandlung der an der Grenze der syrischen Wueste bis dahin bestehenden beiden Klientelstaaten, des nabataeischen von Petra und des juedischen von Caesarea Paneas, in unmittelbar roemische Verwaltungsbezirke (106). Die Beziehungen zu dem damaligen Herrscher des Partherreiches, dem Koenig Pakoros, waren nicht die freundlichsten ^46, aber erst unter dessen Bruder und Nachfolger Chosroes kam es zum Bruch, und zwar wiederum ueber Armenien. Die Schuld davon trugen die Parther. Indem Traianus den erledigten armenischen Koenigsthron dem Sohn des Pakaros, Axidares, verlieh, hielt er sich innerhalb der Grenzen seines Rechts; aber Koenig Chosroes bezeichnete diese Persoenlichkeit als unfaehig zu regieren und setzte eigenmaechtig einen anderen Sohn des Pakoros, den Parthomasiris, an dessen Stelle zum Koenig ein ^47. Die Antwort darauf war die roemische Kriegserklaerung. Gegen Ausgang des Jahres 114 ^48 verliess Traianus die Hauptstadt, um sich an die Spitze der roemischen Truppen des Ostens zu stellen, die allerdings wieder in dem tiefsten Verfall sich befanden, aber von dem Kaiser schleunigst reorganisiert und ausserdem durch bessere, aus Pannonien herbeigezogene Legionen verstaerkt wurden ^49. In Athen trafen ihn Gesandte des Partherkoenigs; aber sie hatten nichts zu bieten als die Anzeige, dass Parthomasiris bereit sei, Armenien als roemisches Lehen entgegenzunehmen, und wurden abgewiesen. Der Krieg begann. In den ersten Gefechten am Euphrat zogen die Roemer den kuerzeren ^50, aber als der alte schlagfertige und sieggewohnte Kaiser im Fruehjahr des Jahres 115 selbst sich an die Spitze der Truppen stellte, unterwarfen sich ihm die Orientalen fast ohne Gegenwehr. Es kam hinzu, dass bei den Parthern wieder einmal der Buergerkrieg im Gange und gegen Chosroes ein Praetendent Manisaros aufgetreten war. Von Antiocheia aus marschierte der Kaiser an den Euphrat und weiter nordwaerts bis zu dem noerdlichsten Legionslager Satala in Klein-Armenien, von wo aus er in Armenien einrueckte und die Richtung auf Artaxata nahm. Unterwegs in Elegeia erschien Parthomasiris und nahm das Diadem vom Haupte, in der Hoffnung, durch diese Demuetigung, wie einst Tiridates, die Belehnung zu erwirken. Allein Traianus war entschlossen, auch diesen Lehnsstaat zur Provinz zu machen und ueberhaupt die oestliche Reichsgrenze zu verlegen. Dies erklaerte er dem Partherfuersten vor dem versammelten Heer und wies ihn an, mit seinem Gefolge sofort das Lager und das Reich zu raeumen; es kam darueber zu einem Auflauf, bei welchem der Praetendent das Leben verlor. Armenien ergab sich in sein Schicksal und wurde roemische Statthalterschaft. Auch die Fuersten der Kaukasusvoelker, der Albaner, der Iberer, weiter gegen das Schwarze Meer der Apsiler, der Kolcher, der Heniocher, der Lazen und anderer mehr, selbst die der transkaukasischen Sarmaten wurden in dem Lehnsverhaeltnis bestaetigt oder jetzt demselben unterworfen. Traianus rueckte darauf in das Gebiet der Parther ein und besetzte Mesopotamien. Auch hier fuegte sich alles ohne Schwertstreich; Batnae, Nisibis, Singara kamen in die Gewalt der Roemer; in Edessa nahm der Kaiser nicht bloss die Unterwerfung des Landesherrn Abgaros entgegen, sondern auch die der uebrigen Dynasten, und gleich Armenien wurde Mesopotamien roemische Provinz. Die Winterquartiere nahm Traianus abermals in Antiocheia, wo ein gewaltiges Erdbeben mehr Opfer forderte als der Feldzug des Sommers. Im naechsten Fruehjahr (116) ging Traian, “der Parthersieger”, wie der Senat ihn jetzt begruesste, von Nisibis aus ueber den Tigris und besetzte, nicht ohne bei dem Uebergang und nachher Widerstand zu finden, die Landschaft Adiabene; dies wurde die dritte neue roemische Provinz, Assyria genannt. Weiter ging der Marsch den Tigris abwaerts nach Babylonien; Seleukeia und Ktesiphon fielen in die Haende der Roemer und mit ihnen der goldene Thronsitz des Koenigs und dessen Tochter; Traianus gelangte bis nach der persischen Satrapie Mesene und der grossen Kaufstadt an der Tigrismuendung Charax Spasinu. Auch dieses Gebiet scheint dem Reich in der Weise einverleibt worden zu sein, dass die neue Provinz Mesopotamien das gesamte von den beiden Fluessen umschlossene Gebiet umfasste. Mit sehnsuechtigen Gedanken soll Traianus hier sich die Jugend Alexanders gewuenscht haben, um von dem Ufersaum des Persischen Meeres aus seine Waffen in das indische Wunderland zu tragen. Indes, er erfuhr bald, dass er sie fuer naehere Gegner brauchte. Das grosse Partherreich hatte bisher dem Angriff kaum ernstlich die Stirn geboten und oftmals vergeblich um Frieden gebeten. Jetzt aber, auf dem Rueckweg in Babylon, trafen den Kaiser die Botschaften von dem Abfall Babyloniens und Mesopotamiens; waehrend er an der Tigrismuendung verweilte, hatte gegen ihn die gesamte Bevoelkerung dieser neuen Provinzen sich erhoben ^51; die Buerger von Seleukeia am Tigris, von Nisibis, ja von Edessa selbst machten die roemischen Besatzungen nieder oder verjagten sie und schlossen ihre Tore. Der Kaiser sah sich genoetigt, seine Truppen zu teilen und gegen die verschiedenen Herde des Aufstandes einzelne Korps zu schicken; eine dieser Legionen unter Maximus wurde mit ihrem Feldherrn in Mesopotamien umzingelt und niedergehauen. Doch ward der Kaiser der Insurgenten Herr, namentlich durch den schon im Dakischen Kriege erprobten Feldherrn Lusius Quietus, einen geborenen Maurenscheich. Seleukeia und Edessa wurden belagert und niedergebrannt. Traianus ging so weit, Parthien zum roemischen Vasallenstaat zu erklaeren und belehnte damit in Ktesiphon einen Parteigaenger Roms, den Parther Parthamaspates, obwohl die roemischen Soldaten nicht mehr als den westlichen Saum des grossen Reiches betreten hatten. Alsdann schlug er den Rueckweg nach Syrien ein auf dem Wege, den er gekommen war, unterwegs aufgehalten durch einen vergeblichen Angriff auf die Araber in Hatra, der Residenz des Koenigs der tapferen Staemme der mesopotamischen Wueste, deren gewaltige Festungswerke und prachtvolle Bauten noch heute in ihren Ruinen imponieren. Er beabsichtigte, den Krieg im naechsten Jahre fortzusetzen, also die Unterwerfung der Parther zur Wahrheit zu machen. Aber das Gefecht in der Wueste von Hatra, in welchem der sechzigjaehrige Kaiser tapfer mit den arabischen Reitern sich herumgeschlagen hatte, sollte sein letztes sein. Er erkrankte und starb auf der Heimreise (8. August 117), ohne seinen Sieg vollenden und die Siegesfeier in Rom abhalten zu koennen; es war in seinem Sinn, dass ihm noch nach dem Tode die Ehre des Triumphes zuteil ward und er daher der einzige der vergoetterten roemischen Kaiser ist, welcher auch als Gott noch den Siegestitel fuehrt. ——————————————— ^46 Das beweist die abgerissene Notiz aus Arrian bei Suid. (u. d. W. epikl/e/ma): o de Pakoros o Parthyai/o/n basile?s kai alla tina epikl/e/mata p?phere Traian/o/ t/o/ basilei und die Aufmerksamkeit, welche in Plinius um das Jahr 112 geschriebenem Bericht an den Kaiser (epist. ad Trai. 74) den Beziehungen zwischen Pakoros und dem Dakerkoenig Decebalus gewidmet wird. Die Regierungszeit dieses parthischen Koenigs laesst sich nicht genuegend fixieren. Parthische Muenzen mit Koenigsnamen gibt es aus der ganzen Zeit Traians nicht; die Silberpraegung scheint waehrend derselben geruht zu haben. ^47 Dass Axidares (oder Exedares) ein Sohn des Pakoros und vor Parthomasiris Koenig von Armenien gewesen, aber durch Chosroes abgesetzt worden war, zeigen die Truemmer des Dionischen Berichts 68, 17; und darauf fuehren auch die beiden Arrianischen Fragmente (16 Mueller), das erste, wahrscheinlich aus einer Ansprache eines Vertreters der Interessen des Axidares an Traian: Axidar/e/n de oti archein chr/e/ Armenias, o? moi dokei einai se amphilogon, worauf wohl die gegen Parthomasiris vorliegenden Beschwerden folgten, und die Antwort, offenbar des Kaisers, dass es nicht des Axidares Sache sei, sondern seine, ueber Parthomasiris zu richten, weil er wie es scheint Axidares – zuerst den Vertrag gebrochen und dafuer gebuesst habe. Welche Verschuldung der Kaiser dem Axidares zur Last legt, erhellt nicht; aber auch bei Dio sagt Chosroes, dass er weder den Roemern noch den Parthern genuegt habe. ^48 Die Truemmer des Dionischen Berichts bei Xiphilinus und Zonaras zeigen deutlich, dass der parthische Feldzug in zwei Kampagnen zerfaellt, die erste (Dio 56, 17, 1 ; 18, 2; 23-25), welche durch das Konsulat des Pedo auf 115 fixiert wird (auch das Datum des Malalas p. 275 fuer das Erdbeben von Antiocheia 13. Dezember 164 der antiochenischen Aera = 115 n. Chr. stimmt ueberein), und die zweite (Dio 26-32, 3), welche durch die zwischen April und August dieses Jahres erfolgte (s. meine Notiz bei J. G. Droysen, Geschichte des Hellenismus. Bd. 3, 2. Aufl., Gotha 1877, S. 361) Erteilung des Titels Parthicus (28, 2) auf 116 fixiert wird. Dass c. 23 die Titel Optimus (erteilt im Laufe des Jahres 114) und Parthicus ausser der Zeitfolge erwaehnt werden, lehrt sowohl ihre Zusammenstellung wie die spaetere Wiederkehr der zweiten Ehre. Von den Fragmenten gehoeren die meisten in den ersten Feldzug, c. 22, 3 und wohl auch 22, 1, 2 in den zweiten.
Die imperatorischen Akklamationen stehen nicht im Wege. Traianus war erweislich im Jahre 113 imp. VI (CIL VI, 960); im Jahre 114 imp. VII (CIL IX, 1558 und sonst); im Jahre 115 imp. IX (CIL IX, 5894 und sonst) und imp. XI (Fabretti 398, 289 und sonst); im Jahre 116 imp. XII (CIL VIII, 621; X, 1634) und XIII (CIL III D; XXVII). Dio bezeugt eine Akklamation aus dem Jahre 115 (68, 19) und eine aus dem Jahre 116 (68, 28); fuer beide ist reichlich Raum und kein Grund vorhanden, gerade imp. VII auf die Unterwerfung Armeniens zu beziehen, wie das versucht worden ist.
^49 Die drastische Schilderung der syrischen Armee Traians bei Fronto (p. 206 f. Naber) stimmt fast woertlich mit der der Armee des Corbulo bei Tac. ann. 13, 35. “Durch die lange Entwoehnung vom Kriegsdienst waren die roemischen Truppen ueberhaupt arg heruntergekommen (ad ignaviam redactus); aber die elendesten unter den Soldaten waren die syrischen, unbotmaessig, stoerrig, beim Appell unpuenktlich, nicht auf dem Posten zu finden, von Mittag an betrunken; selbst die Ruestung zu tragen ungewohnt und der Strapazen unfaehig und des einen Waffenstueckes nach dem andern sich entledigend, halb nackt wie die Leichten und Schuetzen. Ausserdem waren sie durch die erlittenen Schlappen so demoralisiert, dass sie beim ersten Anblick der Parther den Ruecken wandten und die Hoerner ihnen gleichsam galten als das Signal gebend zum Davonlaufen.” In der gegensaetzlichen Schilderung Traians heisst es unter anderm: “er ging nicht durch die Zelte, ohne sich um den Soldaten genau zu bekuemmern, sondern zeigte seine Verachtung gegen den syrischen Luxus und sah sich die rohe Wirtschaft der Pannonier an (sed contemnere – so ist zu lesen – Syrorum munditias, introspicere Pannoniorum inscitias); so beurteilte er nach der Haltung (cultus) des Mannes seine Brauchbarkeit (ingenium).” Auch in dem orientalischen Heer des Severus werden die “europaeischen” und die syrischen Soldaten unterschieden (Dio 75, 12).
^50 Das zeigen die mala proelia in der angefuehrten Stelle Frontos und Dios Angabe (68, 19), dass Traianus Samosata ohne Kampf einnahm; also hatte die dort stationierte 16. Legion es verloren.
^51 Es mag sein, dass gleichzeitig auch Armenien abgefallen ist. Aber wenn Gutschmid (bei Dierauer in M. Buedingers Untersuchungen zur roemischen Kaisergeschichte. Bd. 1. Leipzig 1868, S. 179) den Meherdotes und Sanatrukios, welche Malalas als Koenige Persiens in dem Traianischen Kriege auffuehrt, zu Koenigen des wieder abfallenden Armenien macht, so wird dies erreicht durch eine Kette verwegener Korrekturen, die die Personen- und die Voelkernamen ebenso verschieben wie den pragmatischen Zusammenhang umgestalten. Es finden sich allerdings in dem verwirrten Legendenknaeuel des Malalas wohl einige historische Tatsachen, zum Beispiel die Einsetzung des Parthamaspates (der hier Sohn des Koenigs Chosroes von Armenien ist) zum Koenig von Parthien durch Traian; und so moegen auch die Daten von Traians Abfahrt aus Rom im Oktober (114), seiner Landung in Seleukeia im Dezember und seinem Einzug in Antiocheia am 7. Januar (115) korrekt sein. Aber wie dieser Bericht vorliegt, kann der Geschichtschreiber ihn nur ablehnen, nicht rektifizieren. ——————————————— Traianus hatte den Krieg mit den Parthern nicht gesucht, sondern er war ihm aufgenoetigt worden; nicht er, sondern Chosroes hatte das Abkommen ueber Armenien gebrochen, welches die letzten vierzig Jahre hindurch die Grundlage des Friedensstandes im Euphratgebiet gewesen war. Wenn es begreiflich ist, dass die Parther sich dabei nicht beruhigten, da die fortdauernde Lehnsherrschaft der Roemer ueber Armenien den Stachel zur Auflehnung in sich trug, so muss man auch andererseits anerkennen, dass auf dem bisherigen Wege nicht weitergegangen werden konnte, als Corbulo gegangen war; der unbedingte Verzicht auf Armenien und, was davon die notwendige Folge war, die Anerkennung des Partherstaats in voller Gleichberechtigung liegen nun einmal ausser dem Horizont der roemischen Politik, so gut wie die Aufhebung der Sklaverei und aehnliche zu jener Zeit undenkbare Gedanken. Wenn aber mit dieser Alternative nicht zu dauerhaftem Frieden gelangt werden konnte, so blieb in dem grossen Dilemma der roemischen Orientpolitik nur die andere uebrig, die Erstreckung der unmittelbaren roemischen Herrschaft auf das linke Ufer des Euphrat. Darum ward Armenien jetzt roemische Provinz und nicht minder Mesopotamien. Es war das nur sachgemaess. Die Verwandlung Armeniens aus einem roemischen Lehnsstaat mit roemischer Besatzung in eine roemische Statthalterschaft aenderte nach aussen hin nicht viel; die Parther konnten aus Armenien wirksam nur ausgewiesen werden, indem sie den Besitz der benachbarten Landschaft verloren; und vor allem fand die roemische Herrschaft wie die roemische Provinzialverfassung in dem halb griechischen Mesopotamien einen weit guenstigeren Boden als in dem durchaus orientalischen Armenien. Andere Erwaegungen kamen hinzu. Die roemische Zollgrenze in Syrien war uebel beschaffen, und den internationalen Verkehr von den grossen Handelsplaetzen Syriens nach dem Euphrat und dem Tigris ganz in die Gewalt zu bekommen, fuer den roemischen Staat ein wesentlicher Gewinn, wie denn auch Traianus sofort daran ging, die neuen Euphrat- und Tigriszoelle einzurichten ^52. Auch militaerisch war die Tigrisgrenze leichter zu verteidigen als die bisherige an der syrischen Wueste und weiter am Euphrat hinlaufende Grenzlinie. Die Umwandlung der Landschaft Adiabene jenseits des Tigris in eine roemische Provinz, wodurch Armenien Binnenprovinz ward, und die Umgestaltung des