This page contains affiliate links. As Amazon Associates we earn from qualifying purchases.
Language:
Genre:
Published:
  • 1854-1856
Edition:
FREE Audible 30 days

sarmatischen Fuerstenhaeusern aufgekommen, beweist aber natuerlich nicht, dass ihre Traeger selber Sarmaten waren. Wenn Zosimos (hist. 1, 31) den nach Erloeschendes alten Koenigsgeschlechts zur Regierung gelangten geringen und unwuerdigen Fuersten die Schuld daran zuschreibt, dass die Goten unter Valerian auf bosporanischen Schiffen ihre Piratenzuege ausfuehren konnten, so mag das seine Richtigkeit haben und zunaechst Phareanses gemeint sein, von dem es Muenzen aus den Jahren 254 und 255 gibt. Aber auch diese sind mit dem Bildnis des roemischen Kaisers bezeichnet, und spaeter finden sich wieder die alten Geschlechtsnamen (alle bosporanischen Koenige sind Tiberii Iulii) und die alten Beinamen wie Sauromates und Rhaskuporis. Im ganzen genommen sind die alten Traditionen wie die roemische Schutzherrschaft auch damals hier noch festgehalten worden.
———————————————- Waehrend im roemischen Staat sonst das Klientelfuerstentum nach dem Ausgang der ersten Dynastie schwindet und seit Traianus das Prinzip des unmittelbaren Regiments im ganzen Umfang des Roemischen Reiches durchgefuehrt ist, bestand das bosporanische Koenigtum unter roemischer Oberherrschaft bis in das vierte Jahrhundert hinein. Erst nachdem der Schwerpunkt des Reiches nach Konstantinopel verlegt war, ging dieser Staat in das Hauptreich auf ^66, um dann bald von diesem aufgegeben und, wenigstens zum groesseren Teil, die Beute der Hunnen zu werden ^67. Indes ist der Bosporus der Sache nach mehr eine Stadt als ein Koenigreich gewesen und geblieben und hat mehr Aehnlichkeit mit den Stadtbezirken von Tyra und Olbia als mit den Koenigreichen Kappadokien und Numidien. Auch hier haben die Roemer nur die hellenische Stadt Pantikapaeon geschuetzt und Grenzerweiterung und Unterwerfung des Binnenlandes so wenig erstrebt wie in Tyra und Olbia. Zu dem Gebiet des Fuersten von Pantikapaeon gehoerten zwar die griechischen Ansiedlungen von Theudosia auf der Halbinsel selbst und Phanagoria (Taman) auf der gegenueberliegenden asiatischen Kueste, aber Chersonesos nicht ^68 oder nur etwa wie Athen zum Sprengel des Statthalters von Achaia. Die Stadt hatte von den Roemern die Autonomie erhalten und sah in dem Fuersten den naechsten Beschuetzer, nicht den Landesherrn; sie hat auch in der Kaiserzeit als freie Stadt niemals weder mit Koenigs- noch mit Kaiserstempeln gepraegt. Auf dem Kontinent stand nicht einmal die Stadt, welche die Griechen Tanais nennen, ein lebhaftes Emporium an der Muendung des Don, aber schwerlich eine griechische Gruendung, dauernd unter der Botmaessigkeit der roemischen Lehnsfuersten ^69. Von den mehr oder minder barbarischen Staemmen auf der Halbinsel selbst und an der europaeischen und asiatischen Kueste suedlich vom Tanais befanden sich wohl nur die naechsten in festem Abhaengigkeitsverhaeltnis ^70.
———————————————- ^66 Die letzte bosporanische Muenze ist vom Jahre 631 der Archaemenidenaera, 335 n. Chr.; sicher haengt dies zusammen mit der eben in dieses Jahr fallenden Einsetzung des Neffen Konstantins L, Hanniballianus, zum “Koenig”, obwohl dies Koenigtum hauptsaechlich das oestliche Kleinasien umfasste und zur Residenz Caesa rea in Kappadokien hatte. Nachdem in der blutigen Katastrophe nach Konstantins Tode dieser Koenig und sein Koenigtum zugrunde gegangen war, steht der Bosporus unmittelbar unter Konstantinopel. ^67 Noch im Jahre 366 war der Bosporus in roemischem Besitz (Amm. 26, 10, 6); bald nachher muessen die Griechen am Nordufer des Schwarzen Meeres sich selbst ueberlassen worden sein, bis dann Justinian die Halbinsel wieder besetzte (Prok. Goth. 4, 5). In der Zwischenzeit ging Pantikapaeon in den Hunnenstuermen zugrunde.
^68 Die Muenzen der Stadt Chersonesos aus der Kaiserzeit haben die Aufschrift CHerson/e/soy eleytheras, einmal sogar basileyo?s/e/s, und weder Koenigs- noch Kaisernamen oder Kopf (A. v. Sauet in Zeitschrift fuer Numismatik 1, 1874, S. 27; 4, 1877, S. 273). Die Unabhaengigkeit der Stadt dokumentiert sich auch darin, dass sie nicht minder als die Koenige des Bosporus in Gold muenzt. Da die Aera der Stadt richtig auf das Jahr 36 v. Chr. bestimmt scheint (CIG 8621), in welchem ihr, vermutlich von Antonius, die Freiheit verliehen ward, so ist die vom Jahre 109 datierte Goldmuenze der “regierenden Stadt” im Jahre 75 n. Chr. geschlagen.
^69 Nach Strabons Darstellung (11, 2, 11, p. 495) stehen die Herren von Tanais selbstaendig neben denen von Pantikapaeon und haengen die Staemme suedlich vom Don bald von diesen, bald von jenen ab; wenn er hinzufuegt, dass manche der pantikapaeischen Fuersten bis zum Tanais geboten, und namentlich die letzten, Pharnakes, Asandros, Polemon, so scheint dies mehr Ausnahme als Regel. In der Anm. 70 angefuehrten Inschrift stehen die Tanaiten unter den untertaenigen Staemmen und eine Reihe von tanaitischen Inschriften bestaetigen dies fuer die Zeit von Marcus bis Gordian; aber die Ell/e/nes kai Tanaeitai neben den archantes Tanaeit/o/n und den oefter genannten Ell/e/narchai bestaetigen, dass die Stadt auch damals eine nicht griechische blieb. ^70 In der einzigen lebendigen Erzaehlung aus der bosporanischen Geschichte, die wir besitzen, der des Tacitus (arm. 12, 15-21) von den beiden rivalisierenden Bruedern Mithradates und Kotys, stehen die benachbarten Staemme, die Dandariden Shaker, Aorser unter eigenen, von dem roemischen Fuersten von Pantikapaeon nicht rechtlich abhaengigen Herren. In der Titulatur pflegen die aelteren pantikapaeischen Fuersten sich Archonten des Bosporus, das heisst von Pantikapaeon, und von Theudosia und Koenige der Sinder und saemtlicher Maiter und anderer nicht griechischer Voelkerschaften zu nennen. Ebenso nennt die meines Wissens unter den Koenigsinschriften der roemischen Epoche aelteste den Aspurgos, Sohn des Asandrochos (Stephani, Comptes rendus de la commission pour 1866, S. 128) basile?onta pantos Bosporoy. THeodosi/e/s kai Sind/o/n kai Mait/o/n kai Toret/o/n PS/e/s/o/n te kai Tanaeit/o/n. TH/e/ostasanta Sk?thas kai Tayro?s. Auf den Umfang des Gebietes wird aus der vereinfachten Titulatur kein Schluss gezogen werden duerfen.
In den Inschriften der spaeteren Zeit findet sich einmal unter Traian die wohl adulatorische Titulatur basile?s basile/o/n megas to? pantos Bosporoy(CIG 2123). Die Muenzen kennen ueberhaupt von Asandros an keinen Titel als basile?s, waehrend doch Pharnakes sich basile?s basile/o/n megas nennt. Ohne Zweifel ist dies Einwirkung der roemischen Suzeraenitaet, mit der sich ein ueber andere Fuersten gesetzter Lehnsfuerst nicht recht vertrug. ———————————————- Das Gebiet von Pantikapaeon war zu ausgedehnt und besonders fuer den kaufmaennischen Verkehr zu wichtig, um, wie Olbia und Tyra, der Verwaltung wechselnder Gemeindebeamten und eines weit entfernten Statthalters ueberlassen zu werden; deshalb wurde es erblichen Fuersten anvertraut, was weiter sich dadurch empfahl, dass es nicht geraten scheinen mochte, die mit dieser Landschaft verknuepften Verhaeltnisse zu den Umwohnern unmittelbar auf das Reich zu uebertragen. Als Griechenfuersten haben die des bosporanischen Hauses, trotz ihres achaemenidischen Stammbaumes und ihrer achaemenidischen Jahreszaehlung, sich durchaus empfunden und ihren Ursprung, nach gut hellenischer Art, auf Herakles und die Eumolpiden zurueckgefuehrt. Die Abhaengigkeit dieser Griechen von Rom, der koeniglichen in Pantikapaeon wie der republikanischen in Chersonesos, war durch die Natur der Dinge gegeben, und nie haben sie daran gedacht, gegen den schuetzenden Arm des Reiches sich aufzulehnen; wenn einmal unter Kaiser Claudius die roemischen Truppen gegen einen unbotmaessigen Fuersten des Bosporus marschieren mussten ^71, so hat dagegen diese Landschaft selbst in der entsetzlichen Verwirrung in der Mitte des 3. Jahrhunderts, welche vorzugsweise sie traf, von dem Reich, auch von dem zerfallenden, niemals gelassen ^72. Die wohlhabenden Kaufstaedte, inmitten eines barbarischen Voelkergewoges militaerischen Schutzes dauernd beduerftig, hielten an Rom wie die Vorposten an dem Hauptheer. Die Besatzung ist wohl hauptsaechlich in dem Lande selbst aufgestellt worden, und sie zu schaffen und zu fuehren, war ohne Zweifel die Hauptaufgabe des Koenigs des Bosporus. Die Muenzen, welche wegen der Investitur eines solchen geschlagen wurden, zeigen wohl den kurulischen Sessel und die sonstigen bei solcher Belehnung ueblichen Ehrengeschenke, aber daneben auch Schild, Helm, Degen, Streitaxt und das Schlachtross; es war kein Friedensamt, das dieser Fuerst ueberkam. Auch blieb der erste derselben, den Augustus bestellte, im Kampf mit den Barbaren, und von seinen Nachfolgern stritt zum Beispiel Koenig Sauromates, des Rhoemetalkes Sohn, in den ersten Jahren des Severus mit den Sirakern und den Skythen – vielleicht nicht ganz ohne Grund hat er seine Muenzen mit den Taten des Herakles bezeichnet. Auch zur See hatte er taetig zu sein, vor allem das auf dem Schwarzen Meer nie aufhoerende Piratenwesen niederzuhalten: jenem Sauromates wird gleichfalls nachgeruehmt, dass er die Taurier zur Ordnung gebracht und die Piraterie gebaendigt habe. Indes lagen auf der Halbinsel auch roemische Truppen, vielleicht eine Abteilung der pontischen Flotte, sicher ein Detachement der moesischen Armee; bei geringer Zahl zeigte doch ihre Anwesenheit den Barbaren, dass der gefuerchtete Legionaer auch hinter diesen Griechen stand. Noch in anderer Weise schuetzte sie das Reich; wenigstens in spaeterer Zeit sind den Fuersten des Bosporus regelmaessig Geldsummen aus der Reichskasse gezahlt worden, deren sie auch insofern bedurften, als das Abkaufen der feindlichen Einfaelle durch stehende Jahrgelder hier, in dem nicht unmittelbaren Reichslande, wahrscheinlich noch frueher stehend geworden ist als anderswo ^73.
———————————————— ^71 Es war dies der im Jahre 41 von Claudius eingesetzte Koenig Mithradates, welcher einige Jahre spaeter abgesetzt und durch seinen Bruder Kotys ersetzt ward; er lebte nachher in Rom und kam in den Wirren des Vierkaiserjahres um (Plut. Galba 13 u. 15). Indes wird weder aus den Andeutungen bei Tacitus (ann. 12, 15; vgl. Plin. nat. 6, 5, 17) noch aus dem (durch Verwechslung der beiden Mithradates von Bosporus und von Iberien verwirrten) Bericht bei Petrus Patricius (fr. 3) der Sachverhalt deutlich. Die chersonesitischen Maerchen bei dem spaeten Constantinus Porphyrogenitus (de adm. imp. c. 53) kommen natuerlich nicht in Betracht. Der boese bosporanische Koenig Sauromates Kriskonoroy (nicht R/e/skoporoy) yios der mit den Sarmaten gegen Kaiser Diocletianus und Constantius sowie gegen das reichstreue Cherson Krieg fuehrt, ist offenbar hervorgegangen aus einer Verwirrung des bosporanischen Koenigs- und des Volksnamens und geradeso historisch wie die Variation auf die Geschichte von David und Goliath, die Erlegung des gewaltigen Koenigs der Bosporaner Sauromates durch den kleinen Chersonesiten Pharnakos. Die Koenigsnamen allein, zum Beispiel ausser den genannten der nach dem Erloeschen des Geschlechts der Sauromaten eintretende Asandros, genuegen. Die staedtischen Privilegien und die Oertlichkeiten der Stadt, zu deren Erklaerung diese Mirabilien erfunden sind, verdienen allerdings Beachtung. ^72 Es gibt keine bosporanischen Gold- oder Pseudogoldmuenzen ohne den roemischen Kaiserkopf, und es ist dies immer der des vom roemischen Senat anerkannten Herrschers. Dass in den Jahren 263 und 265, wo im Reiche sonst nach Valerians Gefangennehmung Gallienus offiziell als Alleinherrscher galt, hier zwei Koepfe auf den Muenzen erscheinen, ist vielleicht nur Unkunde; doch mag der Bosporus damals unter den vielen Praetendenten eine andere Wahl getroffen haben. Die Namen werden in dieser Zeit nicht beigesetzt und die Bildnisse sind nicht sicher zu unterscheiden.
^73 Dies wird man dem Skythen Toxaris in dem unter den lukianischen stehenden Dialog (c. 44) glauben duerfen; im uebrigen erzaehlt er nicht bloss m?thois omoia, sondern eben einen Mythos, dessen Koenige Leukanor und Eubiotos die Muenzen begreiflicherweise nicht kennen. ———————————————— Dass die Zentralisierung des Regiments auch diesem Fuersten gegenueber zur Anwendung kam und er nicht viel anders zu dem roemischen Caesar stand wie der Buergermeister von Athen, tritt vielfach hervor; Erwaehnung verdient, dass Koenig Asandros und die Koenigin Dynamis Goldmuenzen mit ihrem Namen und ihrem Bildnis schlugen, dagegen dem Koenig Polemon und seinen naechsten Nachfolgern wohl die Goldpraegung blieb, da dieses Gebiet sowie die anwohnenden Barbaren seit langem ausschliesslich an Goldcourant gewoehnt waren, aber sie veranlasst wurden, ihre Goldstuecke mit dem Namen und dem Bilde des regierenden Kaisers zu versehen. Ebenfalls seit Polemon ist der Fuerst dieses Landes zugleich der Oberpriester auf Lebenszeit des Kaisers und des kaiserlichen Hauses. Im uebrigen behielten die Verwaltung und das Hofwesen die unter Mithradates eingefuehrten Formen nach dem Muster des persischen Grosskoenigtums, obwohl der Geheimschreiber (archigrammate?s) und der Oberkammerdiener (archikoit/o/neit/e/s) des Hofes von Pantikapaeon zu den vornehmen Hofbeamten der Grosskoenige sich verhielten wie der Roemerfeind Mithradates Eupator zu seinem Nachkommen Tiberius Iulius Eupator, der wegen seines Anrechts an die bosporanische Krone in Rom vor Kaiser Pius Recht nahm. Wertvoll blieb dieses nordische Griechenland fuer das Reich wegen der Handelsbeziehungen. Wenn auch dieselben in dieser Epoche wohl weniger bedeuteten als in aelterer Zeit ^74, so ist doch der Kaufmannsverkehr sehr rege geblieben. In der augustischen Zeit brachten die Staemme der Steppe Sklaven ^75 und Felle, die Kaufleute der Zivilisation Bekleidungsstuecke, Wein und andere Luxusartikel nach Tanais; in noch hoeherem Masse war Phanagoria die Niederlage fuer den Export der Einheimischen, Pantikapaeon fuer den Import der Griechen. Jene Wirren im Bosporus in der claudischen Zeit waren fuer die Kaufleute von Byzanz ein schwerer Schlag. Dass die Goten ihre Piratenfahrten im dritten Jahrhundert damit begannen, die bosporanischen Reeder zu unfreiwilliger Hilfeleistung zu pressen, wurde schon erwaehnt. Wohl infolge dieses, den barbarischen Nachbarn selbst unentbehrlichen Verkehrs haben die Buerger von Chersonesos noch nach dem Wegziehen der roemischen Besatzungen sich behauptet und konnten spaeterhin, als in justinianischer Zeit die Macht des Reiches sich auch nach dieser Richtung hin noch einmal geltend machte, als Griechen in das griechische Reich zuruecktreten. ———————————————— ^74 In Betreff der Getreideausfuhr verdient die Notiz in dem Bericht des Plautius Beachtung.
^75 Auch aus dem Erbieten, einer von den roemischen Truppen bedraengten Ortschaft der Siraker (am Asowschen Meer) 10000 Sklaven zu liefern (Tac. ann. 12, 17), wird auf einen lebhaften Sklavenimport aus diesen Gegenden geschlossen werden duerfen.
———————————————— 8. Kapitel
Kleinasien
Die grosse Halbinsel, welche die drei Meere, das Schwarze, das Aegaeische und Mittellaendische, an drei Seiten bespuelen, und die gegen Osten mit dem eigentlichen asiatischen Kontinent zusammenhaengt, wird, insoweit sie zum Grenzgebiet des Reiches gehoert, in dem naechsten, das Euphratgebiet und die roemisch-parthischen Beziehungen behandelnden Abschnitt betrachtet werden. Hier sollen die Friedensverhaeltnisse namentlich der westlichen Landschaften unter dem Kaiserregiment dargelegt werden.
Die urspruengliche oder doch vorgriechische Bevoelkerung dieser weiten Strecke hat sich vielerorts in bedeutendem Umfang bis in die Kaiserzeit hinein behauptet. Dem frueher eroerterten thrakischen Stamme hat sicher der groesste Teil von Bithynien gehoert; Phrygien, Lydien, Kilikien, Kappadokien zeigen sehr mannigfaltige und schwer zu loesende Ueberreste aelterer Sprachepochen, die vielfach in die roemische Zeit hinabreichen; fremdartige Goetter-, Menschen- und Ortsnamen begegnen ueberall. Aber so weit unser Blick reicht, dem freilich das tiefere Eindringen hier selten gewaehrt ist, erscheinen diese Elemente nur weichend und schwindend, wesentlich als Negation der Zivilisation oder, was hier damit uns wenigstens zusammenzufallen duenkt, der Hellenisierung. Es wird am geeigneten Platz auf einzelne Gruppen dieser Kategorie zurueckzukommen sein; fuer die geschichtliche Entwicklung Kleinasiens in der Kaiserzeit gibt es daselbst nur zwei aktive Nationalitaeten, die beiden zuletzt eingewanderten, in den Anfaengen der geschichtlichen Zeit die Hellenen und waehrend der Wirren der Diadochenzeit die Kelten.
Die Geschichte der kleinasiatischen Hellenen, soweit sie ein Teil der roemischen ist, ist frueher dargelegt worden. In der fernen Zeit, wo die Kuesten des Mittelmeers zuerst befahren und besiedelt wurden und die Welt anfing unter die vorgeschrittenen Nationen auf Kosten der zurueckgebliebenen aufgeteilt zu werden, hatte die Hochflut der hellenischen Auswanderung sich zwar ueber alle Ufer des Mittellaendischen Meeres, aber doch nirgend hin, selbst nicht nach Italien und Sizilien in so breitem Strom ergossen wie ueber das Inselreiche Aegaeische Meer und die nahe, hafenreiche, liebliche Kueste Vorderasiens. Die vorderasiatischen Griechen hatten dann selbst vor allen uebrigen sich taetig an der weiteren Welteroberung beteiligt, von Miletos aus die Kuesten des Schwarzen Meeres, von Phokaea und Knidos aus die der Westsee besiedeln helfen. In Asien ergriff die hellenische Zivilisation wohl die Bewohner des Binnenlandes, die Myser, Lydier, Karer, Lykier, und selbst die persische Grossmacht blieb von ihr nicht unberuehrt. Aber die Hellenen selber besassen nichts als den Kuestensaum, hoechstens mit Einschluss des unteren Laufs der groesseren Fluesse, und die Inseln. Kontinentale Eroberung und eigene Landmacht vermochten sie hier gegenueber den maechtigen einheimischen Fuersten nicht zu gewinnen; auch lud das hochgelegene und grossenteils wenig kulturfaehige Binnenland Kleinasiens nicht so wie die Kuesten zur Ansiedelung ein, und die Verbindungen dieser mit dem Innern sind schwierig. Wesentlich in Folge dessen brachten es die asiatischen Hellenen noch weniger als die europaeischen zur inneren Einigung und zur eigenen Grossmacht und lernten frueh die Fuegsamkeit gegenueber den Herren des Kontinents. Der national hellenische Gedanke kam ihnen erst von Athen; sie wurden dessen Bundesgenossen nur nach dem Siege und blieben es nicht in der Stunde der Gefahr. Was Athen diesen Schutzbefohlenen der Nation hatte leisten wollen und nicht hatte leisten koennen, das vollbrachte Alexander; Hellas musste er besiegen, Kleinasien sah in dem Eroberer nur den Befreier. Alexanders Sieg sicherte in der Tat nicht bloss das asiatische Hellenentum, sondern oeffnete ihm eine weite, fast ungemessene Zukunft; die Besiedelung des Kontinents, welche im Gegensatz der bloss litoralen dieses zweite Stadium der hellenischen Welteroberung bezeichnet, ergriff auch Kleinasien in bedeutendem Umfang. Doch von den Knotenpunkten der neuen Staatenbildung kam keiner nach den alten Griechenstaedten der Kueste ^1. Die neue Zeit forderte wie ueberhaupt neue Gestaltung, so vor allem auch neue Staedte, zugleich griechische Koenigsresidenzen und Mittelpunkte bisher ungriechischer und dem Griechentum zuzufuehrender Bevoelkerungen. Die grosse staatliche Entwicklung bewegt sich um die Staedte koeniglicher Gruendung und koeniglichen Namens, Thessalonike, Antiocheia, Alexandreia. Mit ihren Herren hatten die Roemer zu ringen; den Besitz Kleinasiens gewannen sie fast durchaus, wie man von Verwandten oder Freunden ein Landgut erwirbt, durch Vermaechtnis im Testament; und wie schwer auf den also gewonnenen Landschaften zeitweise das roemische Regiment gelastet hat, der Stachel der Fremdherrschaft trat hier nicht hinzu. Eine nationale Opposition hat wohl der Achaemenide Mithradates den Roemern in Kleinasien entgegengestellt und das roemische Missregiment die Hellenen in seine Arme getrieben; aber diese selbst haben nie etwas Aehnliches unternommen. Darum ist von diesem grossen, reichen, wichtigen Besitz in politischer Hinsicht wenig zu berichten; um so weniger, als in betreff der nationalen Beziehungen der Hellenen ueberhaupt zu den Roemern das in dem vorhergehenden Abschnitt Bemerkte wesentlich auch fuer die kleinasiatischen Geltung hat. ———————————————- ^1 Haette der Staat des Lysimachos Bestand gehabt, so waere es wohl anders gekommen. Seine Gruendungen Alexandreia in der Troas und Lysimacheia, Ephesos- Arsinoe, verstaerkt durch die Uebersiedelung der Bewohner von Kolophon und Lebedos, liegen in der bezeichneten Richtung. ———————————————- Die roemische Verwaltung Kleinasiens wurde nie in systematischer Weise geordnet, sondern die einzelnen Gebiete so, wie sie zum Reich kamen, ohne wesentliche Veraenderung der Grenzen als roemische Verwaltungsbezirke eingerichtet. Die Staaten, welche Koenig Attalos III. von Pergamon den Roemern vermacht hatte, bilden die Provinz Asia; die ebenfalls durch Erbgang ihnen zugefallenen des Koenigs Nikomedes die Provinz Bithynien; das dem Mithradates Eupator abgenommene Gebiet die mit Bithynien vereinigte Provinz Pontus. Kreta wurde bei Gelegenheit des grossen Piratenkrieges von den Roemern besetzt; Kyrene, das gleich hier mit erwaehnt werden mag, nach dem letzten Willen seines Herrschers von ihnen uebernommen. Derselbe Rechtstitel gab der Republik die Insel Kypros; hinzu kam hier die notwendige Unterdrueckung der Piraterie. Diese hatte auch zu der Bildung der Statthalterschaft Kilikien den Grund gelegt; vollstaendig kam das Land an Rom durch Pompeius mit Syrien zugleich, und beide sind waehrend des ersten Jahrhunderts gemeinschaftlich verwaltet worden. All dieser Laenderbesitz war bereits von der Republik erworben. In der Kaiserzeit traten eine Anzahl Gebiete hinzu, welche frueher nur mittelbar zum Reich gehoert hatten: im Jahre 729 (25) das Koenigreich Galatien, mit welchem ein Teil Phrygiens, Lykaonien, Pisidien, Pamphylien vereinigt worden war; im Jahre 747 (7) die Herrschaft des Koenigs Deiotarus, Kastors Sohn, welche Gangra in Paphlagonien und wahrscheinlich auch Amaseia und andere benachbarte Orte umfasste; im Jahre 17 n. Chr. das Koenigreich Kappadokien; im Jahre 43 das Gebiet der Konfoederation der lykischen Staedte; im Jahre 63 das nordoestliche Kleinasien vom Tal des Iris bis zur armenischen Grenze; Klein-Armenien und einige kleinere Fuerstentuemer in Kilikien wahrscheinlich durch Vespasian. Damit war die unmittelbare Reichsverwaltung in ganz Kleinasien durchgefuehrt. Lehnsfuerstentuemer blieben nur der taurische Bosporus, von. dem schon die Rede war, und Gross-Armenien, von dem der naechste Abschnitt handeln wird. Als bei dem Eintreten des Kaiserregiments die administrative Scheidung zwischen ihm und dem des Reichsrats getroffen ward, kam das gesamte kleinasiatische Gebiet, so weit es damals unmittelbar unter dem Reiche stand, an den letzteren; die Insel Kypros, die anfangs unter kaiserliche Verwaltung gelangt war, ging ebenfalls wenige Jahre spaeter an den Senat ueber. So entstanden hier die vier senatorischen Statthalterschaften Asia, Bithynia und Pontus, Kypros, Kreta und Kyrene. Unter kaiserlicher Verwaltung stand anfangs nur Kilikien als Teil der syrischen Provinz. Aber die spaeter in unmittelbare Reichsverwaltung gelangten Gebiete wurden hier wie im ganzen Reich unter kaiserliche Statthalter gelegt; so ward noch unter Augustus aus den binnenlaendischen Landschaften des Galatischen Reiches die Provinz Galatien gebildet und die Kuestenlandschaft Pamphylien einem anderen Statthalter ueberwiesen, welchem letzteren unter Claudius weiter Lykien unterstellt ward. Ferner ward Kappadokien kaiserliche Statthalterschaft unter Tiberius. Auch blieb natuerlich Kilikien, als es eigene Statthalter erhielt, unter kaiserlicher Verwaltung. Abgesehen davon, dass Hadrian die wichtige Provinz Bithynien und Pontus gegen die unbedeutende lykisch-pamphylische eintauschte, blieb diese Ordnung in Kraft, bis gegen das Ende des 3. Jahrhunderts die senatorische Mitverwaltung ueberhaupt bis auf geringe Ueberreste beseitigt ward. Die Grenze ward in der ersten Kaiserzeit durchaus durch die Lehnsfuerstentuemer gebildet; nach deren Einziehung beruehrte die Reichsgrenze, von Kyrene abgesehen, unter allen diesen Verwaltungsbezirken nur der kappadokische, insofern diesem damals auch die nordoestliche Grenzlandschaft bis hinauf nach Trapezunt zugeteilt war ^2; und auch diese Statthalterschaft grenzte nicht mit dem eigentlichen Ausland, sondern im Norden mit den abhaengigen Voelkerschaften am Phasis, weiterhin mit dem von Rechts wegen und einigermassen auch tatsaechlich zum Reiche gehoerigen Lehnskoenigtum Armenien.
————————————————— ^2 Nirgends haben die Grenzen der Lehnstaaten und selbst der Provinzen mehr gewechselt als im nordoestlichen Kleinasien. Die unmittelbare Reichsverwaltung trat hier fuer die Landschaften des Koenigs Polemon, wozu Zela, Neocaesarea, Trapezus gehoerten, im Jahre 63 ein, fuer Klein-Armenien, wir wissen nicht genau wann, wahrscheinlich im Anfang der Regierung Vespasians. Der letzte Lehnskoenig von Klein-Armenien, dessen gedacht wird, ist der Herodeer Aristobulos (Tac. ann. 13, 7; 14, 26; Ios. ant. Iud. 20, 8, 4), der es noch im Jahre 60 besass; im Jahre 75 war die Landschaft roemisch (CIL III, 306), und wahrscheinlich hat die eine der seit Vespasian in Kappadokien garnisonierenden Legionen von Anfang an in dem klein-armenischen Satala gestanden. Vespasian hat die genannten Landschaften so wie Galatien und Kappadokien zu einer grossen Statthalterschaft vereinigt. Am Ende der Domitianischen Regierung finden wir Galatien und Kappadokien getrennt und die nordoestlichen Provinzen zu Galatien gelegt. Unter Traian ist zuerst wiederum der ganze Bezirk in einer Hand, spaeterhin (Eph. epigr. V, n. 1345) in der Weise geteilt, dass die nordoestliche Kueste zu Kappadokien gehoert. Dabei ist es wenigstens insoweit geblieben, dass Trapezunt, und also auch Klein-Armenien, fortan bestaendig unter diesem Statthalter gestanden hat. Also hatte, von einer kurzen Unterbrechung unter Domitian abgesehen, der Legat von Galatien nichts mit der Grenzverteidigung zu tun und ist diese, wie es auch in der Sache liegt, stets mit dem Kommando Kappadokiens und seiner Legionen vereinigt gewesen.
————————————————— Um von den Zustaenden und der Entwicklung Kleinasiens in den drei ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung eine Vorstellung zu gewinnen, soweit dies bei einem aus unserer unmittelbaren geschichtlichen Ueberlieferung gaenzlich ausfallenden Lande moeglich ist, wird bei dem konservativen Charakter des roemischen Provinzialregiments an die aelteren Gebietsteilungen und die Vorgeschichte der einzelnen Landschaften anzuknuepfen sein. Die Provinz Asia ist das alte Reich der Attaliden, Vorderasien bis noerdlich zur bithynischen, suedlich zur lykischen Grenze; die anfangs davon abgetrennten oestlichen Striche, das grosse Phrygien, waren schon in republikanischer Zeit wieder dazu geschlagen worden, und die Provinz reichte seitdem bis an die Landschaft der Galater und die pisidischen Gebirge. Auch Rhodus und die uebrigen kleineren Inseln des Aegaeischen Meeres gehoerten zu diesem Sprengel. Die urspruengliche hellenische Ansiedlung hatte ausser den Inseln und der eigentlichen Kueste auch die unteren Taeler der groesseren Fluesse besetzt; Magnesia am Sipylos im Hermostal, das andere Magnesia und Tralleis im Tal des Maeandros waren schon vor Alexander als griechische Staedte gegruendet oder doch griechische Staedte geworden; die Karer, Lyder, Myser wurden frueh wenigstens zu Halbhellenen. Die eintretende Griechenherrschaft fand in den Kuestenlandschaften nicht viel zu tun; Smyrna, das vor Jahrhunderten von den Barbaren des Binnenlandes zerstoert worden war, erhob sich damals aus seinen Truemmern, um rasch wieder einer der ersten Sterne des glaenzenden kleinasiatischen Staedteringes zu werden; und wenn der Wiederaufbau von Ilion an dem Grabhuegel Hektors mehr ein Werk der Pietaet als der Politik war, so war die Anlage von Alexandreia an der Kueste der Troas von bleibender Bedeutung. Pergamon im Tal des Kaãkos bluehte auf als Residenz der Attaliden. In dem grossen Werk der Hellenisierung des Binnenlandes dieser Provinz wetteiferten, Alexanders Intentionen entsprechend, alle hellenischen Regierungen, Lysimachos, die Seleukiden, die Attaliden. Die einzelnen Gruendungen sind aus unserer Ueberlieferung noch mehr verschwunden als die Kriegslaeufte der gleichen Epoche; wir sind hauptsaechlich angewiesen auf die Namen und die Beinamen der Staedte; aber auch diese genuegen, um die allgemeinen Umrisse dieser Jahrhunderte hindurch sich fortsetzenden und dennoch homogenen und zielbewussten Taetigkeit zu erkennen. Eine Reihe binnenlaendischer Ortschaften, Stratonikeia in Karien, Peltae, Blaundos, Dokimeion, Kadoi in Phrygien, die Mysomakedonier im Bezirk von Ephesos, Thyateira, Hyrkania, Nakrasa im Hermosgebiet, die Askylaken im Bezirk von Adramytion werden in Urkunden oder sonstigen glaubwuerdigen Zeugnissen als Makedonierstaedte bezeichnet; und diese Erwaehnungen sind so zufaelliger Art und die Ortschaften teilweise so unbedeutend, dass die gleiche Bezeichnung sicher auf eine grosse Anzahl anderer Niederlassungen in dieser Gegend sich erstreckt hat und wir schliessen duerfen auf eine ausgedehnte, wahrscheinlich mit dem Schutz Vorderasiens gegen die Galater und Pisidier zusammenhaengende Ansiedlung griechischer Soldaten in den bezeichneten Gegenden. Wenn ferner die Muenzen der ansehnlichen phrygischen Stadt Synnada mit ihrem Stadtnamen den der Ioner und der Dorer sowie den des gemeinen Zeus (Ze?s pand/e/mos) verbinden, so muss einer der Alexandriden die Griechen insgemein aufgefordert haben, hier sich niederzulassen; und auch dies beschraenkte sich gewiss nicht auf diese einzelne Stadt. Die zahlreichen Staedte hauptsaechlich des Binnenlandes, deren Namen auf die Koenigshaeuser der Seleukiden oder der Attaliden zurueckgehen oder die sonst griechisch benannt sind, sollen hier nicht aufgefuehrt werden; es befinden sich namentlich unter den sicher von den Seleukiden gegruendeten oder reorganisierten Staedten mehrere der in spaeterer Zeit bluehendsten und gesittetsten des Binnenlandes, zum Beispiel im suedlichen Phrygien Laodikeia und vor allem Apameia, das alte Kelaenae an der grossen Heerstrasse von der Westkueste Kleinasiens zum mittleren Euphrat, schon in persischer Zeit das Entrepot fuer diesen Verkehr und unter Augustus nach Ephesos die bedeutendste Stadt der Provinz Asia. Wenn auch nicht jede Beilegung eines griechischen Namens mit Ansiedlung griechischer Kolonisten verbunden gewesen sein wird, so werden wir doch einen betraechtlichen Teil dieser Ortschaften den griechischen Pflanzstaedten beizaehlen duerfen. Aber auch die staedtischen Ansiedlungen nichtgriechischen Ursprungs, die die Alexandriden vorfanden, lenkten von selber in die Bahnen der Hellenisierung ein, wie denn die Residenz des persischen Statthalters, Sardes, noch von Alexander selbst als griechisches Gemeinwesen geordnet ward.
Diese staedtische Entwicklung war vollzogen, als die Roemer die Herrschaft ueber Vorderasien antraten; sie selber haben sie nicht in intensiver Weise gefoerdert. Dass eine grosse Anzahl der Stadtgemeinden in der oestlichen Haelfte der Provinz ihre Jahre von dem der Stadt 670 (84) zaehlen, kommt daher, dass damals nach Beendigung des Mithradatischen Krieges diese Bezirke durch Sulla unter unmittelbar roemische Verwaltung kamen; Stadtrecht haben diese Ortschaften nicht erst damals erhalten. Augustus hat die Stadt Parium am Hellespont und die schon erwaehnte Alexandreia in Troas mit Veteranen seiner Armee besetzt und beiden die Rechte der roemischen Buergergemeinden beigelegt; letztere ist seitdem in dem griechischen Asien eine italische Insel gewesen wie Korinth in Griechenland und Berylos in Syrien. Aber dies war nichts als Soldatenversorgung; von eigentlicher Staedtegruendung in der roemischen Provinz Asien unter den Kaisern ist wenig die Rede. Unter den nicht zahlreichen nach Kaisern benannten Staedten daselbst ist vielleicht nur von Sebaste und Tiberiopolis, beide in Phrygien, und von Hadrianoi an der bithynischen Grenze kein aelterer Stadtname nachzuweisen. Hier, in der Berglandschaft zwischen dem Ida und dem Olymp, hauste Kleon in der Triumviralzeit, ein gewisser Tilliboros unter Hadrian, beide halb Raeuberhauptleute, halb Volksfuersten, von denen jener selbst in der Politik eine Rolle gespielt hat; in dieser Freistatt der Verbrecher war die Gruendung einer geordneten Stadtgemeinde durch Hadrian allerdings eine Wohltat. Sonst blieb in dieser Provinz, mit ihren fuenfhundert Stadtgemeinden der staedtereichsten des ganzen Staates, in dieser Hinsicht wohl nicht mehr viel zu stiften uebrig, hoechstens etwa zu teilen, das heisst die faktisch zu einer Stadtgemeinde sich entwickelnden Flecken aus dem frueheren Gemeindeverbande zu loesen und selbstaendig zu machen, wie wir einen Fall der Art in Phrygien unter Konstantin I. nachweisen koennen. Aber von der eigentlichen Hellenisierung waren die abgelegenen Gebiete noch weit entfernt, als das roemische Regiment begann; insbesondere in Phrygien behauptete sich die vielleicht der armenischen gleichartige Landessprache. Wenn aus dem Fehlen griechischer Muenzen und griechischer Inschriften nicht mit Sicherheit auf das Fehlen der Hellenisierung geschlossen werden darf ^3, so weist doch die Tatsache, dass die phrygischen Muenzen fast durchaus der roemischen Kaiserzeit, die phrygischen Inschriften der grossen Mehrzahl nach der spaeteren Kaiserzeit angehoeren, darauf hin, dass in die entlegenen und der Zivilisation schwer zugaenglichen Gegenden der Provinz Asia die hellenische Gesittung soweit ueberhaupt, ueberwiegend erst unter den Kaisern den Weg fand. Zu unmittelbarem Eingreifen der Reichsverwaltung bot dieser im Stillen sich vollziehende Prozess wenig Gelegenheit und Spuren solchen Eingreifens vermoegen wir nicht nachzuweisen. Freilich war Asia eine senatorische Provinz, und dass dem Senatsregiment jede Initiative abging, mag auch hier in Betracht kommen.
————————————————- ^3 Die staedtische Muenzpraegung und die Inschriftsetzung stehen unter so vielfachen Bedingungen, dass das Fehlen oder auch die Fuelle der einen wie der andern nicht ohne weiteres zu Rueckschluessen auf die Abwesenheit oder die Intensitaet einer bestimmten Zivilisationsphase berechtigen. Fuer Kleinasien insbesondere ist zu beachten, dass es das gelobte Land der munizipalen Eitelkeit ist und unsere Denkmaeler, auch die Muenzen, zum weitaus groessten Teil dadurch hervorgerufen sind, dass die Regierung der roemischen Kaiser dieser freien Lauf liess.
————————————————- Syrien und mehr noch Aegypten gehen auf in ihren Metropolen; die Provinz Asien und Kleinasien ueberhaupt hat keine einzelne Stadt aufzuweisen gleich Antiocheia und Alexandreia, sondern sein Gedeihen ruht auf den zahlreichen Mittelstaedten. Die Einteilung der Staedte in drei Klassen, welche sich unterscheiden im Stimmrecht auf dem Landtag, in der Repartition der von der ganzen Provinz aufzubringenden Leistungen, selbst in der Zahl der anzustellenden Stadtaerzte und staedtischen Lehrer ^4, ist vorzugsweise diesen Landschaften eigen. Auch die staedtischen Rivalitaeten, die in Kleinasien so energisch und zum Teil so kindisch, gelegentlich auch so gehaessig hervortreten, wie zum Beispiel der Krieg zwischen Severus und Niger in Bithynien eigentlich ein Krieg der beiden rivalisierenden Kapitalen Nikomedeia und Nikaea war, gehoeren zum Wesen zwar der hellenischen Politien ueberhaupt, insbesondere aber der kleinasiatischen. Des Wetteifers um die Kaisertempel werden wir weiterhin gedenken; in aehnlicher Weise war die Rangfolge der staedtischen Deputationen bei den gemeinschaftlichen Festen in Kleinasien eine Lebensfrage – Magnesia am Maeander nennt sich auf den Muenzen die “siebente Stadt von Asia” – und vor allem der erste Platz war ein so begehrter, dass die Regierung schliesslich sich dazu verstand, mehrere erste Staedte zuzulassen. Aehnlich ging es mit der Metropolenbezeichnung. Die eigentliche Metropole der Provinz war Pergamon, die Residenz der Attaliden und der Sitz des Landtags. Aber Ephesos, die faktische Hauptstadt der Provinz, wo der Statthalter verpflichtet war, sein Amt anzutreten, und das auch dieses “Landungsrechts” auf seinen Muenzen sich beruehmt, Smyrna, mit dem ephesischen Nachbar in steter Rivalitaet und dem legitimen Erstenrecht der Ephesier zum Trotz auf den Muenzen sich nennend “die erste an Groesse und Schoenheit”, das uralte Sardeis, Kyzikos und andere mehr strebten nach dem gleichen Ehrenrechte. Mit diesen ihren Quengeleien, wegen deren regelmaessig der Senat und der Kaiser angegangen wurden, den “griechischen Dummheiten”, wie man in Rom zu sagen pflegte, waren die Kleinasiaten der stehende Verdruss und das stehende Gespoett der vornehmen Roemer ^5. —————————————– ^4 “Die Verordnung”, sagt der Jurist Modestinus, der sie referiert (dig. 27, 1, 6, 3), “interessiert alle Provinzen, obwohl sie an die Asiaten gerichtet ist.” Auch passt sie in der Tat nur da, wo es Staedteklassen gibt, und der Jurist fuegt eine Anweisung hinzu, wie sie auf anders geordnete Provinzen anzuwenden sei. Was der Biograph des Pius (c. 11) ueber die von Pius den Rhetoren gewaehrten Auszeichnungen und Gehalte berichtet, hat mit dieser Verfuegung nichts zu schaffen.
^5 Vortrefflich setzt Dion von Prusa in seinen Ansprachen an die Buerger von Nikomedeia und von Tarsos auseinander, dass kein gebildeter Mann fuer sich solche leere Bezeichnungen haben moechte und die Titelsucht fuer die Staedte geradezu unbegreiflich sei; wie es das Zeichen der richtigen Kleinstaedterei sei, sich solche Rangbescheinigungen ausstellen zu lassen; wie der schlechte Statthalter durch diesen Staedtehader sich immer decke, da Nikaea und Nikomedeia nie unter sich zusammenhielten. “Die Roemer gehen mit euch um wie mit Kindern, denen man geringes Spielzeug schenkt; Misshandlungen nehmt ihr hin, um Namen zu bekommen; sie nennen eure Stadt die erste, um sie als die letzte zu behandeln. Den Roemern seid ihr damit zum Gelaechter geworden und sie nennen das ‘griechische Dummheiten’ (Ell/e/nika amart/e/mata).” —————————————– Nicht auf der gleichen Hoehe wie das Attalidenreich befand sich Bithynien. Die aeltere griechische Kolonisierung hatte sich hier lediglich auf die Kueste beschraenkt. In der hellenistischen Epoche hatten anfangs die makedonischen Herrscher, spaeter die voellig deren Wege wandelnde einheimische Dynastie neben der im Ganzen wohl auf Umnennung hinauslaufenden Einrichtung der Kuestenorte einigermassen auch das Binnenland erschlossen, namentlich durch die beiden gluecklich gediehenen Anlagen von Nikaea (Isnik) und Prusa am Olymp (Brussa); von der ersteren wird hervorgehoben, dass die ersten Ansiedler von guter makedonischer und hellenischer Herkunft gewesen seien. Aber in der Intensitaet der Hellenisierung stand das Reich des Nikomedes weit zurueck hinter dem des Buergerfuersten von Pergamon; insonderheit das oestliche Binnenland kann vor Augustus nur wenig besiedelt gewesen sein. Dies ward in der Kaiserzeit anders. In augustischer Zeit baute ein gluecklicher Raeuberhauptmann, der sich zur Ordnung bekehrte, an der galatischen Grenze die gaenzlich herabgekommene Ortschaft Gordiu Kome unter dem Namen Iuliopolis wieder auf; in derselben Gegend sind die Staedte Bithynion-Claudiopolis und Krateia-Flaviopolis wahrscheinlich im Laufe des ersten Jahrhunderts zu griechischem Stadtrecht gelangt. Ueberhaupt hat in Bithynien der Hellenismus unter der Kaiserzeit einen maechtigen Aufschwung genommen, und der derbe thrakische Schlag der Eingeborenen gab ihm eine gute Grundlage. Dass unter den in grosser Anzahl bekannten Schriftsteinen dieser Provinz nicht mehr als vier der vorroemischen Zeit angehoeren, wird nicht allein daraus erklaert werden koennen, dass die staedtische Ambition erst unter den Kaisern grossgezogen worden ist. In der Literatur der Kaiserzeit gehoeren eine Anzahl der besten und von der wuchernden Rhetorik am wenigsten erfassten Schriftsteller, wie der Philosoph Dion von Prusa, die Historiker Memnon von Herakleia, Arrhianos aus Nikomedeia, Cassius Dion von Nikaea, nach Bithynien. Die oestliche Haelfte der Suedkueste des Schwarzen Meeres, die roemische Provinz Pontus, hat zur Grundlage denjenigen Teil des Reiches Mithradats, den Pompeius sofort nach dem Siege in unmittelbaren Besitz nahm. Die zahlreichen kleinen Fuerstentuemer, welche im paphlagonischen Binnenland und oestlich davon bis zur armenischen Grenze Pompeius gleichzeitig vergab, wurden nach kuerzerem oder laengerem Bestand bei ihrer Einziehung teils derselben Provinz zugelegt, teils zu Galatien oder Kappadokien geschlagen. Das ehemalige Reich des Mithradates war sowohl von dem aelteren wie von dem juengeren Hellenismus bei weitem weniger als die westlichen Landschaften beruehrt worden. Als die Roemer dieses Gebiet mittelbar oder unmittelbar in Besitz nahmen, gab es griechisch geordnete Staedte dort strenggenommen nicht; Amaseia, die alte Residenz der pontischen Achaemeniden und immer ihre Grabstadt, war dies nicht; die beiden alten griechischen Kuestenstaedte Amisos und das einst ueber das Schwarze Meer gebietende Sinope waren koenigliche Residenzen geworden, und auch den wenigen von Mithradates angelegten Ortschaften, zum Beispiel Eupatoria, wird schwerlich griechische Politie gegeben worden sein. Hier aber war, wie schon frueher ausgefuehrt ward, die roemische Eroberung zugleich die Hellenisierung; Pompeius organisierte die Provinz in der Weise, dass er die elf Hauptortschaften derselben zu Staedten machte und unter sie das Gebiet verteilte. Allerdings aehnelten diese kuenstlich geschaffenen Staedte mit ihren ungeheuren Bezirken – der von Sinope hatte an der Kueste eine Ausdehnung von sechzehn deutschen Meilen und grenzte am Halys mit dem amisenischen – mehr den keltischen Gauen als den eigentlich hellenischen und italischen Stadtgemeinden. Aber es wurden doch damals Sinope und Amisos in ihre alte Stellung wieder eingesetzt und andere Staedte im Binnenland, wie Pompeiopolis, Nikopolis, Megalopolis, das spaetere Sebasteia, ins Leben gerufen. Sinope erhielt durch den Diktator Caesar das Recht der roemischen Kolonie und ohne Zweifel auch italische Ansiedler. Wichtiger fuer die roemische Verwaltung ward Trapezus, eine alte Kolonie von Sinope; die Stadt, die im Jahre 63 zur Provinz Kappadokien geschlagen ward, war wie der Standort der roemischen Pontusflotte so auch gewissermassen die Operationsbasis fuer das Truppenkorps dieser Provinz, das einzige in ganz Kleinasien. Das binnenlaendische Kappadokien war seit der Einrichtung der Provinzen Pontus und Syrien in roemischer Gewalt; ueber die Einziehung desselben im Anfang der Regierung des Tiberius, welche zunaechst veranlasst ward durch den Versuch Armeniens, sich der roemischen Lehnsherrschaft zu entwinden, wird in dem folgenden Abschnitt zu berichten sein. Der Hof und was unmittelbar damit zusammenhing, hatte sich hellenisiert, etwa so, wie die deutschen Hoefe des 18. Jahrhunderts sich dem franzoesischen Wesen zuwandten. Die Hauptstadt Caesarea, das alte Mazaka, gleich dem phrygischen Apameia eine Zwischenstelle des grossen Verkehrs zwischen den Haefen der Westkueste und den Euphratlaendern und in roemischer Zeit wie noch heute eine der bluehendsten Handelsstaedte Kleinasiens, war auf Pompeius’ Veranlassung nach dem Mithradatischen Kriege nicht bloss wieder aufgebaut, sondern wahrscheinlich damals auch mit Stadtrecht nach griechischer Art ausgestattet worden. Kappadokien selbst war im Anfang der Kaiserzeit schwerlich mehr griechisch als Brandenburg und Pommern unter Friedrich dem Grossen franzoesisch. Als das Land roemisch ward, zerfiel es nach den Angaben des gleichzeitigen Strabon nicht in Stadtbezirke, sondern in zehn Aemter, von denen nur zwei Staedte hatten, die schon genannte Hauptstadt und Tyana; und diese Ordnung ist hier im Grossen und Ganzen so wenig veraendert worden wie in Aegypten, wenn auch einzelne Ortschaften spaeterhin griechisches Stadtrecht empfingen, zum Beispiel Kaiser Marcus aus dem kappadokischen Dorf, in dem seine Gemahlin gestorben war, die Stadt Faustinopolis machte. Griechisch freilich sprachen die Kappadokier jetzt; aber die Studierenden aus Kappadokien hatten auswaerts viel zu leiden wegen ihres groben Akzents und ihrer Fehler in Aussprache und Betonung, und wenn sie attisch reden lernten, fanden die Landsleute ihre Sprache affektiert ^6. Erst in der christlichen Zeit gaben die Studiengenossen des Kaisers Julian, Gregorios von Nazianzos und Basilios von Caesarea, dem kappadokischen Namen einen besseren Klang. —————————————————- ^6 Pausanias aus Caesarea rueckt bei Philostratos (vit. soph. 2, 13) dem Herodes Attikos seine Fehler vor: pacheia t/e/ gl/o/tt/e/ ka’i /o/s Kappadokais x?n/e/thes, xygkro?/o/n men ta s?mph/o/na i/o/n stoichei/o/n, systell/o/n de ta m/e/kynomena kai m/e/k?n/o/n ta brachea. Vita Apoll. 1, 7: /e/ gl/o/tta Attik/o/s eichen, oyd’ ap/e/chth/e/ t/e/n ph/o/n/e/n ypo to? ethnoys. —————————————————- Die lykischen Staedte in ihrem abgeschlossenen Berglande oeffneten ihre Kueste der griechischen Ansiedlung nicht, aber schlossen sich darum doch nicht gegen den hellenischen Einfluss ab. Lykien ist die einzige kleinasiatische Landschaft, in welcher die fruehe Zivilisierung die Landessprache nicht beseitigt hat, und welche, fast wie die Roemer, in griechisches Wesen einging, ohne sich aeusserlich zu hellenisieren. Es bezeichnet ihre Stellung, dass die lykische Konfoederation als solche dem attischen Seebund sich angeschlossen und an die athenische Vormacht ihren Tribut entrichtet hat. Die Lykier haben nicht bloss ihre Kunst nach hellenischen Mustern geuebt, sondern wohl auch ihre politische Ordnung frueh in gleicher Weise geregelt. Die Umwandlung des einst Rhodos untertaenigen, aber nach dem Dritten Makedonischen Krieg unabhaengig gewordenen Staedtebundes in eine roemische Provinz, welche wegen des endlosen Haders unter den Verbuendeten von Kaiser Claudius verfuegt ward, wird das Vordringen des Hellenismus gefoerdert haben; im Verlauf der Kaiserzeit sind dann die Lykier vollstaendig zu Griechen geworden. Die pamphylischen Kuestenstaedte, wie Aspendos und Perge, griechische Gruendungen der aeltesten Zeit, spaeter sich selbst ueberlassen und unter guenstigen Verhaeltnissen gedeihlich entwickelt, hatten das aelteste Hellenentum in einer Weise sei es konserviert, sei es aus sich heraus eigenartig gestaltet, dass die Pamphylier nicht viel weniger als die benachbarten Lykier in Sprache und Schrift als selbstaendige Nation gelten konnten. Als dann Asien den Hellenen gewonnen ward, fanden sie allmaehlich den Rueckweg wie in die gemeine griechische Zivilisation so auch in die allgemeine politische Ordnung. Die Herren in dieser Gegend wie an der benachbarten kilikischen Kueste waren in hellenistischer Zeit teils die Aegypter, deren Koenigshaus verschiedenen Ortschaften in Pamphylien und Kilikien den Namen gegeben hat, teils die Seleukiden, nach denen die bedeutendste Stadt Westkilikiens Seleukeia am Kalykadnos heisst, teils die Pergamener, von deren Herrschaft Attaleia (Adalia) in Pamphylien zeugt. Dagegen hatten die Voelkerschaften in den Gebirgen Pisidiens, Isauriens und Westkilikiens bis auf den Beginn der Kaiserzeit ihre Unabhaengigkeit der Sache nach behauptet. Hier ruhten die Fehden nie. Nicht bloss zu Lande hatten die zivilisierten Regierungen stets mit den Pisidiern und ihren Genossen zu schaffen, sondern es betrieben dieselben namentlich von dem westlichen Kilikien aus, wo die Gebirge unmittelbar an das Meer treten, noch eifriger als den Landraub das Gewerbe der Piraterie. Als bei dem Verfall der aegyptischen Seemacht die Suedkueste Kleinasiens voellig zur Freistatt der Seeraeuber ward, traten die Roemer ein und richteten die Provinz Kilikien, welche die pamphylische Kueste mit umfasste oder doch umfassen sollte, der Unterdrueckung des Seeraubs wegen ein. Aber was sie taten, zeigte mehr, was haette geschehen sollen, als dass wirklich etwas erreicht ward; die Intervention erfolgte zu spaet und zu unstetig. Wenn auch einmal ein Schlag gegen die Korsaren gefuehrt ward und roemische Truppen selbst in die isaurischen Gebirge eindrangen und tief im Binnenland die Piratenburgen brachen, zu rechter dauernder Festsetzung in diesen von ihr widerwillig annektierten Distrikten kam die roemische Republik nicht. Hier blieb dem Kaisertum noch alles zu tun uebrig. Antonius, wie er den Orient uebernahm, beauftragte einen tuechtigen galatischen Offizier, den Amyntas, mit der Unterwerfung der widerspenstigen pisidischen Landschaft ^7, und als dieser sich bewaehrte ^8, machte er denselben zum Koenig von Galatien, der militaerisch bestgeordneten und schlagfertigsten Landschaft Kleinasiens, und erstreckte zugleich sein Regiment von da bis zur Suedkueste, also auf Lykaonien, Pisidien, Isaurien, Pamphylien und Westkilikien, waehrend die zivilisierte Osthaelfte Kilikiens bei Syrien blieb. Auch als Augustus nach der Aktischen Schlacht die Herrschaft im Orient antrat, liess er den keltischen Fuersten in seiner Stellung. Derselbe machte auch wesentliche Fortschritte sowohl in der Unterdrueckung der schlimmen, in den Schlupfwinkeln des westlichen Kilikiens hausenden Korsaren wie auch in der Ausrottung der Landraeuber, toetete einen der schlimmsten dieser Raubherren, den Herrn von Derbe und Laranda im suedlichen Lykaonien, Antipatros, baute in Isauria sich seine Residenz und schlug die Pisidier nicht bloss hinaus aus dem angrenzenden phrygischen Gebiet, sondern fiel in ihr eigenes Land ein und nahm im Herzen desselben Kremna. Aber nach einigen Jahren (729 25) verlor er das Leben auf einem Zug gegen einen der westkilikischen Staemme, die Homonadenser; nachdem er die meisten Ortschaften genommen hatte und ihr Fuerst gefallen war, kam er um durch einen von dessen Gattin gegen ihn gerichteten Anschlag. Nach dieser Katastrophe uebernahm Augustus selbst das schwere Geschaeft der Pazifikation des inneren Kleinasiens. Wenn er dabei, wie schon bemerkt ward, das kleine pamphylische Kuestenland einem eigenen Statthalter zuwies und es von Galatien trennte, so ist dies offenbar deswegen geschehen, weil das zwischen der Kueste und der galatisch-lykaonischen Steppe liegende Gebirgsland so wenig botmaessig war, dass die Verwaltung des Kuestengebiets nicht fueglich von Galatien aus gefuehrt werden konnte. Roemische Truppen wurden nach Galatien nicht gelegt; doch wird das Aufgebot der kriegerischen Galater mehr zu bedeuten gehabt haben als bei den meisten Provinzialen. Auch hatten, da das westliche Kilikien damals unter Kappadokien gelegt ward, die Truppen dieses Lehnsfuersten sich an der Arbeit zu beteiligen. Die Zuechtigung zunaechst der Homonadenser fuehrte die syrische Armee aus; der Statthalter Publius Sulpicius Quirinius rueckte einige Jahre spaeter in ihr Gebiet, schnitt ihnen die Zufuhr ab und zwang sie, sich in Masse zu unterwerfen, worauf sie in die umliegenden Ortschaften verteilt und ihr ehemaliges Gebiet wuest gelegt wurde. Aehnliche Zuechtigungen erfuhren in den Jahren 36 und 52 die Kliten, ein anderer, in dem westlichen Kilikien naeher an der Kueste sitzender Stamm; da sie dem von Rom ihnen gesetzten Lehnsfuersten den Gehorsam verweigerten und das Land wie die See brandschatzten, und da die sogenannten Landesherren mit ihnen nicht fertig werden konnten, kamen beide Male die Reichstruppen aus Syrien herbei, um sie zu unterwerfen. Diese Nachrichten haben sich zufaellig erhalten; sicher sind zahlreiche aehnliche Vorgaenge verschollen. —————————————— ^7 Amyntas wurde noch im Jahre 715, bevor Antonius nach Asien zurueckging ueber die Pisidier gesetzt (App. civ. 5, 75), ohne Zweifel weil diese wieder einmal einen ihrer Raubzuege unternommen hatten. Daraus, dass er dort zuerst herrschte, erklaert es sich auch, dass er sich in Isaura seine Residenz baute (Strab. 12, 6, 3, p. 569). Galatien kam zunaechst an die Erben des Deiotarus (Dio 48, 33). Erst im Jahre 718 erhielt Amyntas Galatien, Lykaonien und Pamphylien (Dio 49, 32).
^8 Dass dies die Ursache war, weshalb diese Gegenden nicht unter roemische Statthalter gelegt wurden, sagt Strabon (14, 5, 5 p. 671), der nach Zeit und Ort diesen Verhaeltnissen nahestand, ausdruecklich: edokei pros apan to toio?to (fuer die Unterdrueckung der Raeuber und der Piraten) basileyesthai mallon to?s topoys /e/ thpo tois R/o/maiois /e/gemosin einai tois epi tas kriseis pempomenois, oi m/e/t’ aei pareinai emellon (wegen der Bereisung der conventus) m/e/te meth’ oplon (die allerdings dem spaeteren Legaten von Galatien fehlten). —————————————— Aber auch im Wege der Besiedelung griff Augustus die Pazifikation dieser Landschaft an. Die hellenistischen Regierungen hatten dieselbe sozusagen isoliert, nicht bloss an der Kueste ueberall Fuss behalten oder gefasst, sondern auch im Nordwesten eine Reihe von Staedten gegruendet, an der phrygischen Grenze Apollonia angeblich von Alexander selbst angelegt, Seleukeia Siderus und Antiocheia, beide aus der Seleukidenzeit, ferner in Lykaonien Laodikeia Katakekaumene und die wohl auch in der gleichen Zeit entstandene Hauptstadt dieser Landschaft Ikonion. Aber in dem eigentlichen Bergland findet sich keine Spur hellenistischer Niederlassung; und noch weniger hat der roemische Senat sich an diese schwierige Aufgabe gemacht. Augustus tat es; hier, und nur hier im ganzen griechischen Osten, begegnet eine Reihe von Kolonien roemischer Veteranen, offenbar bestimmt, dieses Gebiet der friedlichen Ansiedlung zu erobern. Von den eben genannten aelteren Ansiedlungen wurde Antiocheia mit Veteranen belegt und roemisch reorganisiert, neu angelegt in Lykaonien Parlais und Lystra, in Pisidien selbst das schon genannte Kremna so wie weiter suedlich Olbasa und Komama. Die spaeteren Regierungen setzten die begonnene Arbeit nicht mit gleicher Energie fort; doch wurde unter Claudius das eiserne Seleukeia Pisidiens zum claudischen gemacht, ferner im westkilikischen Binnenland Claudiopolis und nicht weit davon, vielleicht gleichzeitig, Germanicopolis ins Leben gerufen, auch Ikonion, in Augustus’ Zeit ein kleiner Ort, zu bedeutender Entwicklung gebracht. Die neu gegruendeten Staedte blieben freilich unbedeutend, schraenkten aber doch den Spielraum der freien Gebirgsbewohner in namhafter Weise ein, und der Landfriede muss endlich auch hier seinen Einzug gehalten haben. Sowohl die Ebene und die Bergterrassen Pamphyliens wie die Bergstaedte Pisidiens selbst, zum Beispiel Selge und Sagalassos, waren waehrend der Kaiserzeit gut bevoelkert und das Gebiet sorgfaeltig angebaut; die Reste maechtiger Wasserleitungen und auffallend grosser Theater, saemtlich Anlagen aus der roemischen Kaiserzeit, zeigen zwar nur handwerksmaessige Technik, aber Spuren eines reich entwickelten friedlichen Gedeihens. Ganz freilich ward die Regierung des Raubwesens in diesen Landschaften niemals Herr, und wenn in der frueheren Kaiserzeit die Heimsuchungen sich in maessigen Grenzen hielten, traten die Banden hier in den Wirren des dritten Jahrhunderts abermals als kriegfuehrende Macht auf. Sie gehen jetzt unter dem Namen der Isaurer und haben ihren hauptsaechlichen Sitz in den Gebirgen Kilikiens, von wo aus sie Land und Meer brandschatzen. Erwaehnt werden sie zuerst unter Severus Alexander. Dass sie unter Gallienus ihren Raeuberhauptmann zum Kaiser ausgerufen haben, wird eine Fabel sein; aber allerdings wurde unter Kaiser Probus ein solcher namens Lydios, der lange Zeit Lykien und Pamphylien gepluendert hatte, in der roemischen Kolonie Kremna, die er besetzt hatte, nach langer hartnaeckiger Belagerung durch eine roemische Armee bezwungen. In spaeterer Zeit finden wir um ihr Gebiet einen Militaerkordon gezogen und einen eigenen kommandierenden General fuer die Isaurer bestellt. Ihre wilde Tapferkeit hat sogar denen von ihnen, welche bei dem byzantinischen Hof Dienste nehmen mochten, eine Zeitlang eine Stellung daselbst verschafft, wie die Makedonier sie am Hofe der Ptolemaeer besessen hatten; ja einer aus ihrer Mitte, Zenon, ist als Kaiser von Byzanz gestorben ^9. ———————————————– ^9 In der grossen unbenannten Ruinenstaette von Saradschik im oberen Limyrostal im oestlichen Lykien (vgl. C. Ritter, Erdkunde. Bd. 19, Berlin 1859, S. 1172) steht ein bedeutender tempelfoermiger Grabbau, sicher nicht aelter als das 3. Jahrhundert n. Chr., an welchem in Relief zerstueckelte Menschenteile, Koepfe, Arme, Beine als Embleme angebracht sind; man moechte meinen, als Wappen eines zivilisierten Raeuberhauptmanns (Mitteilung von Benndorf). ———————————————– Die Landschaft Galatien endlich, in ferner Zeit die Hauptstaette der orientalischen Herrschaft ueber Vorderasien und in den beruehmten Felsskulpturen des heutigen Boghazkoei, einst der Koenigstadt Pteria, die Erinnerungen einer fast verschollenen Herrlichkeit bewahrend, war im Lauf der Jahrhunderte in Sprache und Sitte eine keltische Insel inmitten der Fluten der Ostvoelker geworden und ist dies in der inneren Organisation auch in der Kaiserzeit geblieben. Die drei keltischen Voelkerschaften, welche bei der grossen Wanderung der Nation um die Zeit des Krieges zwischen Pyrrhos und den Roemern in das innere Kleinasien gelangt waren und hier, wie im Mittelalter die Franken im Orient, zu einem festgegliederten Soldatenstaat sich zusammengeschlossen und nach laengerem Schweifen dies- und jenseits des Halys ihre definitiven Sitze genommen hatten, hatten laengst die Zeiten hinter sich, wo sie von dort aus Kleinasien brandschatzten und mit den Koenigen von Asia und Pergamon im Kampfe lagen, falls sie nicht als Soeldner ihnen dienten; auch sie waren an der Uebermacht der Roemer zerschellt und ihnen in Asien nicht minder botmaessig geworden wie ihre Landsleute im Potal und an der Rhone und Seine. Aber trotz ihres mehrhundertjaehrigen Verweilens in Kleinasien trennte immer noch eine tiefe Kluft diese Okzidentalen von den Asiaten. Es war nicht bloss, dass sie ihre Landessprache und ihre Volksart festhielten, dass immer noch die drei Gaue jeder von seinen vier Erbfuersten regiert wurden und die von allen gemeinschaftlich beschickte Bundesversammlung in dem heiligen Eichenhain als hoechste Behoerde dem galatischen Lande vorstand, auch nicht, dass die ungebaendigte Roheit wie die kriegerische Tuechtigkeit sie von den Nachbarn zum Nachteil wie zum Vorteil unterschied; dergleichen Gegensaetze zwischen Kultur und Barbarei gab es in Kleinasien auch sonst, und die oberflaechliche und aeusserliche Hellenisierung, wie die Nachbarschaft, die Handelsbeziehungen, der von den Einwanderern uebernommene phrygische Kultus, das Soeldnertum sie im Gefolge hatten, wird in Galatien nicht viel spaeter eingetreten sein als zum Beispiel in dem benachbarten Kappadokien. Der Gegensatz ist anderer Art: die keltische und die hellenische Invasion haben in Kleinasien konkurriert, und zu dem nationalen Gegensatz ist der Stachel der rivalisierenden Eroberung hinzugetreten. Scharf trat dies zutage in der Mithradatischen Krise: dem Mordbefehl des Mithradates gegen die Italiker ging zur Seite die Niedermetzelung des gesamten galatischen Adels und dementsprechend haben in den Kriegen gegen den orientalischen Befreier der Hellenen die Roemer keinen treueren Bundesgenossen gehabt als die Galater Kleinasiens. Darum war der Erfolg der Roemer auch der ihrige und gab der Sieg ihnen in den Angelegenheiten Kleinasiens eine Zeitlang eine fuehrende Stellung. Das alte Vierfuerstentum wurde, es scheint durch Pompeius, abgeschafft. Einer der neuen Gaufuersten, der in den Mithradatischen Kriegen sich am meisten bewaehrt hatte, Deiotarus, brachte ausser seinem eigenen Gebiete Klein-Armenien und andere Stuecke des ehemaligen Mithradatischen Reiches an sich und ward auch den uebrigen galatischen Fuersten ein unbequemer Nachbar und der maechtigste unter den kleinasiatischen Dynasten. Nach dem Siege Caesars, dem er feindlich gegenuebergestanden hatte und den er auch durch die gegen Pharnakes geleistete Hilfe nicht fuer sich zu gewinnen vermochte, wurden ihm die mit oder ohne Einwilligung der roemischen Regierung gewonnenen Besitzungen groesstenteils wieder entzogen; der Caesarianer Mithradates von Pergamon, welcher von muetterlicher Seite dem galatischen Koenigshaus entsprossen war, erhielt das meiste von dem, was Deiotarus verlor und wurde ihm sogar in Galatien selbst an die Seite gestellt. Aber nachdem dieser kurz darauf im Taurischen Chersones sein Ende gefunden hatte und auch Caesar selbst nicht lange nachher ermordet worden war, setzte Deiotarus sich ungeheissen wieder in den Besitz des Verlorenen, und da er der jedesmal im Orient vorherrschenden roemischen Partei sich ebenso zu fuegen verstand, wie sie rechtzeitig zu wechseln, starb er hochbejahrt im Jahre 714 (40) als Herr von ganz Galatien. Seine Nachkommen wurden mit einer kleinen Herrschaft in Paphlagonien abgefunden; sein Reich, noch erweitert gegen Sueden hin durch Lykaonien und alles Land bis zur pamphylischen Kueste, kam, wie schon gesagt ward, im Jahre 718 (36) durch Antonius an Amyntas, welcher schon in Deiotarus’ letzten Jahren als dessen Sekretaer und Feldherr das Regiment gefuehrt zu haben scheint und als solcher vor der Schlacht von Philippi den Uebergang von den republikanischen Feldherrn zu den Triumvirn bewirkt hatte. Seine weiteren Schicksale sind schon erzaehlt. An Klugheit und Tapferkeit seinem Vorgaenger ebenbuertig, diente er erst dem Antonius, dann dem Augustus als hauptsaechliches Werkzeug fuer die Pazifikation des noch nicht untertaenigen kleinasiatischen Gebiets, bis er hier im Jahre 729 (25) seinen Tod fand. Mit ihm endigte das galatische Koenigtum und verwandelte sich dasselbe in die roemische Provinz Galatien.
Gallograeker heissen die Bewohner desselben bei den Roemern schon in der letzten Zeit der Republik; sie sind, fuegt Livius hinzu, ein Mischvolk, wie sie heissen, und aus der Art geschlagen. Auch musste ein guter Teil derselben von den aelteren phrygischen Bewohnern dieser Landschaften abstammen. Mehr noch faellt ins Gewicht, dass die eifrige Goetterverehrung in Galatien und das dortige Priestertum mit den sakralen Institutionen der europaeischen Kelten nichts gemein hat; nicht bloss die Grosse Mutter, deren heiliges Symbol die Roemer der hannibalischen Zeit von den Tolistobogern erbaten und empfingen, ist phrygischer Art, sondern auch deren Priester gehoerten zum Teil wenigstens dem galatischen Adel an. Dennoch war noch in der roemischen Provinz in Galatien die innere Ordnung ueberwiegend die keltische. Dass noch unter Pius in Galatien die dem hellenischen Recht fremde strenge vaeterliche Gewalt bestand, ist ein Beweis dafuer aus dem Kreise des Privatrechts. Auch in den oeffentlichen Verhaeltnissen gab es in dieser Landschaft immer noch nur die drei alten Gemeinden der Tektosagen, der Tolistoboger, der Trokmer, die wohl ihren Namen die der drei Hauptoerter Ankyra, Pessinus und Tauion beisetzen, aber wesentlich doch nichts sind als die wohlbekannten gallischen Gaue, die des Hauptorts ja auch nicht entbehren. Wenn bei den Kelten Asiens die Auffassung der Gemeinde als Stadt frueher als bei den europaeischen das Uebergewicht gewinnt ^10 und der Name Ankyra rascher den der Tektosagen verdraengt als in Europa der Name Burdigala den der Bituriger, dort Ankyra sogar als Vorort der gesamten Landschaft sich die “Mutterstadt” (m/e/tropolis) nennt, so zeigt dies allerdings, wie das ja auch nicht anders sein konnte, die Einwirkung der griechischen Nachbarschaft und den beginnenden Assimilationsprozess, dessen einzelne Phasen zu verfolgen die uns gebliebene oberflaechliche Kunde nicht gestattet. Die keltischen Namen halten sich bis in die Zeit des Tiberius, nachher erscheinen sie nur vereinzelt in den vornehmen Haeusern. Dass die Roemer seit Einrichtung der Provinz wie in Gallien nur die lateinische, so in Galatien neben dieser nur die griechische Sprache im Geschaeftsverkehr zuliessen, versteht sich von selbst. Wie es frueher damit gehalten ward, wissen wir nicht, da vorroemische Schriftmaeler in dieser Landschaft ueberhaupt nicht begegnen. Als Umgangssprache hat die keltische sich auch in Asien mit Zaehigkeit behauptet ^11; doch gewann allmaehlich das Griechische die Oberhand. Im vierten Jahrhundert war Ankyra eines der Hauptzentren der griechischen Bildung; “die kleinen Staedte in dem griechischen Galatien”, sagt der bei Vortraegen fuer das gebildete Publikum grau gewordene Literat Themistios, “koennen sich ja freilich mit Antiocheia nicht messen; aber die Leute eignen die Bildung sich eifriger an als die richtigen Hellenen, und wo sich der Philosophenmantel zeigt, haengen sie an ihm wie das Eisen am Magnet.” Dennoch mag bis in eben diese Zeit, namentlich jenseits des Halys bei den offenbar viel spaeter hellenisierten Trokmern ^12, sich in den niederen Kreisen die Volkssprache gehalten haben. Es ist schon erwaehnt worden, dass nach dem Zeugnis des vielgewanderten Kirchenvaters Hieronymus noch am Ende des 4. Jahrhunderts der asiatische Galater die gleiche, wenn auch verdorbene Sprache redete, welche damals in Trier gesprochen ward. Dass als Soldaten die Galater, wenn sie auch mit den Okzidentalen keinen Vergleich aushielten, doch weit brauchbarer waren als die griechischen Asiaten, dafuer zeugt sowohl die Legion, welche Koenig Deiotarus aus seinen Untertanen nach roemischem Muster aufgestellt hatte und die Augustus mit dem Reiche uebernahm und in die roemische Armee unter dem bisherigen Namen einreihte, wie auch dass bei der orientalischen Rekrutierung der Kaiserzeit die Galater ebenso vorzugsweise herangezogen wurden wie im Okzident die Bataver ^13.
—————————————————- ^10 Das beruehmte Verzeichnis der der Gemeinde Ankyra gemachten Leistungen aus Tiberius’ Zeit (CIG 4039) bezeichnet die galatischen Gemeinden gewoehnlich mit ethnos, zuweilen mit polis. Spaeter verschwindet jene Benennung; aber in der vollen Titulatur, zum Beispiel der Inschrift CIG 4011 aus dem zweiten Jahrhundert, fuehrt Ankyra immer noch den Volksnamen: /e/ m/e/tropolis t/e/s Galatias Sebast/e/ Tekt/o/sag/o/n Agkyra. ^11 Nach Pausanias (10, 36, 1) heisst bei den Galatai yper PHrygias ph/o/n/e/ t/e/ epich/o/ri/o/ spisin die Scharlachbeere ?s; und Lukian (Alex. 51) berichtet von den Verlegenheiten des wahrsagenden Paphlagoniers, wenn ihm Syristi /e/ Keltisti Fragen vorgelegt wurden und nicht gleich dieser Sprache kundige Leute zur Hand waren.
^12 Wenn in dem Anm. 10 erwaehnten Verzeichnis aus Tiberius’ Zeit die Spenden nur selten drei Voelkern, meist zwei Voelkern oder zwei Staedten gegeben werden, so sind, wie G. Perrot (Exploration archeologique de la Galane et de la Bithynie. Paris 1862, S. 83) richtig bemerkt, die letzteren Ankyra und Pessinus und steht bei den Spenden hinter ihnen Tauion der Trokmer zurueck. Vielleicht gab es damals bei diesen noch keine Ortschaft, die als Stadt gelten konnte. ^13 Auch Cicero (Att. 6, S, 3) schreibt von seiner Armee in Kilikien: exercitum infirmum habebam, auxilia sane bona, sed ea Galatarum, Pisidarum, Lyciorum: haec enim sunt nostra robora.
—————————————————- Den aussereuropaeischen Hellenen gehoeren ferner noch die beiden grossen Eilande des oestlichen Mittelmeers Kreta und Kypros an sowie die zahlreichen des Inselmeers zwischen Griechenland und Kleinasien; auch die kyrenaeische Pentapolis an der gegenueberliegenden afrikanischen Kueste ist durch die umliegende Wueste von dem Binnenlande so geschieden, dass sie jenen griechischen Inseln einigermassen gleichgestellt werden kann. Indes der allgemeinen geschichtlichen Auffassung fuegen diese Elemente der ungeheuren, unter dem Szepter der Kaiser vereinigten Laendermasse wesentlich neue Zuege nicht hinzu. Die kleineren Inseln, frueher und vollstaendiger hellenisiert als der Kontinent, gehoeren ihrem Wesen nach mehr zum europaeischen Griechenland als zum kleinasiatischen Kolonialgebiet; wie denn des hellenischen Musterstaats Rhodos bei jenem schon mehrfach gedacht worden ist. In dieser Epoche werden die Inseln hauptsaechlich genannt, insofern es in der Kaiserzeit ueblich ward, Maenner aus den besseren Staenden zur Strafe nach denselben zu verbannen. Man waehlte, wo der Fall besonders schwer war, die Klippen wie Gyaros und Donussa; aber auch Andros, Kythnos, Amorgos, einst bluehende Zentren griechischer Kultur, waren jetzt Strafplaetze, waehrend in Lesbos und Samos nicht selten vornehme Roemer und selbst Glieder des kaiserlichen Hauses freiwillig laengeren Aufenthalt nahmen. Kreta und Kypros, deren alter Hellenismus unter der persischen Herrschaft oder auch in voelliger Isolierung die Fuehlung mit der Heimat verloren hatte, ordneten sich, Kypros als Dependenz Aegyptens, die kretischen Staedte autonom, in der hellenistischen und spaeter in der roemischen Epoche nach den allgemeinen Formen der griechischen Politie. In den kyrenaeischen Staedten ueberwog das System der Lagiden; wir finden in ihnen nicht bloss, wie in den eigentlich griechischen, die hellenischen Buerger und Metoeken, sondern es stehen neben beiden, wie in Alexandreia die Aegypter, die “Bauern”, das heisst die eingeborenen Afrikaner, und unter den Metoeken bilden, wie ebenfalls in Alexandreia, die Juden eine zahlreiche und privilegierte Klasse. Den Griechen insgemein hat auch das roemische Kaiserregiment niemals eine Vertretung gewaehrt. Die augustische Amphiktyonie beschraenkte sich, wie wir sahen, auf die Hellenen in Achaia, Epirus und Makedonien. Wenn die hadrianischen Panhellenen in Athen sich als die Vertretung der saemtlichen Hellenen gerierten, so haben sie doch in die uebrigen griechischen Provinzen nur insofern uebergegriffen, als sie einzelnen Staedten in Asia sozusagen das Ehren- Hellenentum dekretierten; und dass sie dies taten, zeigt erst recht, dass die auswaertigen Griechengemeinden in jene Panhellenen keineswegs einbegriffen sind. Wenn in Kleinasien von Vertretung oder Vertretern der Hellenen die Rede ist, so ist damit in den vollstaendig hellenisch geordneten Provinzen Asia und Bithynia der Landtag und der Landtagsvorsteher dieser Provinzen gemeint, insofern diese aus den Deputierten der zu einer jeden derselben gehoerigen Staedte hervorgehen und diese saemtlich griechische Politien sind ^14; oder es werden in der nichtgriechischen Provinz Galatien die neben dem galatischen Landtag stehenden Vertreter der in Galatien verweilenden Griechen als Griechenvorsteher bezeichnet ^15.
—————————————————- ^14 Beschluesse der epi t/e/s Asias Ell/e/nes CIA 3487, 3957; ein Lykier geehrt ypo to? koino? t/o/n epi t/e/s Asias Ell/e/n/o/n kai ypo t/o/n en Pamphylia pole/o/n O. Benndorf, Reisen in Lykien und Karien. Wien 1884. Bd. 1, S. 122; Schreiben an die Hellenen in Asia CIG 3832, 3833; /o/ andres Ell/e/nes, in der Anrede an den Landtag von Pergamon (Aristeid. or. p. 517). Ein arxas to? koino? t/o/n en Bithynia Ell/e/n/o/n Perrot, Exploration, S. 32; Schreiben des Kaisers Alexander an dasselbe (dig. 49, 1, 25). Dio 51, 20: tois xenois, Ell/e/nas sphas epikalesas, eayt/o/ tina, tois men Asianois en Pergam/o/, tois de Bithynois en Nikomedeia temenisai epetrepse. ^15 Ausser den Galatarchen (Marquardt, Staatsverwaltung. Bd. 1, S. 515) begegnen uns in Galatien noch unter Hadrian Helladarchen (BCH 7, 1883, S. 18), welche hier nur gefasst werden koennen wie die Hellenarchen in Tanais. —————————————————- Der staedtischen Konfoederation hatte die roemische Regierung in Kleinasien keine Veranlassung, besondere Hindernisse entgegenzustellen. In roemischer wie in vorroemischer Zeit haben neun Staedte der Troas gemeinschaftlich religioese Verrichtungen vollzogen und gemeinschaftliche Feste gefeiert ^16. Die Landtage der verschiedenen kleinasiatischen Provinzen, welche hier wie in dem gesamten Reich als feste Einrichtung von Augustus ins Leben gerufen sein werden, sind von denen der uebrigen Provinzen an sich nicht verschieden. Doch hat diese Institution sich hier in eigenartiger Weise entwickelt oder vielmehr denaturiert. Mit dem naechsten Zweck dieser Jahresversammlungen der staedtischen Deputierten einer jeden Provinz ^17, die Wuensche derselben dem Statthalter oder der Regierung zur Kenntnis zu bringen und ueberhaupt als Organ dieser Provinz zu dienen, verband sich hier zuerst die jaehrliche Festfeier fuer den regierenden Kaiser und das Kaisertum ueberhaupt: Augustus gestattete im Jahre 725 (29) den Landtagen von Asia und Bithynien an ihren Versammlungsorten Pergamon und Nikomedeia, ihm Tempel zu errichten und goettliche Ehre zu erweisen. Diese neue Einrichtung dehnte sich bald auf das ganze Reich aus, und die Verschmelzung der sakralen Institution mit der administrativen wurde ein leitender Gedanke der provinzialen Organisation der Kaiserzeit. Aber in Priester- und Festpomp und staedtischen Rivalitaeten hat diese Einrichtung doch nirgends sich so entwickelt wie in der Provinz Asia und analog in den uebrigen kleinasiatischen Provinzen und nirgends also neben und ueber die munizipale sich eine provinziale Ambition mehr noch der Staedte als der Individuen gestellt, wie sie in Kleinasien das gesamte oeffentliche Leben beherrscht. Der von Jahr zu Jahr in der Provinz bestellte Hohepriester (archiere?s) des neuen Tempels ist nicht bloss der vornehmste Wuerdentraeger der Provinz, sondern es wird auch in der ganzen Provinz das Jahr nach ihm bezeichnet ^18. Das Fest- und Spielwesen nach dem Muster der olympischen Feier, welches bei den Hellenen allen, wie wir sahen, mehr und mehr um sich griff, knuepfte in Kleinasien ueberwiegend an die Feste und Spiele des provinzialen Kaiserkultus an. Die Leitung derselben fiel dem Landtagspraesidenten, in Asia dem Asiarchen, in Bithynien dem Bithyniarchen und so weiter zu, und nicht minder trug er hauptsaechlich die Kosten des Jahrfestes, obwohl ein Teil derselben, wie die uebrigen dieses so glaenzenden wie loyalen Gottesdienstes, durch freiwillige Gaben und Stiftungen gedeckt oder auch auf die einzelnen Staedte repartiert wurden. Daher waren diese Praesidenturen nur reichen Leuten zugaenglich; die Wohlhabenheit der Stadt Tralleis wird dadurch bezeichnet, dass an Asiarchen – der Titel blieb auch nach Ablauf des Amtsjahrs – es nie daselbst fehle, die Geltung des Apostels Paulus in Ephesos durch seine Verbindung mit verschiedenen dortigen Asiarchen. Trotz der Kosten war dies eine viel umworbene Ehrenstellung, nicht wegen der daran geknuepften Privilegien, zum Beispiel der Befreiung von der Vormundschaft, sondern wegen ihres aeusseren Glanzes; der festliche Einzug in die Stadt, im Purpurgewand und den Kranz auf dem Haupt, unter Vortritt der das Rauchfass schwingenden Prozessionsknaben, war im Horizont der Kleinasiaten, was bei den Hellenen der Oelzweig von Olympia. Mehrfach ruehmt sich dieser oder jener vornehme Asiate, nicht bloss selber Asiarch gewesen zu sein, sondern auch von Asiarchen abzustammen. Wenn sich dieser Kultus anfaenglich auf die Provinzialhauptstaedte beschraenkte, so sprengte die munizipale Ambition, die namentlich in der Provinz Asia unglaubliche Verhaeltnisse annahm, sehr bald diese Schranken. Hier wurde schon im Jahre 23 dem damals regierenden Kaiser Tiberius sowie seiner Mutter und dem Senat ein zweiter Tempel von der Provinz dekretiert und nach langem Hader der Staedte durch Beschluss des Senats in Smyrna errichtet. Die anderen groesseren Staedte folgten bei spaeteren Gelegenheiten nach ^19. Hatte bis dahin die Provinz wie nur einen Tempel, so auch nur einen Vorsteher und einen Oberpriester gehabt, so mussten jetzt nicht bloss so viele Oberpriester bestellt werden, als es Provinzialtempel gab, sondern es wurden auch, da die Leitung des Tempelfestes und die Ausrichtung der Spiele nicht dem Oberpriester, sondern dem Landesvorsteher zustand und es den rivalisierenden Grossstaedten hauptsaechlich um die Feste und Spiele zu tun war, saemtlichen Oberpriestern zugleich der Titel und das Recht der Vorsteherschaft gegeben, so dass wenigstens in Asia die Asiarchie und das Oberpriestertum der Provinzialtempel zusammenfielen ^20. Damit traten der Landtag und die buergerlichen Geschaefte, von welchen die Institution ihren Ausgang genommen hatte, in den Hintergrund; der Asiarch war bald nichts mehr als der Ausrichter eines an die goettliche Verehrung der gewesenen und des gegenwaertigen Kaisers angeknuepften Volksfestes, weshalb dann auch die Gemahlin desselben, die Asiarchin, sich an der Feier beteiligen durfte und eifrig beteiligte.
———————————————————— ^16 Das synedrion t/o/n ennea d/e/m/o/n (H. Schliemann, Troja. Leipzig 1883, S. 256) nennt sich anderswo Ilieis kai poleis ai koinono?sai t/e/s thysias kai toi ag/o/nos kai t/e/s paneg?re/o/s (daselbst, S. 254). Ein anderes Dokument desselben Bundes aus der Zeit des Antigonos bei J. G. Droysen, Geschichte des Hellenismus. 2. Aufl. Gotha 1877. Bd. 2, S. 382ff. Ebenso werden andere koina zu fassen sein, die auf einen engeren Kreis als die Provinz sich beziehen, wie das alte der dreizehn ionischen Staedte, das der Lesbier (Marquardt, Staatsverwaltung, Bd. 1, S. 516), das der Phrygier auf den Muenzen von Apameia. Ihre magistratischen Praesidenten haben auch diese gehabt, wie denn kuerzlich sich ein Lesbiarch gefunden hat (Marquardt, a. a.O.) und ebenso die moesischen Hellenen unter einem Pontarchen standen. Doch ist es nicht unwahrscheinlich, dass, wo der Archontat genannt wird, der Bund mehr ist als eine blosse Festgenossenschaft; die Lesbier sowohl wie die moesischen Fuenfstaedte moegen einen besonderen Landtag gehabt haben, dem diese Beamten vorstanden. Dagegen ist das koinon to? Yrgaleoy pedioy (W. M. Ramsay, Cities and bishoprics of Phrygia. Oxford 1895, S. 10), das neben mehreren d/e/moi steht, eine des Stadtrechts entbehrende Quasi-Gemeinde.
^17 Am deutlichsten tritt die Zusammensetzung der kleinasiatischen Landtage hervor in Strabons (14, 3, 3 p. 664) Bericht ueber die Lykiarchie und bei Aristeides’ (or. 26 p. 344) Erzaehlung seiner Wahl zu einem der asiatischen Provinzialpriestertuemer.
^18 Beispiele fuer Asia: CIG 3487; fuer Lykien: Benndorf, Reisen, Bd. 1, S. 71. Die lykische Bundesversammlung aber bezeichnet die Jahre nicht nach dem Archiereus, sondern nach dem Lykiarchen. ^19 Tac. ann. 4, 15 u. 55. Die Stadt, welche einen von dem Landtag der Provinz (dem koinon t/e/s Asias usw.) gewidmeten Tempel besitzt, fahrt deswegen das Ehrenpraedikat der den (Kaiser-) Tempel huetenden” (ne/o/koros); und wenn eine deren mehrere aufzuweisen hat, wird die Zahl beigesetzt. Man kann an diesem Institut deutlich erkennen, wie der Kaiserkultus seine volle Ausbildung in Kleinasien erhalten hat. Der Sache nach ist das Neokorat allgemein, auf jede Gottheit und jede Stadt anwendbar; titular, als Ehrenbeiname der Stadt, begegnet es mit verschwindenden Ausnahmen allein in dem kleinasiatischen Kaiserkultus – nur einige griechische Staedte der Nachbarprovinzen, wie Tripolis in Syrien, Thessalonike in Makedonien haben darin mitgemacht. ^20 So wenig die urspruengliche Verschiedenheit der Landtagspraesidentur und des provinzialen Oberpriestertums fuer den Kaiserkultus in Zweifel gezogen werden kann, so tritt doch nicht bloss bei jener der in Hellas, von wo die Organisation der koina ueberhaupt ausgeht, noch deutlich erkennbare magistratische Charakter des Vorstehers in Kleinasien voellig zurueck, sondern es scheint hier in der Tat da, wo das koinon mehrere sakrale Mittelpunkte hat, der Asiarch/e/s und der archiere?s t/e/s Asias sich verschmolzen zu haben. Die das buergerliche Amt scharf akzentuierende Titulatur strat/e/gos fuehrt der Praesident des koinon in Kleinasien nie, auch arxas to? koino? (Anm. 14) oder to? ethnoys (CIG 4380 k4 p. 1168) ist selten; die Komposita Asiarch/e/s, Lykiarch/e/s, analog dem Elladarch/e/s von Achaia, sind schon zu Strabons Zeit die gebraeuchliche Bezeichnung. Dass in den kleineren Provinzen, wie Galatien und Lykien der Archon und der Archiereus der Provinz getrennt geblieben sind, ist gewiss. Aber in Asien ist das Vorhandensein von Asiarchen fuer Ephesos und Smyrna inschriftlich festgestellt (Marquardt, Staatsverwaltung, Bd. 1, S. 514), waehrend es doch nach dem Wesen der Institution nur einen Asiarchen fuer die ganze Provinz geben konnte. Auch ist hier die Agonothesie des Archiereus beglaubigt (Galenus zum Hippokrates, usu. part. 18, 2 p. 567 Kuehn: par’ /e/min en Pergam/o/ t/o/n archiere/o/n tas kaloymenas monomachias epitelo?nt/o/n), waehrend eben sie das Wesen des Asiarchats ist. Allem Anschein nach haben die Rivalitaeten der Staedte hier dahin gefuehrt, dass, nachdem es mehrere von der Provinz gewidmete Kaisertempel in verschiedenen Staedten gab, die Agonothesie dem effektiven Landtagspraesidenten genommen und dafuer dem Oberpriester jedes Tempels der titulare Asiarchat und die Agonothesie uebertragen ward. Dann erklaert sich auf den Muenzen der dreizehn ionischen Staedte (Mionnet, Bd. 3, 61, 1) der Asiarch/e/s kai archiere?s ig’ pole/o/n und kann auf ephesischen Inschriften derselbe Ti. Iulius Reginus bald Asiarch/e/s b’ na/o/n t/o/n en Ephes/o/ (Wood, Inscriptions from the great theatre, n. 18), bald archiere?s b’ na/o/n t/o/n en Ephes/o/ (daselbst, n. 8, 14, aehnlich 9) genannt werden. Nur auf diese Weise sind auch die Institutionen des vierten Jahrhunderts zu begreifen. Hier erscheint in jeder Provinz ein Oberpriester, in Asia mit dem Titel des Asiarchen, in Syrien mit dem des Syriarchen und so weiter. Wenn die Verschmelzung des Archon und des Archiereus in der Provinz Asia schon frueher begonnen hatte, so lag nichts naeher, als sie jetzt bei der Verkleinerung der Provinzen aeberall in dieser Weise zu kombinieren. ———————————————————— Auch eine praktische und in Kleinasien durch das hohe Ansehen dieser Institution gesteigerte Bedeutung mag das provinziale Oberpriestertum fuer den Kaiserkultus gehabt haben durch die damit verknuepfte religioese Oberaufsicht. Nachdem der Landtag den Kaiserkultus einmal beschlossen und die Regierung eingewilligt hatte, folgten selbstverstaendlich die staedtischen Vertretungen nach; in Asia hatten bereits unter Augustus wenigstens alle Vororte der Gerichtssprengel ihr Caesareum und ihr Kaiserfest ^21. Recht und Pflicht des Oberpriesters war es, in seinem Sprengel die Ausfuehrung dieser provinzialen und munizipalen Dekrete und die Uebung des Kultus zu ueberwachen; was dies zu bedeuten hatte, erlaeutert die Tatsache, dass der freien Stadt Kyzikos in Asia unter Tiberius die Autonomie unter anderem auch darum aberkannt ward, weil sie den dekretierten Bau des Tempels des Gottes Augustus hatte liegenlassen – vielleicht eben, weil sie als freie Stadt nicht unter dem Landtag stand. Wahrscheinlich hat sogar diese Oberaufsicht, obwohl sie zunaechst dem Kaiserkultus galt, sich auf die Religionsangelegenheiten ueberhaupt erstreckt ^22. Als dann der alte und der neue Glaube im Reiche um die Herrschaft zu ringen begannen, ist deren Gegensatz wohl zunaechst durch das provinziale Oberpriestertum zum Konflikt geworden. Diese aus den vornehmen Provinzialen von dem Landtag der Provinz bestellten Priester waren durch ihre Traditionen wie durch ihre Amtspflichten weit mehr als die Reichsbeamten berufen und geneigt, auf Vernachlaessigung des anerkannten Gottesdienstes zu achten und, wo Abmahnung nicht half, da sie selber eine Strafgewalt nicht hatten, die nach buergerlichem Recht strafbare Handlung bei den Orts- oder den Reichsbehoerden zur Anzeige zu bringen und den weltlichen Arm zu Hilfe zu rufen, vor allem den Christen gegenueber die Forderungen des Kaiserkultus geltend zu machen. In der spaeteren Zeit schreiben die altglaeubigen Regenten diesen Oberpriestern sogar ausdruecklich vor, selbst und durch die ihnen unterstellten staedtischen Priester die Kontraventionen gegen die bestehende Glaubensordnung zu ahnden und weisen denselben genau die Rolle zu, welche unter den Kaisern des neuen Glaubens der Metropolit und seine staedtischen Bischoefe einnehmen ^23. Wahrscheinlich hat hier nicht die heidnische Ordnung die christlichen Institutionen kopiert, sondern umgekehrt die siegende christliche Kirche ihr hierarchisches Ruestzeug dem feindlichen Arsenal entnommen. Alles dies galt, wie bemerkt, fuer das ganze Reich; aber die sehr praktischen Konsequenzen der provinzialen Regulierung des Kaiserkultus, die religioese Aufsichtfuehrung und die Verfolgung der Andersglaeubigen, sind vorzugsweise in Kleinasien gezogen worden. ———————————————————- ^21 CIG 3902b.
^22 Dion von Prusa (or. 35 p. 66 R.) nennt die Asiarchen und die analogen Archonten (ihre Agonothesie bezeichnet er deutlich, und auf sie fuehren auch die verdorbenen Worte to?s epon?moys t/o/n d?o /e/peir/o/n t/e/s esperas ol/e/s, wofuer wohl zu schreiben ist t/e/s eteras ol/e/s) to?s apant/o/n archontas t/o/n iere/o/n. Es fehlt bekanntlich bei der Bezeichnung der Provinzialpriester fast stehend die ausdrueckliche Beziehung auf den Kaiserkult; wenn sie in ihren Sprengeln die Rolle spielen sollten wie der Pontifex maximus in Rom, so hatte das seinen guten Grund.
^23 Maximinus stellte zu diesem Zweck dem Oberpriester der einzelnen Provinz militaerische Hilfe zur Verfuegung (Eus. hist. eccl. 8, 14, 9); und der beruehmte Brief Julians (epist. 49; vgl. epist. 63) an den damaligen Galatarchen gibt ein deutliches Bild der Obliegenheiten desselben. Er soll das ganze Religionswesen der Provinz beaufsichtigen; dem Statthalter gegenueber seine Selbstaendigkeit wahren, nicht bei ihm antichambrieren, ihm nicht gestatten mit militaerischer Eskorte im Tempel aufzutreten, ihn nicht vor, sondern in dem Tempel empfangen, innerhalb dessen er der Herr und der Statthalter Privatmann ist; von den Unterstuetzungen, die die Regierung fuer die Provinz ausgeworfen hat (30000 Scheffel Getreide und 60000 Sextarien Wein) den fuenften Teil an die in die Klientel der heidnischen Priester tretenden Armen spenden, das Uebrige sonst zu mildtaetigen Zwecken verwenden; in jeder Stadt der Provinz womoeglich mit Beihilfe der Privaten Verpflegungshaeuser (xenodocheia) nicht bloss fuer Heiden, sondern fuer jedermann ins Leben rufen und den Christen nicht ferner das Monopol der guten Werke gestatten; die saemtlichen Priester der Provinz durch Beispiel und Ermahnung ueberhaupt zum gottesfuerchtigen Wandel und zur Vermeidung des Besuchs der Theater und der Schenken anhalten und insbesondere zum fleissigen Besuch der Tempel mit ihrer Familie und ihrem Gesinde oder, wenn sie nicht zu bessern sind, sie absetzen. Es ist ein Hirtenbrief in bester Form, nur mit veraenderter Adresse und mit Zitaten aus Homer statt aus der Bibel. So deutlich diese Anordnungen den Stempel des bereits zusammenbrechenden Heidentums an sich tragen und so gewiss sie in dieser Ausdehnung der frueheren Epoche fremd sind, so erscheint doch das Fundament, die allgemeine Oberaufsicht des Oberpriesters der Provinz ueber das Kultwesen, keineswegs als eine neue Einrichtung.
———————————————————- Neben dem Kaiserkultus fand auch die eigentliche Gottesverehrung in Kleinasien in bevorzugter Weise ihre Statt und namentlich alle ihre Auswuechse eine Freistatt. Das Unwesen der Asyle und der Wunderkuren hatte ganz besonders hier seinen Sitz. Unter Tiberius wurde die Beschraenkung der ersteren vom roemischen Senat angeordnet; der Heilgott Asklepios tat nirgends mehr und groessere Wunder als in seiner vielgeliebten Stadt Pergamon, die ihn geradezu als Zeus Asklepios verehrte und ihre Bluete in der Kaiserzeit zum guten Teil ihm verdankte. Die wirksamsten Wundertaeter der Kaiserzeit, der spaeter kanonisierte Kappadokier Apollonios von Tyana, sowie der paphlagonische Drachenmann Alexandros von Abonuteichos sind Kleinasiaten. Wenn das allgemeine Verbot der Assoziationen, wie wir sehen werden, in Kleinasien mit besonderer Strenge durchgefuehrt ward, so wird die Ursache wohl hauptsaechlich in den religioesen Verhaeltnissen zu suchen sein, die den Missbrauch solcher Vereinigungen dort besonders nahelegten.
Die oeffentliche Sicherheit ruhte im wesentlichen auf dem Lande selbst. In der frueheren Kaiserzeit stand, abgesehen von dem das oestliche Kilikien einschliessenden syrischen Kommando, in ganz Kleinasien nur ein Detachement von 5000 Mann Auxiliartruppen, die in der Provinz Galatien garnisonierten ^24, nebst einer Flotte von 40 Schiffen; es war dies Kommando bestimmt, teils die unruhigen Pisidier niederzuhalten, teils die nordoestliche Reichsgrenze zu decken und die Kueste des Schwarzen Meeres bis zur Krim unter Aufsicht zu halten. Vespasian brachte diese Truppe auf den Stand eines Armeekorps von zwei Legionen und legte deren Staebe in die Provinz Kappadokien an den oberen Euphrat. Ausser diesen fuer die Grenzhut bestimmten Mannschaften gab es damals namhafte Garnisonen in Vorderasien nicht; in der kaiserlichen Provinz Lykien und Pamphylien zum Beispiel stand eine einzige Kohorte von 500 Mann, in den senatorischen Provinzen hoechstens einzelne aus der kaiserlichen Garde oder aus den benachbarten Kaiserprovinzen zu speziellen Zwecken abkommandierte Soldaten ^25. Wenn dies einerseits fuer den inneren Frieden dieser Provinzen auf das nachdruecklichste zeugt und den ungeheuren Abstand der kleinasiatischen Buergerschaften von den ewig unruhigen Hauptstaedten Syriens und Aegyptens deutlich vor Augen fuehrt, so erklaert es andererseits die schon in anderer Verbindung hervorgehobene Stabilitaet des Raeuberwesens in dem durchaus gebirgigen und im Innern zum Teil oeden Lande, namentlich an der mysisch-bithynischen Grenze und in den Bergtaelern Pisidiens und Isauriens. Eigentliche Buergerwehren gab es in Kleinasien nicht. Trotz des Florierens der Turnanstalten fuer Knaben, Juenglinge und Maenner blieben die Hellenen dieser Zeit in Asia so unkriegerisch wie in Europa ^26. Man beschraenkte sich darauf, fuer die Aufrechterhaltung der oeffentlichen Sicherheit staedtische Eirenarchen, Friedensmeister, zu kreieren und ihnen eine Anzahl zum Teil berittener staedtischer Gendarmen zur Verfuegung zu stellen, gedungene Mannschaften von geringem Ansehen, welche aber doch brauchbar gewesen sein muessen, da Kaiser Marcus es nicht verschmaehte, bei dem bitteren Mangel an gedienten Leuten waehrend des Markomannenkrieges diese kleinasiatischen Stadtsoldaten in die Reichstruppen einzureihen ^27. ————————————————- ^24 Diese Truppe kann nach der Stellung bei Josephus (bel. Iud. 2,16, 4) zwischen den nicht mit Garnison belegten Provinzen Asia und Kappadokien nur auf Galatien bezogen werden. Natuerlich gab sie auch die Detachements, welche in den abhaengigen Gebieten am Kaukasus standen, damals -unter Nero- wie es scheint, auch die auf dem Bosporus selbst stehenden, wobei freilich auch das moesische Korps beteiligt war.
^25 Praetorianer stationaribus Ephesi: Eph. epigr. IV, n. 70. Ein Soldat in statione Nicomedensi: Plin. ep. ad Trai. 74. Ein Legionarcenturio in Byzantium: daselbst 77, 78.
^26 In dem kleinasiatischen Munizipalwesen kommt alles vor, nur nicht das Waffenwesen. Der smyrnaeische strat/e/gos epi t/o/n opl/o/n ist natuerlich eine Reminiszenz so gut wie der Kultus des Herakles oploph?lax (CIG 3162). ^27 Der Eirenarch von Smyrna sendet, um den Polykarpos zu verhaften, diese Gendarmen aus: ex/e/lth/o/n diogmitai kai ippeis meta t/o/n syn/e/th/o/n aytois opl/o/n, /o/s epi l/e/st/e/n trechontes (Acta mart., S. 39). Dass sie nicht die eigentliche soldatische Ruestung hatten, wird auch sonst bemerkt (Amm. 27, 9, 6: adbibitis semiermibus quibusdam – gegen die Isaurer – quos diogmitas appellaut). Von ihrer Verwendung im Markomannenkrieg berichtet der Biograph des Marcus c. 26: armavit et diogmitas und die Inschrift von Aezani in Phrygien CIG 3031 a 8 = Lebas-Waddington 992: parasch/o/n t/o/ kyr/o/ Kaisari s?mmachon di/o/gmeit/e/n par’ eayto?.
————————————————- Die Justizpflege sowohl der staedtischen Behoerden wie der Statthalter liess auch in dieser Epoche vieles zu wuenschen uebrig; doch bezeichnet das Eintreten der Kaiserherrschaft darin eine Wendung zum Besseren. Das Eingreifen der Reichsgewalt hatte unter der Republik sich auf die strafrechtliche Kontrolle der Reichsbeamten beschraenkt und diese besonders in spaeterer Zeit schwaechlich und parteiisch geuebt oder vielmehr nicht geuebt. Jetzt wurden nicht bloss in Rom die Zuegel schaerfer angezogen, indem die strenge Beaufsichtigung der eigenen Beamten von dem einheitlichen Militaerregiment unzertrennlich war und auch der Reichssenat zu schaerferer Ueberwachung der Amtspflege seiner Mandatare veranlasst wurde, sondern es wurde jetzt moeglich, die Missgriffe der Provinzialgerichte im Wege der neu eingefuehrten Appellation zu beseitigen oder auch, wo unparteiisches Gericht in der Provinz nicht erwartet werden konnte, den Prozess nach Rom vor das Kaisergericht zu ziehen ^28. Beides kam auch den senatorischen Provinzen zugute und ist allem Anschein nach ueberwiegend als Wohltat empfunden worden.
———————————————————– ^28 In Knidos (BCH 7, 1883, S. 62) hatten im Jahre 741/42 (13/12) einige, wie es scheint, angesehene Buerger das Haus eines ihnen persoenlich Verfeindeten drei Naechte hindurch gestuermt; bei der Abwehr hatte einer der Sklaven des belagerten Hauses durch ein aus dem Fenster geworfenes Gefaess den einen der Angreifer getoetet. Die Besitzer des belagerten Hauses wurden darauf des Totschlags angeklagt, perhorreszierten aber, da sie die oeffentliche Meinung gegen sich hatten, das staedtische Gericht und verlangten die Entscheidung durch den Spruch des Kaisers Augustus. Dieser liess die Sache durch einen Kommissar untersuchen und sprach die Angeklagten frei, wovon er die Behoerde in Knidos in Kenntnis setzte mit der Bemerkung, dass sie die Angelegenheit nicht unparteiisch behandelt haetten, und sie anwies, sich nach seinem Spruche zu verhalten. Das ist allerdings, da Knidos eine freie Stadt war, ein Eingreifen in deren souveraene Rechte, wie auch in Athen Appellation an den Kaiser und sogar an den Prokonsul in hadrianischer Zeit statthaft war. Aber wer die Justizverhaeltnisse einer Griechenstadt dieser Epoche und dieser Stellung erwaegt, wird nicht zweifeln, dass durch derartiges Eingreifen wohl mancher ungerechte Spruch veranlasst, aber viel haeufiger ein solcher verhindert ward. ———————————————————– Wie bei den Hellenen Europas, so ist in Kleinasien die roemische Provinz wesentlich ein Komplex staedtischer Gemeinden. Wie in Hellas werden auch hier die ueberkommenen Formen der demokratischen Politie im allgemeinen festgehalten, die Beamten zum Beispiel auch ferner von den Buergerschaften gewaehlt, ueberall aber der bestimmende Einfluss in die Haende der Begueterten gelegt und dem Belieben der Menge so wie dem ernstlichen politischen Ehrgeiz kein Spielraum gestattet. Unter den Beschraenkungen der munizipalen Autonomie ist den kleinasiatischen Staedten eigentuemlich, dass den schon erwaehnten Eirenarchen, den staedtischen Polizeimeister, spaeterhin der Statthalter aus einer von dem Rat der Stadt aufgestellten Liste von zehn Personen ernannte. Die Regierungskuratel der staedtischen Finanzverwaltung, die kaiserliche Bestellung eines nicht der Stadt selbst angehoerigen Vermoegenspflegers (curator rei publicae, logist/e/s), dessen Konsens die staedtischen Behoerden bei wichtigeren Vermoegenshandlungen einzuholen haben, ist niemals allgemein, sondern nach Beduerfnis fuer diese oder jene Stadt angeordnet worden, in Kleinasien aber entsprechend der Bedeutung seiner staedtischen Entwicklung besonders frueh, das heisst seit dem Anfang des 2. Jahrhunderts, und besonders umfassend eingetreten. Wenigstens im 3. Jahrhundert mussten auch hier wie anderswo sonstige wichtige Beschluesse der Gemeindeverwaltung dem Statthalter zur Bestaetigung unterbreitet werden. Uniformierung der Gemeindeverfassung hat die roemische Regierung nirgends und am wenigsten in den hellenischen Landschaften durchgefuehrt; auch in Kleinasien herrschte darin grosse Mannigfaltigkeit und vermutlich vielfach das Belieben der einzelnen Buergerschaften, obwohl fuer die derselben Provinz angehoerigen Gemeinden das eine jede Provinz organisierende Gesetz allgemeine Normen vorschrieb. Was der Art von Institutionen als in Kleinasien verbreitet und vorherrschend diesem Landesteil eigentuemlich angesehen werden kann, traegt keinen politischen Charakter, sondern ist nur etwa fuer die sozialen Verhaeltnisse bezeichnend, wie die ueber ganz Kleinasien verbreiteten Verbaende teils der aelteren, teils der juengeren Buerger, die Gerusia und die Neoi, Ressourcen fuer die beiden Altersklassen mit entsprechenden Turnplaetzen und Festen ^29. Autonome Gemeinden gab es in Kleinasien von Haus aus bei weitem weniger als in dem eigentlichen Hellas, und namentlich die bedeutendsten kleinasiatischen Staedte haben diese zweifelhafte Auszeichnung niemals gehabt oder doch frueh verloren, wie Kyzikos unter Tiberius, Samos durch Vespasian. Kleinasien war eben altes Untertanengebiet und unter den persischen wie unter den hellenischen Herrschern an monarchische Ordnung gewoehnt; weniger als in Hellas fuehrte hier unnuetzes Erinnern und unklares Hoffen hinaus ueber den beschraenkten munizipalen Horizont der Gegenwart, und nicht vieles der Art stoerte den friedlichen Genuss des unter den bestehenden Verhaeltnissen moeglichen Lebensglueckes.
———————————————- ^29 Die in kleinasiatischen Inschriften oft erwaehnte Gerusia hat mit der von Lysimachos in Ephesos getroffenen gleichnamigen politischen Einrichtung (Strab. 14, 1, 21 p. 640; Wood, Ephesus. Inscriptions from the temple of Diana, n. 19) nichts weiter gemein; den Charakter derselben in roemischer Zeit bezeichnet teils Vitruvius (2, 8, 10): Croesi (damum) Sardiani civibus ad requiescendum aetatis otio seniorum collegio gerusiam dedicaverunt, teils die in der lykischen Stadt Sidyma kuerzlich gefundene Inschrift (Benndorf, Reisen, Bd. 1, S. 71), wonach Rat und Volk beschliessen, wie das Gesetz es fordert, eine Gerusia einzurichten und in diese 50 Buleuten und 50 andere Buerger einzuwaehlen, welche dann einen Gymnasiarchen der neuen Gerusia bestellen. Dieser auch sonst begegnende Gymnasiarch sowie der Hymnode der Gerusia (Menadier, Qua condicione Ephesii usi sint, p. 51) sind unter den uns bekannten Aemtern dieser Koerperschaft die einzigen fuer ihre Beschaffenheit charakteristischen. Analog, aber weniger angesehen, sind die Kollegien der neoi die auch ihre eigenen Gymnasiarchen haben. Zu den beiden Aufsehern der Turnplaetze fuer die erwachsenen Buerger machen den Gegensatz die Gymnasiarchen der Epheben (Menadier, p. 91). Gemeinschaftliche Mahlzeiten und Feste (auf die der Hymnode sich bezieht) fehlten natuerlich namentlich bei der Gerusia nicht. Sie ist keine Armenversorgung, aber auch kein der munizipalen Aristokratie reserviertes Kollegium charakteristisch fuer die Weise des buergerlichen Verkehrs der Griechen, bei welchen der Turnplatz etwa ist, was in unseren kleinen Staedten die Buergercasinos.
———————————————- Solchen Lebensglueckes gab es in Kleinasien unter dem roemischen Kaiserregiment die Fuelle. “Keine Provinz von allen”, sagt ein in Smyrna unter den Antoninen lebender Schriftsteller, “hat so viele Staedte aufzuweisen wie die unsrige und keine solche wie unsere groessten. Ihr kommen zugute die reizende Gegend, die Gunst des Klimas, die mannigfaltigen Produkte, die Lage im Mittelpunkt des Reiches, ein Kranz ringsum befriedeter Voelker, die gute Ordnung, die Seltenheit der Verbrechen, die milde Behandlung der Sklaven, die Ruecksicht und das Wohlwollen der Herrscher.” Asia hiess, wie schon gesagt ward, die Provinz der fuenfhundert Staedte, und wenn das wasserlose, zum Teil nur zur Weide geeignete Binnenland Phrygiens, Lykaoniens, Galatiens, Kappadokiens auch in jener Zeit nur duenn bevoelkert war, stand die uebrige Kueste hinter Asia nicht weit zurueck. Die dauernde Bluete der kulturfaehigen Landschaften Kleinasiens erstreckt sich nicht bloss auf die Staedte glaenzenden Namens, wie Ephesos, Smyrna, Laodikeia, Apameia; wo immer ein von der Verwuestung der anderthalb Jahrtausende, die uns von jener Zeit trennen, vergessener Winkel des Landes sich der Forschung erschliesst, da ist das erste und das maechtigste Gefuehl das Entsetzen, fast moechte man sagen die Scham ueber den Kontrast der elenden und jammervollen Gegenwart mit dem Glueck und dem Glanz der vergangenen Roemerzeit. Auf einer abgelegenen Bergspitze unweit der lykischen Kueste, da, wo nach der griechischen Fabel die Chimaera hauste, lag das alte Kragos, wahrscheinlich nur aus Balken und Lehmziegeln gebaut und darum spurlos verschwunden bis auf die zyklopische Festungsmauer am Fuss des Huegels. Unter der Kuppe breitet ein anmutiges fruchtbares Tal sich aus, mit frischer Alpenluft und suedlicher Vegetation, umgeben von Wald- und wildreichen Bergen. Als unter Kaiser Claudius Lykien Provinz ward, verlegte die roemische Regierung die Bergstadt, das “gruene Kragos” des Horaz, in diese Ebene; auf dem Marktplatz der neuen Stadt Sidyma stehen noch die Reste des viersaeuligen, dem Kaiser damals gewidmeten Tempels und einer stattlichen Saeulenhalle, welche ein von dort gebuertiger, als Arzt zu Vermoegen gelangter Buerger in seiner Vaterstadt baute. Statuen der Kaiser und verdienter Mitbuerger schmueckten den Markt; es gab in der Stadt einen Tempel ihrer Schutzgoetter, der Artetuis und des Apollon, Baeder, Turnanstalten (gymnasia) fuer die aeltere wie fuer die juengere Buergerschaft; von den Toren zogen sich an der Hauptstrasse, die steil am Gebirge hinab nach dem Hafen Kalabatia fuehrte, zu beiden Seiten Reihen hin von steinernen Grabmonumenten, stattlicher und kostbarer als die Pompeiis und grossenteils noch aufrecht, waehrend die vermutlich wie die der Altstadt aus vergaenglichem Material gebauten Haeuser verschwunden sind. Auf den Stand und die Art der einstmaligen Bewohner gestattet einen Schluss ein kuerzlich dort aufgefundener, wahrscheinlich unter Commodus gefasster Gemeindebeschluss ueber die Konstituierung der Ressource fuer die aelteren Buerger; dieselbe wurde zusammengesetzt aus hundert zur Haelfte dem Stadtrat, zur Haelfte der uebrigen Buergerschaft entnommenen Mitgliedern, darunter nicht mehr als drei Freigelassene und ein Bastardkind, alle uebrigen in rechter Ehe erzeugt und zum Teil nachweislich alten und wohlhabenden Buergerhaeusern angehoerig. Einzelne dieser Familien sind zum roemischen Buergerrecht gelangt, eine sogar in den Reichssenat. Aber auch im Ausland blieb dieses senatorische Haus sowohl wie verschiedene aus Sidyma gebuertige auswaerts und selbst am kaiserlichen Hof beschaeftigte Aerzte der Heimat eingedenk, und mehrere derselben haben ihr Leben daselbst beschlossen; einer dieser angesehenen Stadtbuerger hat in einem nicht gerade vortrefflichen, aber sehr gelehrten und sehr patriotischen Elaborat die Legenden der Stadt und die sie betreffenden Weissagungen zusammengefasst und diese Memorabilien oeffentlich aufstellen lassen. Dies Kragos-Sidyma stimmte auf dem Landtag der kleinen lykischen Provinz nicht unter den Staedten erster Klasse, war ohne Theater, ohne Ehrentitel und ohne jene allgemeinen Feste, die in der damaligen Welt die Grossstadt bezeichnen, auch nach der Auffassung der Alten eine kleine Provinzialstadt und durchaus eine Schoepfung der roemischen Kaiserzeit. Aber im ganzen Vilajet Aidin ist heute kein Binnenort, der fuer zivilisierte Existenz auch nur entfernt diesem Bergstaedtchen, wie es war, an die Seite gestellt werden koennte. Was in diesem abgeschiedenen Fleck noch heute leben dig vor Augen steht, das ist in einer ungezaehlten Menge anderer Staedte unter der verwuestenden Menschenhand bis auf geringe Reste oder auch spurlos verschwunden. Einen gewissen Ueberblick dieser Fuelle gewaehrt die den Staedten in Kupfer freigegebene Muenzpraegung der Kaiserzeit: keine Provinz kann in der Zahl der Muenzstaetten und der Mannigfaltigkeit der Darstellungen sich auch nur von weitem mit Asia messen.
Freilich fehlt diesem Aufgehen aller Interessen in der heimatlichen Kleinstadt die Kehrseite so wenig in Kleinasien wie bei den europaeischen Griechen. Was ueber deren Gemeindeverwaltung gesagt ist, gilt in der Hauptsache auch hier. Der staedtischen Finanzwirtschaft, die sich ohne rechte Kontrolle weiss, fehlt Stetigkeit und Sparsamkeit und oft selbst die Ehrlichkeit; bei den Bauten werden bald die Kraefte der Stadt ueberschritten, bald auch das Noetigste unterlassen; die kleineren Buerger gewoehnen sich an die Spenden der Stadtkasse oder der vermoegenden Leute, an das freie Oel in den Baedern, an Buergerschmaeuse und Volksbelustigungen aus fremder Tasche, die guten Haeuser an die Klientel der Menge mit ihren demuetigen Huldigungen, ihren Bettelintrigen, ihren Spaltungen; Rivalitaeten bestehen wie zwischen Stadt und Stadt, so in jeder Stadt zwischen den einzelnen Kreisen und den einzelnen Haeusern; die Bildung von Armenvereinen und von freiwilligen Feuerwehren, wie sie im Okzident ueberall bestanden, wagt die Regierung in Kleinasien nicht einzufuehren, weil das Faktionswesen hier sich jeder Assoziation sofort bemaechtigt. Der stille See wird leicht zum Sumpf, und das Fehlen des grossen Wellenschlags der allgemeinen Interessen ist auch in Kleinasien deutlich zu spueren. Kleinasien, insbesondere Vorderasien, war eines der reichsten Gebiete des grossen Roemerstaats. Wohl hatte das Missregiment der Republik, die dadurch hervorgerufenen Katastrophen der mithradatischen Zeit, dann das Piratenunwesen, endlich die vieljaehrigen Buergerkriege, welche finanziell wenige Provinzen so schwer betroffen hatten wie diese, die Vermoegensverhaeltnisse der Gemeinden und der Einzelnen daselbst so vollstaendig zerruettet, dass Augustus zu dem aeussersten Mittel der Niederschlagung aller Schuldforderungen griff; auch machten mit Ausnahme der Rhodier alle Asiaten von diesem gefaehrlichen Heilmittel Gebrauch. Aber das wiedereintretende Friedensregiment glich vieles aus. Nicht ueberall – die Inseln des Aegaeischen Meers zum Beispiel haben sich nie seitdem wieder erholt -, aber in den meisten Orten waren, schon als Augustus starb, die Wunden wie die Heilmittel vergessen, und in diesem Zustand blieb das Land drei Jahrhunderte bis auf die Epoche der Gotenkriege. Die Summen, zu welchen die Staedte Kleinasiens angesetzt waren und die sie selbst, allerdings unter Kontrolle des Statthalters, zu repartieren und aufzubringen hatten, bildeten eine der bedeutendsten Einnahmequellen der Reichskasse. Wie die Steuerlast sich zu der Leistungsfaehigkeit der Besteuerten verhielt, vermoegen wir nicht zu konstatieren; eigentliche dauernde Ueberbuerdung aber vertraegt sich nicht mit den Zustaenden, in denen wir das Land bis gegen die Mitte des 3. Jahrhunderts finden. Mehr vielleicht noch die Schlaffheit des Regiments als absichtliche Schonung mag die fiskalische Beschraenkung des Verkehrs und die nicht bloss fuer den Besteuerten unbequeme Anziehung der Steuerschraube in Schranken gehalten haben. Bei grossen Kalamitaeten, namentlich bei den Erdbeben, welche unter Tiberius zwoelf bluehende Staedte Asias, vor allem Sardes, unter Pius eine Anzahl karischer und lykischer und die Inseln Kos und Rhodos entsetzlich heimsuchten, trat die Privat- und vor allem die Reichshilfe mit grossartiger Freigebigkeit ein und spendete den Kleinasiaten den vollen Segen des Grossstaats, die Samtverbuergung aller fuer alle. Der Wegebau, den die Roemer bei der ersten Einrichtung der Provinz Asia durch Manius Aquillius in Angriff genommen hatten, ist in der Kaiserzeit in Kleinasien nur da ernstlich gefoerdert worden, wo groessere Besatzungen standen, namentlich in Kappadokien und dem benachbarten Galatien, seit Vespasian am mittleren Euphrat Legionslager eingerichtet hatte ^30. In den uebrigen Provinzen ist dafuer nicht viel geschehen, zum Teil ohne Zweifel in Folge der Schlaffheit des senatorischen Regiments; wo immer hier Wege von Staatswegen gebaut wurden, geschah es auf kaiserliche Anordnung ^31.
——————————————————– ^30 Die Meilensteine beginnen hier mit Vespasian (CIL III, 306) und sind seitdem zahlreich namentlich von Domitian bis auf Hadrian. ^31 Am deutlichsten zeigen dies die in der Senatsprovinz Bithynien unter Nero und Vespasian durch den kaiserlichen Prokurator ausgefuehrten Wegebauten (CIL III, 346; Eph. epigr. V, n. 96). Aber auch bei den Wegebauten in den senatorischen Provinzen Asia und Kypros wird der Senat nie genannt, und es wird dafuer dasselbe angenommen werden duerfen. Im dritten Jahrhundert ist hier wie ueberall der Bau auch der Reichsstrassen auf die Kommunen uebergegangen (Smyrna: CIL III, 471; Thyateira: BCH 1, 1877, S. 101; Paphos: CIL III, 218). ——————————————————– Diese Bluete Kleinasiens ist nicht das Werk einer Regierung von ueberlegener Einsicht und energischer Tatkraft. Die politischen Einrichtungen, die gewerblichen und kommerziellen Anregungen, die literarische und kuenstlerische Initiative gehoeren in Kleinasien durchaus den alten Freistaedten oder den Attaliden. Was die roemische Regierung dem Lande gegeben hat, war wesentlich der dauernde Friedensstand und die Duldung des Wohlstandes im Innern, die Abwesenheit derjenigen Regierungsweisheit, die jedes gesunde Paar Arme und jedes ersparte Geldstueck betrachtet als ihren unmittelbaren Zwecken von Rechts wegen verfallen – negative Tugenden keineswegs hervorragender Persoenlichkeiten, aber oftmals dem gemeinen Gedeihen erspriesslicher als die Grosstaten der selbstgesetzten Vormuender der Menschheit. Der Wohlstand Kleinasiens beruhte in schoenem Gleichgewicht ebenso auf der Bodenkultur wie auf der Industrie und dem Handel. Die Gunst der Natur ist insbesondere den Kuestenlandschaften in reichstem Masse zuteil geworden, und vielfach zeigt es sich, mit wie emsigem Fleiss auch unter schwierigeren Verhaeltnis sen, zum Beispiel in dem felsigen Tal des Eurymedon in Pamphylien von den Buergern von Selge, jedes irgend brauchbare Bodenstueck ausgenutzt ward. Die Erzeugnisse der kleinasiatischen Industrie sind zu zahlreich und zu mannigfaltig, um bei den einzelnen zu verweilen ^32; erwaehnt mag werden, dass die ungeheuren Triften des Binnenlandes mit ihren Schaf- und Ziegenherden Kleinasien zum Hauptland der Wollindustrie und der Weberei ueberhaupt gemacht haben – es genuegt zu erinnern an die milesische und die galatische, das ist die Angorawolle, die attalischen Goldstickereien, die nach nervischer, das heisst flandrischer Art in den Fabriken des phrygischen Laodikeia gefertigten Tuche. Dass in Ephesos fast ein Aufstand ausgebrochen waere, weil die Goldschmiede von dem neuen Christenglauben Beschaedigung ihres Absatzes von Heiligenbildern befuerchteten, ist bekannt. In Philadelpheia, einer bedeutenden Stadt Lydiens, kennen wir von den sieben Quartieren die Namen zweier: es sind die der Wollenweber und der Schuster. Wahrscheinlich tritt hier zu Tage, was bei den uebrigen Staedten unter aelteren und vornehmeren Namen sich versteckt, dass die bedeutenderen Staedte Asias durchgaengig nicht bloss eine Menge Handwerker, sondern auch eine zahlreiche Fabrikbevoelkerung in sich schlossen. Der Geld- und Handelsverkehr ruhte in Kleinasien hauptsaechlich auf der eigenen Produktion. Der grosse auslaendische Import und Export Syriens und Aegyptens war hier in der Hauptsache ausgeschlossen, wenn auch aus den oestlichen Laendern mancherlei Artikel, zum Beispiel durch die galatischen Haendler eine betraechtliche Zahl von Sklaven nach Kleinasien eingefuehrt wurden ^33. Aber wenn die roemischen Kaufleute hier, wie es scheint, in jeder grossen und kleinen Stadt, selbst in Orten wie Ilion und Assos in Mysien, Prymnessos und Traianopolis in Phrygien, in solcher Zahl zu finden waren, dass ihre Vereine neben der Stadtbuergerschaft bei oeffentlichen Akten sich zu beteiligen pflegen; wenn in Hierapolis im phrygischen Binnenland ein Fabrikant (ergast/e/s) auf sein Grab schreiben liess, dass er zweiundsiebzigmal in seinem Leben um Kap Malea nach Italien gefahren sei, und ein roemischer Dichter den Kaufmann der Hauptstadt schildert, welcher nach dem Hafen eilt, um den Geschaeftsfreund aus dem nicht weit von Hierapolis entfernten Kibyra nicht in die Haende von Konkurrenten fallen zu lassen, so oeffnet sich damit ein Einblick in ein reges gewerbliches und kaufmaennisches Treiben nicht bloss in den Hoefen. Von dem stetigen Verkehr mit Italien zeugt auch die Sprache; unter den in Kleinasien gangbar gewordenen lateinischen Woertern ruehren nicht wenige aus solchem Verkehr her, wie denn in Ephesos sogar die Gilde der Wollenweber sich lateinisch benennt ^34. Lehrer aller Art und Aerzte kamen nach Italien und den uebrigen Laendern lateinischer Zunge vorzugsweise von hier und gewannen nicht bloss oftmals bedeutendes Vermoegen, sondern brachten dies auch in ihre Heimat zurueck; unter denen, welchen die Staedte Kleinasiens Bauwerke oder Stiftungen verdanken, nehmen die reich gewordenen Aerzte ^35 und Literaten einen hervorragenden Platz ein. Endlich die Auswanderung der grossen Familien nach Italien hat Kleinasien weniger und spaeter betroffen als den Okzident; aus Vienna und Narbo siedelte man leichter nach der Hauptstadt des Reiches ueber als aus den griechischen Staedten, und auch die Regierung war in frueherer Zeit nicht eben geneigt, die vornehmen Munizipalen Kleinasiens an den Hof zu ziehen und sie in die roemische Aristokratie einzufuehren.
————————————————— ^32 Die Christen des Kuestenstaedtchens Korykos im Rauhen Kilikien pflegten, gegen den allgemeinen Gebrauch, ihren Grabschriften regelmaessig den Stand beizusetzen. Auf den dort von Langlois und neuerdings von Duchesne (BCH 7,1883, S. 230f.) aufgenommenen Grabschriften finden sich ein Schreiber (notarios), ein Weinhaendler (oinemporos) zwei PHlhaendler (eleop/o/l/e/s) ein Gemuesehaendler (lachanop/o/l/e/s), ein Fruchthaendler (op/o/rop/o/l/e/s), zwei Kraemer (kap/e/los), fuenf Goldschmiede (ayrarios dreimal, chrysochoos zweimal), wovon einer auch Presbyter ist, vier Kupferschmiede (chalkotypos einmal, chalke?s dreimal), zwei Instrumentenmacher (armenoraphos), fuenf Toepfer (kerame?s), von denen einer als Arbeitgeber (ergodot/e/s) bezeichnet wird, ein anderer zugleich Presbyter ist ein Kleiderhaendler (imatiop/o/l/e/s) zwei Leinwandhaendler (linop/o/l/e/s)drei Weber (othoniakos), ein Wollarbeiter (ereoyrgos), zwei Schuster (kaligarios, kaltarios), ein Kuerschner (inioraphos, wohl fuer /e/nioraphos, pellio), ein Schiffer (na?kl/e/ros), eine Hebamme (iatrin/e/); ferner ein Gesamtgrab der hochansehnlichen Geldwechsler (s?sstema t/o/n eygenestat/o/n trapezit/o/n). So sah es daselbst im 5. und 6. Jahrhundert aus.
^33 Dieser fuer das 4. Jahrhundert bezeugte Verkehr (Amm. 22, 7 8; Claudianus in Eutr. 1, 59) ist ohne Zweifel aelter. Anderer Art ist es, dass, wie Philostratos (Vita Apoll. 8, 7, 12) angibt, die nicht griechischen Bewohner von Phrygien ihre Kinder an die Sklavenhaendler verkauften. ^34 Synergasia t/o/n lanari/o/n (Wood, Ephesus. City, n. 4). Auch auf den Inschriften von Korykos (Anm. 32) sind lateinische Handwerkerbenennungen haeufig. Die Stufe heisst grados den phrygischen Inschriften CIG 3900, 39021. ^35 Einer von diesen ist Xenophon, des Herakleitos Sohn, von Kos, bekannt aus Tacitus (ann. 12, 61. 67) und Plinius (nat. 29,1, 7) und einer Reihe von Denkmaelern seiner Heimat (BCH 5, 1881, S. 468). Als Leibarzt (archiatros, welcher Titel hier zuerst begegnet) des Kaisers Claudius gewann er solchen Einfluss, dass er mit seiner aerztlichen Taetigkeit die einflussreiche Stellung des kaiserlichen Kabinettssekretaer fuer die griechische Korrespondenz verband (epi t/o/n Ell/e/nikan apokrimat/o/n vgl. Suidas unter Dion?sios Alexandreys) und nicht bloss fuer seinen Bruder und Oheim das roemische Buergerrecht und Offiziersteilen von Ritterrang und fuer sich ausser dem Ritterpferd und dem Offiziersrang noch die Dekoration des Goldkranzes und des Speers bei dem britannischen Triumph erwirkte, sondern auch fuer seine Heimat die Steuerfreiheit. Sein Grabmal steht auf der Insel, und seine dankbaren Landsleute setzten ihm und den Seinigen Statuen und schlugen zu seinem Gedaechtnis Muenzen mit seinem Bildnis. Er ist es, der den todkranken Claudius durch weitere Vergiftung umgebracht haben soll und demgemaess, als ihm wie seinem Nachfolger gleich wert, auf seinen Denkmaelern nicht bloss wie ueblich “Kaiserfreund” (philosebastos) heisst, sondern speziell Freund des Claudius (philokla?dios) und des Nero (philoner/o/n, dies nach sicherer Restitution). Sein Bruder, dem er in dieser Stellung folgte, bezog ein Gehalt von 500000 Sesterzen (100000 Mark), versicherte aber dem Kaiser, dass er nur ihm zuliebe die Stellung angenommen haette, da seine Stadtpraxis ihm 100000 Sesterzen mehr eingetragen habe. Trotz der enormen Summen, die die Brueder ausser fuer Kos namentlich fuer Neapel aufgewendet hatten, hinterliessen sie ein Vermoegen von 30 Mill. Sesterzen (6´ Mill. Mark).
————————————————— Wenn wir absehen von der wunderbaren Fruehbluete, in welcher das ionische Epos und die aeolische Lyrik, die Anfaenge der Geschichtschreibung und der Philosophie, der Plastik und der Malerei an diesen Gestaden keimten, so war in der Wissenschaft wie in der Kunstuebung die grosse Zeit Kleinasiens die der Attaliden, welche die Erinnerung jener noch groesseren Epoche treulich pflegte. Wenn Smyrna seinem Buerger Homeros goettliche Verehrung erwies, auch Muenzen auf ihn schlug und nach ihm nannte, so drueckt sich darin die Empfindung aus, die ganz Ionien und ganz Kleinasien beherrschte, dass die goettliche Kunst ueberhaupt in Hellas und im Besonderen in Ionien auf die Erde niedergestiegen sei. Wie frueh und in welchem Umfang fuer den Elementarunterricht in diesen Gegenden oeffentlich gesorgt worden ist, veranschaulicht ein denselben betreffender Beschluss der Stadt Teos ^36 in Lydien. Danach soll, nachdem die Kapitalschenkung eines reichen Buergers die Stadt dazu instand gesetzt hat, in Zukunft neben dem Turninspektor (gymnasiarch/e/s) weiter das Ehrenamt eines Schulinspektors (paidonomos) eingerichtet werden. Ferner sollen mit Besoldung angestellt werden drei Schreiblehrer mit Gehalten, je nach den drei Klassen, von 600, 550 und 500 Drachmen, damit im Schreiben saemtliche freie Knaben und Maedchen unterwiesen werden koennen; ebenfalls zwei Turnmeister mit je 500 Drachmen Gehalt, ein Musiklehrer mit Gehalt von 700 Drachmen, welcher die Knaben der beiden letzten Schuljahre und die aus der Schule entlassenen Juenglinge im Lautenschlagen und Zitherspielen unterweist, ein Fechtlehrer mit 300 und ein Lehrer fuer Bogenschiessen und Speerwerfen mit 250 Drachmen Besoldung. Die Schreib- und der Musiklehrer sollen jaehrlich im Rathaus ein oeffentliches Examen der Schueler abhalten. Das ist das Kleinasien der Attalidenzeit; aber die roemische Republik hat deren Arbeit nicht fortgesetzt. Sie liess ihre Siege ueber die Galater nicht durch den Meissel verewigen, und die pergamenische Bibliothek kam kurz vor der Aktfischen Schlacht nach Alexandreia; viele der besten Keime sind in der Verwuestung der Mithradatischen und der Buergerkriege zugrunde gegangen. Erst in der Kaiserzeit regenerierte sich mit dem Wohlstande Kleinasiens wenigstens aeusserlich die Pflege der Kunst und vor allem der Literatur. Einen eigentlichen Primat, wie ihn als Universitaetsstadt Athen besass, im Kreise der wissenschaftlichen Forschung Alexandreia, fuer Schauspiel und Ballett die leichtfertige Hauptstadt Syriens, kann keine der zahlreichen Staedte Kleinasiens nach irgendeiner Richtung hin in Anspruch nehmen; aber die allgemeine Bildung ist wahrscheinlich nirgends weiter verbreitet und eingreifender gewesen. Den Lehrern und den Aerzten Befreiung von den mit Kosten verbundenen staedtischen Aemtern und Auftraegen zu gewaehren, muss in Asia frueh ueblich geworden sein; an diese Provinz ist der Erlass des Kaisers Pius gerichtet, welcher, um der fuer die staedtischen Finanzen offenbar sehr beschwerlichen Exemtion Schranken zu setzen, Maximalzahlen dafuer vorschreibt, zum Beispiel den Staedten erster Klasse gestattet, bis zu zehn Aerzten, fuenf Lehrmeistern der Rhetorik und fuenf der Grammatik diese Immunitaet zu gewaehren. Dass in dem Literatentum der Kaiserzeit Kleinasien in erster Reihe steht, beruht auf dem Rhetoren- oder, nach dem spaeterhin ueblichen Ausdruck, dem Sophistenwesen der Epoche, das wir Neueren uns nicht leicht vergegenwaertigen. An die Stelle der Schriftstellerei, die ziemlich aufgehoert hat, etwas zu bedeuten, ist der oeffentliche Vortrag getreten, von der Art etwa unserer heutigen Universitaets- und akademischen Reden, ewig sich neu erzeugend und nur ausnahmsweise gelagert, einmal gehoert und beklatscht und dann auf immer vergessen. Den Inhalt gibt haeufig die Gelegenheit, der Geburtstag des Kaisers, die Ankunft des Statthalters, jedes oeffentliche oder private analoge Ereignis; noch haeufiger wird ohne jede Veranlassung ins Blaue hinein ueber alles geredet, was nicht praktisch und nicht lehrhaft ist. Politische Rede gibt es fuer diese Zeit ueberhaupt nicht, nicht einmal im roemischen Senat. Die Gerichtsrede ist den Griechen nicht mehr der Zielpunkt der Redekunst, sondern steht neben der Rede um der Rede willen als vernachlaessigte und plebejische Schwester, zu der sich ein Meister jener gelegentlich einmal herablaesst. Der Poesie, der Philosophie, der Geschichte wird entnommen, was sich gemeinplaetzig behandeln laesst, waehrend sie alle selbst ueberhaupt wenig und am wenigsten in Kleinasien gepflegt und noch weniger geachtet neben der reinen Wortkunst und von ihr durchseucht verkuemmern. Die grosse Vergangenheit der Nation betrachten diese Redner sozusagen als ihr Sondergut; sie verehren und behandeln den Homer einigermassen wie die Rabbiner die Buecher Moses, und auch in der Religion befleissigen sie sich eifrigster Orthodoxie. Getragen werden diese Vortraege durch alle erlaubten und unerlaubten Hilfsmittel des Theaters, die Kunst der Gestikulation und der Modulation der Stimme, die Pracht des Rednerkostuems, die Kunstgriffe des Virtuosentums, das Faktionswesen, die Konkurrenz, die Claque. Dem grenzenlosen Selbstgefuehl dieser Wortkuenstler entspricht die lebhafte Teilnahme des Publikums, welche derjenigen fuer die Rennpferde nur wenig nachsteht, und der voellig nach Theaterart dieser Teilnahme gegebene Ausdruck; und die Stetigkeit, womit dergleichen Exhibitionen in den groesseren Orten den Gebildeten vorgefuehrt werden, fuegt sie, ebenfalls wie das Theater, ueberall in die staedtischen Lebensgewohnheiten ein. Wenn vielleicht an den Eindruck, welchen in unseren bewegtesten Grossstaedten die obligaten Reden ihrer gelehrten Koerperschaften hervorrufen, sich dies untergegangene Phaenomen fuer unser Verstaendnis einigermassen anknuepfen laesst, so fehlt doch in den heutigen Verhaeltnissen ganz, was in der alten Welt weit die Hauptsache war: das didaktische Moment und die Verknuepfung des zwecklosen oeffentlichen Vortrags mit dem hoeheren Jugendunterricht. Wenn dieser heute, wie man sagt, den Knaben der gebildeten Klasse zum Professor der Philologie erzieht, so erzog er ihn damals zum Professor der Eloquenz, und zwar dieser Eloquenz. Denn die Schulung lief mehr und mehr darauf hinaus, dem Knaben die Fertigkeit beizubringen, ebensolche Vortraege, wie sie eben geschildert wurden, selber, womoeglich in beiden Sprachen, zu halten, und wer mit Nutzen den Kursus absolviert hatte, beklatschte in den analogen Leistungen die Erinnerung an die eigene Schulzeit. Diese Produktion umspannt zwar den Orient wie den Okzident; aber Kleinasien steht voran und gibt den Ton an. Als in der augustischen Zeit die Schulrhetorik in dem lateinischen Jugendunterricht der Hauptstadt Fuss fasste, waren die Haupttraeger neben Italienern und Spaniern zwei Kleinasiaten, Arellius Fuscus und Cestius Pius. Ebendaselbst, wo die ernsthafte Gerichtsrede sich in der besseren Kaiserzeit neben diesem Parasiten behauptete, weist ein geistvoller Advokat der flavischen Zeit auf die ungeheure Kluft hin, welche den Niketes von Smyrna und die andern in Ephesos und Mytilene beklatschten Redeschulmeister von Aeschines und Demosthenes trennt. Bei weitem die meisten und namhaftesten der gefeierten Rhetoren dieser Art sind von der Kueste Vorderasiens. Wie sehr fuer die Finanzen der kleinasiatischen Staedte die Schulmeisterlieferung fuer das ganze Reich ins Gewicht fiel, ist schon bemerkt worden. Im Laufe der Kaiserzeit steigt die Zahl und die Geltung dieser Sophisten bestaendig, und mehr und mehr gewinnen sie Boden auch im Okzident. Die Ursache davon liegt zum Teil wohl in der veraenderten Haltung der Regierung, die im zweiten Jahrhundert, insbesondere seit der nicht so sehr hellenisierenden als uebel kosmopolitisierenden hadrianischen Epoche, sich weniger ablehnend gegen das griechische und das orientalische Wesen verhielt als im ersten; hauptsaechlich aber in der immer zunehmenden Verallgemeinerung der hoeheren Bildung und der rasch sich vermehrenden Zahl der Anstalten fuer den hoeheren Jugendunterricht. Es gehoert also die Sophistik allerdings besonders nach Kleinasien und besonders in das Kleinasien des zweiten und dritten Jahrhunderts; nur darf in diesem Literatenprimat keine spezielle Eigentuemlichkeit dieser Griechen und dieser Epoche oder gar eine nationale Besonderheit gefunden werden. Die Sophistik sieht sich ueberall gleich, in Smyrna und Athen wie in Rom und Karthago; die Eloquenzmeister wurden verschickt wie die Lampenformen und das Fabrikat ueberall in gleicher Weise, nach Verlangen griechisch oder lateinisch, hergestellt, die Fabrikation dem Bedarf entsprechend gesteigert. Aber freilich lieferten diejenigen griechischen Landschaften, die an Wohlstand und Bildung voranstanden, diesen Exportartikel in bester Qualitaet und in groesster Quantitaet; von Kleinasien gilt dies fuer die Zeiten Sullas und Ciceros nicht minder wie fuer die Hadrians und der Antonine.
————————————————– ^36 Die Urkunde steht bei Dittenberger, SIG n. 349. Attalos II. machte eine aehnliche Stiftung in Delphi (BCH 5, 1881, S. 157). ————————————————– Indes ist auch hier nicht alles Schatten. Eben diese Landschaften besitzen zwar nicht unter den professionellen Sophisten, aber doch unter den Literaten anderer Richtung, die auch noch dort verhaeltnismaessig zahlreich sich finden, die besten Vertreter des Hellenismus, welche diese Epoche ueberhaupt aufweist, den Lehrer der Philosophie, Dion von Prusa, in Bithynien unter Vespasian und Traian und den Mediziner Galenos aus Pergamon, kaiserlicher Leibarzt am Hofe des Marcus und des Severus. Bei Galenos erfreut namentlich die feine Weise des Welt- und des Hofmanns in Verbindung mit einer allgemeinen literarischen und philosophischen Bildung, wie sie bei den Aerzten dieser Zeit ueberhaupt haeufig hervortritt ^37. An Reinheit der Gesinnung und Klarheit ueber die Lage der Dinge gibt der Bithyner Dion dem Gelehrten von Chaeroneia nichts nach, an Gestaltungskraft, an Feinheit und Schlagfertigkeit der Rede, an ernstem Sinn bei leichter Form, an praktischer Energie ist er ihm ueberlegen. Die besten seiner Schriften, die Phantasien von dem idealen Hellenen vor der Erfindung der Stadt und des Geldes, die Ansprache an die Rhodier, die einzigen uebriggebliebenen Vertreter des echten Hellenismus, die Schilderung der Hellenen seiner Zeit in der Verlassenheit von Olbia wie in der Ueppigkeit von Nikomedeia und von Tarsos, die Mahnungen an den Einzelnen zu ernster Lebensfuehrung und an alle zu eintraechtigem Zusammenhalten sind das beste Zeugnis dafuer, dass auch von dem kleinasiatischen Hellenismus der Kaiserzeit das Wort des Dichters gilt: untergehend sogar ist’s immer dieselbige Sonne. —————————————— ^37 Ein Arzt aus Smyrna, Hermogenes, des Charidemos Sohn (CIG 3311), schrieb nicht bloss 77 Baende medizinischen Inhalts, sondern daneben, wie sein Grabstein berichtet, historische Schriften: ueber Smyrna, ueber Homers Vaterland, ueber Homers Weisheit, ueber die Staedtegruendungen in Asia, in Europa, auf den Inseln, Itinerarien von Asien und von Europa, ueber Kriegslisten, chronologische Tabellen ueber die Geschichte Roms und Smyrnas. Ein kaiserlicher Leibarzt Menekrates (CIG 6607), dessen Herkunft nicht angegeben wird, begruendete, wie seine roemischen Verehrer ihm bescheinigen, die neue logische und zugleich empirische Medizin (idias logik/e/s enargo?s iatrik/e/s ktist/e/s) in seinen auf 156 Baende sich belaufenden Schriften. —————————————— 9. Kapitel
Die Euphratgrenze und die Parther
Der einzige Grossstaat, mit welchem das Roemische Reich grenzte, war das Reich von Iran ^1, ruhend auf derjenigen Nationalitaet, die im Altertum wie heutzutage am bekanntesten ist unter dem Namen der Perser, staatlich zusammengefasst durch das altpersische Koenigsgeschlecht der Achaemeniden und seinen ersten Grosskoenig Kyros, religioes geeinigt durch den Glauben des Ahura Mazda und des Mithra. Keines der alten Kulturvoelker hat das Problem der nationalen Einigung gleich frueh und gleich vollstaendig geloest. Suedlich reichten die iranischen Staemme bis an den Indischen Ozean, noerdlich bis zum Kaspischen Meer; nordoestlich war die innerasiatische Steppe der stete Kampfplatz der sesshaften Perser und der nomadischen Staemme Turans. Oestlich schieden maechtige Grenzgebirge sie von den Indern. Im westlichen Asien trafen frueh drei grosse Nationen jede ihrerseits vordraengend auf einander: die von Europa aus auf die kleinasiatische Kueste uebergreifenden Hellenen, die von Arabien und Syrien aus in noerdlicher und nordoestlicher Richtung vorschreitenden und das Euphrattal wesentlich ausfuellenden aramaeischen Voelkerschaften, endlich die nicht bloss bis zum Tigris wohnenden, sondern selbst nach Armenien und Kappadokien vorgedrungenen Staemme von Iran, waehrend andersartige Urbewohner dieser weitgedehnten Landschaften unter diesen Vormaechten erlagen und verschwanden. Ueber dieses weite Stammgebiet ging in der Epoche der Achaemeniden, dem Hoehepunkt der Herrlichkeit Irans, die iranische Herrschaft nach allen Seiten, insbesondere aber nach Westen weit hinaus. Abgesehen von den Zeiten, wo Turan ueber Iran die Oberhand gewann und die Seldschuken und Mongolen den Persern geboten, ist eigentliche Fremdherrschaft ueber den Kern der iranischen Staemme nur zweimal gekommen, durch den grossen Alexander und seine naechsten Nachfolger und durch die arabischen Kalifen, und beide Male nur auf verhaeltnismaessig kurze Zeit; die oestlichen Landschaften, in jenem Fall die Parther, in diesem die Bewohner des alten Baktrien warfen nicht bloss bald das Joch des Auslaenders wieder ab, sondern verdraengten ihn auch aus dem stammverwandten Westen.
————————————————- ^1 Die Vorstellung, dass das Roemer- und das Partherreich zwei nebeneinander stehende Grossstaaten sind und zwar die einzigen, die es gibt, beherrscht den ganzen roemischen Orient, namentlich die Grenzprovinzen. Greifbar tritt sie uns in der Johanneischen Apokalypse entgegen, in dem Nebeneinanderstellen wie des Reiters auf dem weissen Ross mit dem Bogen und des auf dem roten mit dem Schwert (6 2 3), so der Megistanen und der Chiliarchen (6, 15 vgl. 18, 23; 19, 18). Auch die Schlusskatastrophe ist gedacht als Ueberwaeltigung der Roemer durch die den Kaiser Nero zurueckfuehrenden Parther (c. 9,14;16,12) und Armageddon, was immer damit gemeint sein mag, als der Sammelplatz der Orientalen zu dem Gesamtangriff auf den Okzident. Allerdings deutet der im Roemischen Reich schreibende Verfasser diese wenig patriotischen Hoffnungen mehr an, als er sie ausspricht. ————————————————- Das durch die Parther regenerierte Perserreich fanden die Roemer vor, als sie in der letzten Zeit der Republik in Folge der Besetzung Syriens in unmittelbare Beruehrung mit Iran traten. Wir haben dieses Staats schon mehrfach frueherhin zu gedenken gehabt; hier ist der Ort, das Wenige zusammenzufassen, was ueber die Eigentuemlichkeit des auch fuer die Geschicke des Nachbarstaats so vielfach ausschlaggebenden Reiches sich erkennen laesst. Allerdings hat auf die meisten Fragen, die der Geschichtsforscher hier zu stellen hat, die Ueberlieferung keine Antwort. Die Okzidentalen geben ueber die inneren Verhaeltnisse ihrer parthischen Nachbarn und Feinde nur gelegentliche, in der Vereinzelung leicht irrefuehrende Notizen; und wenn die Orientalen es ueberhaupt kaum verstanden haben, die geschichtliche Ueberlieferung zu fixieren und zu bewahren, so gilt dies doppelt von der Arsakidenzeit, da diese den spaeteren Iranern mit der vorhergehenden Fremdherrschaft der Seleukiden zusammen als unberechtigte Usurpation zwischen der alt- und der neupersischen Herrschaftsperiode, den Achaemeniden und den Sassaniden gegolten hat; dies halbe Jahrtausend wird sozusagen aus der Geschichte Irans herauskorrigiert ^2 und ist wie nicht vorhanden.
———————————————- ^2 Dies gilt sogar einigermassen fuer die Chronologie. Die offizielle Historiographie der Sassaniden reduziert den Zeitraum zwischen dem letzten Dareios und dem ersten Sassaniden von 558 auf 266 Jahre (Tabari, Geschichte der Perser und Araber. Hrsg. v. Th. Noeldeke. Leiden 1879, S. 1). ———————————————- Der Standpunkt, den die Hofhistoriographen der Sassanidendynastie damit einnahmen, ist mehr der legitimistisch-dynastische des persischen Adels als derjenige der iranischen Nationalitaet. Freilich bezeichnen die Schriftsteller der ersten Kaiserzeit die Sprache der Parther, deren Heimat etwa dem heutigen Chorasan entspricht, als mitten inne stehend zwischen der medischen und der skythischen, das heisst als einen unreinen iranischen Dialekt; dem entsprechend galten sie als Einwanderer aus dem Land der Skythen und in diesem Sinne wird ihr Name auf fluechtige Leute gedeutet und der Gruender der Dynastie Arsakes zwar von einigen fuer einen Baktrer, von andern dagegen fuer einen Skythen von der Maeotis erklaert. Dass ihre Fuersten nicht in Seleukeia am Tigris ihre Residenz nahmen, sondern in der unmittelbaren Naehe bei Ktesiphon ihr Winterlager aufschlugen, wird darauf zurueckgefuehrt, dass sie die reiche Kaufstadt nicht mit skythischen Truppen haetten belegen wollen. Vieles in der Weise und den Ordnungen der Parther entfernt sich von der iranischen Sitte und erinnert an nomadische Lebensgewohnheiten: zu Pferde handeln und essen sie, und nie geht der freie Mann zu Fuss. Es laesst sich wohl nicht bezweifeln, dass die Parther, deren Namen allein von allen Staemmen dieser Gegend die heiligen Buecher der Perser nicht nennen, dem eigentlichen Iran fern stehen, in welchem die Achaemeniden und die Magier zu Hause sind. Der Gegensatz dieses Iran gegen das aus einem unzivilisierten und halb fremdartigen Distrikt herstammende Herrschergeschlecht und dessen naechstes Gefolge, dieser Gegensatz, den die roemischen Schriftsteller nicht ungern von den persischen Nachbarn uebernahmen, hat allerdings die ganze Arsakidenherrschaft hindurch bestanden und gegaert, bis er schliesslich ihren Sturz herbeifuehrte. Darum aber darf die Herrschaft der Arsakiden noch nicht als Fremdherrschaft gefasst werden. Dem parthischen Stamm und der parthischen Landschaft wurden keine Vorrechte eingeraeumt. Als Residenz der Arsakiden wird zwar auch die parthische Stadt Hekatompylos genannt; aber hauptsaechlich verweilten sie im Sommer in Ekbatana (Ramadan) oder auch in Rhagae gleich den Achaemeniden, im Winter, wie bemerkt, in der Lagerstadt Ktesiphon oder auch in Babylon an der aeussersten westlichen Grenze des Reiches. Das Erbbegraebnis in der Partherstadt Nisaea blieb; aber spaeter diente dafuer haeufiger Arbela in Assyrien. Die arme und ferne parthische Heimatlandschaft war fuer die ueppige Hofhaltung und die wichtigen Beziehungen zu dem Westen, besonders der spaeteren Arsakiden, in keiner Weise geeignet. Das Hauptland blieb auch jetzt Medien, eben wie unter den Achaemeniden. Mochten immer die Arsakiden skythischer Herkunft sein, mehr als auf das, was sie waren, kam darauf an, was sie sein wollten; und sie selber betrachteten und gaben sich durchaus als die Nachfolger des Kyros und des Dareios. Wie die sieben persischen Stammfuersten den falschen Achaemeniden beseitigt und durch die Erhebung des Dareios die legitime Herrschaft wiederhergestellt hatten, so mussten andere sieben die makedonische Fremdherrschaft gestuerzt und den Koenig Arsakes auf den Thron gesetzt haben. Mit dieser patriotischen Fiktion wird weiter zusammenhaengen, dass dem ersten Arsakes statt der skythischen die baktrische Heimat beigelegt ward. Die Tracht und die Etikette am Hof der Arsakiden war die des persischen; nachdem Koenig Mithradates I. seine Herrschaft bis zum Indus und Tigris ausgedehnt hatte, vertauschte die Dynastie den einfachen Koenigstitel mit dem des Koenigs der Koenige, wie ihn die Achaemeniden gefuehrt hatten, und die spitze skythische Kappe mit der hohen perlengeschmueckten Tiara; auf den Muenzen fuehrt der Koenig den Bogen wie Dareios. Auch die mit den Arsakiden in das Land gekommene, ohne Zweifel vielfach mit der alteinheimischen gemischte Aristokratie nahm persische Sitte und Tracht, meistens auch persische Namen an; von dem Partherheer, das mit Crassus stritt, heisst es, dass die Soldaten noch das struppige Haar nach skythischer Weise trugen, der Feldherr aber nach medischer Art mit in der Mitte gescheiteltem Haar und geschminktem Gesicht erschien. Die staatliche Ordnung, wie sie durch den ersten Mithradates festgestellt wurde, ist dementsprechend wesentlich diejenige der Achaemeniden. Das Geschlecht des Begruenders der Dynastie ist mit allem Glanz und mit aller Weihe angestammter und goettlich verordneter Herrschaft umkleidet: sein Name uebertraegt sich von Rechts wegen auf jeden seiner Nachfolger, und es wird ihm goettliche Ehre erwiesen; seine Nachfolger heissen darum auch Gottessoehne ^3 und ausserdem “Brueder des Sonnengottes und der Mondgoettin”, wie noch heute der Schah von Persien die Sonne im Titel fuehrt; das Blut eines Gliedes des Koenigsgeschlechts auch nur durch Zufall zu vergiessen, ist ein Sakrilegium – alles Ordnungen, die mit wenigen Abminderungen bei den roemischen Caesaren wiederkehren und vielleicht zum Teil von diesen der aelteren Grossherrschaft entlehnt sind.
——————————————- ^3 Die Unterkoenige der Persis heissen in der Titulatur stehend “Zag Alohin” (wenigstens sollen die aramaeischen Zeichen diesen vermutlich in der Aussprache persisch ausgedrueckten Worten entsprechen), Gottes Sohn (Mordtmann, Zeitschrift fuer Numismatik 4, 1877, S. 155 f.), und dem entspricht auf den griechischen Muenzen der Grosskoenige die Titulatur theopat/o/r. Auch die Bezeichnung “Gott” findet sich, wie bei den Seleukiden und den Sassaniden. Warum den Arsakiden ein Doppeldiadem beigelegt wird (Herodian 6, 2, 1), ist nicht aufgeklaert.
——————————————- Obwohl die koenigliche Wuerde also fest an das Geschlecht geknuepft ist, besteht dennoch eine gewisse Koenigswahl. Da der neue Herrscher sowohl dem Kollegium der “Verwandten des koeniglichen Hauses” wie dem Priesterrat angehoeren muss, um den Thron besteigen zu koennen, so wird ein Akt stattgefunden haben, wodurch vermutlich eben diese Kollegien selbst den neuen Herrscher anerkannten ^4. Unter den “Verwandten” sind wohl nicht bloss die Arsakiden selbst zu verstehen, sondern die “sieben Haeuser” der Achaemenidenordnung, Fuerstengeschlechter, welchen nach dieser die Ebenbuertigkeit und der freie Eintritt bei dem Grosskoenig zukommt und die auch unter den Arsakiden aehnliche Privilegien gehabt haben werden ^5. Diese Geschlechter waren zugleich Inhaber von erblichen Kronaemtern ^6; die Suren zum Beispiel – der Name ist wie der Name Arsakes zugleich Personen- und Amtbezeichnung -, das zweite Geschlecht nach dem Koenigshaus, setzten als Kronmeister jedesmal dem neuen Arsakes die Tiara aufs Haupt. Aber wie die Arsakiden selbst der parthischen Provinz angehoerten, so waren die Suren in Sakastane (Sedjistan) zu Hause und vielleicht Saker, also Skythen; ebenso stammten die Karen aus dem westlichen Medien, waehrend die hoechste Aristokratie unter den Achaemeniden rein persisch war. ———————————————————— ^4 T/o/n Parthyai/o/n synedrion ph/e/sin (Poseid/o/nios) einai, sagt Strabon (11, 9, 3 p. 515), ditton, to men syggen/o/n, to de soph/o/n kai mag/o/n, ex /o/n amphoin to?s basileis kathistasthai (kathist/e/sin die Handschrift). Iust. 42, 4,1: Mithridates rex Parthorum . . . propter crudelitatem a senatu Parthico regno pellitur. ^5 In Aegypten, dessen Hofzeremoniell, wie wohl das der saemtlichen Staaten der Diadochen auf das von Alexander angeordnete und insofern auf das des Persischen Reiches zurueckgeht, scheint der gleiche Titel auch persoenlich verliehen worden zu sein (Franz, CIG III S. 270). Dass bei den Arsakiden das gleiche vorkam ist moeglich. Bei den griechisch redenden Untertanen des Arsakidenstaats scheint die Benennung megistanes, in dem urspruenglichen strengeren Gebrauch die Glieder der sieben Haeuser zu bezeichnen; es ist beachtenswert, dass megistanes und satrapae zusammengestellt werden (Sen. epist. 21; Ios. ant. Iud. 11, 3, 2; 20, 2, 3). Dass bei Hoftrauer der Perserkoenig die Megistanen nicht zur Tafel zieht (Suet. Gai. 5), legt die Vermutung nahe, dass sie das Vorrecht hatten, mit ihm zu speisen. Auch der Titel t/o/n pr/o/t/o/n phil/o/n findet sich bei den Arsakiden aehnlich wie am aegyptischen und am pontischen Hofe (BCH 7, 1883, S. 349).
^6 Ein koeniglicher Mundschenk der zugleich Feldherr ist, wird genannt bei Josephus (ant. Iud. 14, 13, 7 = bel. Iud. 1, 13, 1). Aehnliche Hofaemter kommen in den Diadochenstaaten haeufig vor.
———————————————————— Die Verwaltung liegt in den Haenden der Unterkoenige oder der Satrapen; nach den roemischen Geographen der vespasianischen Zeit besteht der Staat der Parther aus achtzehn “Koenigreichen”. Einige dieser Satrapien sind Sekundogenituren des Herrscherhauses; insbesondere scheinen die beiden nordwestlichen Provinzen, das atropatenische Medien (Aserbeidschan) und, sofern es in der Gewalt der Parther stand, Armenien, den dem zeitigen Herrscher naechststehenden Prinzen zur Verwaltung uebertragen worden zu sein ^7. Im uebrigen ragen unter den Satrapen hervor der Koenig der Landschaft Elymais oder von Susa, dem eine besondere Macht- und Ausnahmestellung eingeraeumt war, demnaechst derjenige der Persis, des Stammlandes der Achaemeniden. Die wenn nicht ausschliessliche, so doch ueberwiegende und den Titel bedingende Verwaltungsform war im Partherreich, anders als in dem der Caesaren, das Lehnskoenigtum, so dass die Satrapen nach Erbrecht eintraten, aber der grossherrlichen Bestaetigung unterlagen ^8. Allem Anschein nach hat sich dies nach unten hin fortgesetzt, so dass kleinere Dynasten und Stammhaeupter zu dem Unterkoenig in demselben Verhaeltnis standen, wie dieser zu dem Grosskoenig ^9. Somit war das Grosskoenigtum der Parther aeusserst beschraenkt zu Gunsten der hohen Aristokratie durch die ihm anhaftende Gliederung der erblichen Landesverwaltung. Dazu passt recht wohl, dass die Masse der Bevoelkerung aus halb oder ganz unfreien Leuten bestand ^10 und Freilassung nicht statthaft war. In dem Heer, das gegen Antonius focht, sollen unter 50000 nur 400 Freie gewesen sein. Der vornehmste unter den Vasallen des Orodes, welcher als Feldherr desselben den Crassus schlug, zog ins Feld mit einem Harem von 200 Weibern und einer von 1000 Lastkamelen getragenen Bagage; er selber stellte 10000 Reiter zum Heer aus seinen Klienten und Sklaven. Ein stehendes Heer haben die Parther niemals gehabt, sondern zu allen Zeiten blieb hier die Kriegfuehrung angewiesen auf das Aufgebot der Lehnsfuersten und der ihnen untergeordneten Lehnstraeger sowie der grossen Masse der Unfreien, ueber welche diese geboten. —————————————– ^7 Tac. ann. 15, 2 u. 31. Wenn nach der Vorrede des Agathangelos (p. 109 Langlois) zur Zeit der Arsakiden der aelteste und tuechtigste Prinz die Landesherrschaft fuehrte, die drei ihm naechststehenden aber Koenige der Armenier, der Inder und der Massageten waren, so liegt hier vielleicht dieselbe Ordnung zu Grunde. Dass das parthisch-indische Reich, wenn es mit dem Hauptland verbunden war, ebenfalls als Sekundogenitur galt, ist sehr wahrscheinlich. ^8 Diese meint wohl Justinus (41, 2, 2): proximus maiestati regum praepositorum ordo est; ex hoc duces in bello, ex hoc in pace rectores habent. Den einheimischen Namen bewahrt die Glosse bei Hesychios: bistax o basile?s para Persais. Wenn bei Amm. 23, 6,14 die Vorsteher der persischen regiones vitaxae (schr. vistaxae), id est magistri equitum et reges et satrapae heissen, so hat er ungeschickt Persisches auf ganz Innerasien bezogen (vgl. Hermes 16, 1881, S. 613); uebrigens kann die Bezeichnung “Reiterfuehrer” fuer diese Unterkoenige darauf gehen, dass sie, wie die roemischen Statthalter, die hoechste Zivil- und die hoechste Militaergewalt in sich vereinigten und die Armee der Parther ueberwiegend aus Reiterei bestand.
^9 Das lehrt die einem Gotarzes in der Inschrift von Kermanschahaen in Kurdistan (CIG 4674) beigelegte Titulatur satrap/e/s t/o/n satrap/o/n. Dem Arsakidenkoenig dieses Namens kann sie als solchem nicht beigelegt werden; wohl aber mag, wie Olshausen (Monatsbericht der Berliner Akademie 1878, S. 179) vermutet, damit diejenige Stellung bezeichnet werden, die ihm nach seinem Verzicht auf das Grosskoenigtum (Tac. ann. 11, 9) zukam. ^10 Noch spaeter heisst eine Reitertruppe im parthischen Heer die “der Freien” Ios. ant. Iud. 14, 13, 5 = bel. Iud. 1, 13, 3). —————————————– Allerdings fehlte das staedtische Element in der politischen Ordnung des Partherreichs nicht ganz. Zwar die aus der eigenen Entwicklung des Ostens hervorgegangenen groesseren Ortschaften sind keine staedtischen Gemeinwesen, wie denn selbst die parthische Residenz Ktesiphon im Gegensatz zu der benachbarten griechischen Gruendung Seleukeia ein Flecken genannt wird; sie hatten keine eigenen Vorsteher und keinen Gemeinderat, und die Verwaltung lag hier wie in den Landbezirken ausschliesslich bei den koeniglichen Beamten. Aber von den Gruendungen der griechischen Herrscher war ein freilich verhaeltnismaessig geringer Teil unter parthische Herrschaft gekommen. In den ihrer Nationalitaet nach aramaeischen Provinzen Mesopotamien und Babylonien hatte das griechische Staedtewesen unter Alexander und seinen Nachfolgern festen Fuss gefasst. Mesopotamien war mit griechischen Gemeinwesen bedeckt, und in Babylonien war die Nachfolgerin des alten Babylon, die Vorlaeuferin Bagdads, eine Zeit lang die Residenz der griechischen Koenige Asiens, Seleukeia am Tigris, durch ihre guenstige Handelslage und ihre Fabriken emporgeblueht zu der ersten Kaufstadt ausserhalb der roemischen Grenzen, angeblich von mehr als einer halben Million Einwohner. Ihre freie hellenische Ordnung, auf der ohne Zweifel ihr Gedeihen vor allem beruhte, wurde im eigenen Interesse auch von den parthischen Herrschern nicht angetastet, und die Stadt bewahrte sich nicht bloss ihren Stadtrat von 300 erwaehlten Mitgliedern, sondern auch griechische Sprache und griechische Sitte mitten im ungriechischen Osten. Freilich bildeten in diesen Staedten die Hellenen nur das herrschende Element; neben ihnen lebten zahlreiche Syrer, und