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  • 1854-1856
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Beispiel die eine Stimme der peloponnesischen Dorier wechselte zwischen Argos, Sikyon, Korinth und Megara. Eine Gesamtvertretung der europaeischen Hellenen waren die Amphiktyonen insofern auch jetzt nicht, als die frueher ausgeschlossenen Voelkerschaften im eigentlichen Griechenland, ein Teil der Peloponnesier und die nicht zu Nikopolis gezogenen Aetoler, darin nicht repraesentiert waren.
^2 Die stehenden Zusammenkuenfte in Delphi und an den Thermopylen waehrten fort (Paus. 7, 24, 3; Vita Apoll. 4, 23) und natuerlich auch die Ausrichtung der Pythischen Spiele nebst der Erteilung der Preise durch das Kollegium der Amphiktyonen (vit. soph. 2, 27); dasselbe hat die Verwaltung der “Zinsen und Einkuenfte” des Tempels (Inschrift von Delphi, Rheinisches Museum, N. F. 2, 1843, S. 111) und legt aus denselben, zum Beispiel in Delphi, eine Bibliothek an (Lebas-Foucart II, S. 845) oder setzt daselbst Bildsaeulen. ^3 Die Mitglieder des Kollegiums der Ampsiktiones oder, wie sie in dieser Epoche heissen, Ampsikt?ones, werden von den einzelnen Staedten in der frueher bezeichneten Weise bald von Fall zu Fall (Iteration: CIG 1085), bald auf Lebenszeit (Plut. an seni 20) bestellt; was wohl davon abhaengt, ob die Stimme staendig war oder alternierend (Wilamowitz). Ihr Vorsteher heisst in frueherer Zeit epimel/e/t/e/s to? koino? t/o/n Ampsiktyon/o/n (Inschriften von Delphi, Rheinisches Museum, N. F. 2, 1843, S. 111; CIG 1713), spaeter Elladarch/e/s t/o/n Ampsiktyon/o/n (CIG 1124).
—————————————— Hand in Hand mit der sakralen Einigung der europaeischen Griechen ging die administrative Aufloesung der griechisch-makedonischen Statthalterschaft der Republik. An der Teilung der Reichsverwaltung unter Kaiser und Senat hing sie nicht, da dieses gesamte Gebiet und nicht minder die vorliegenden Donaulandschaften bei der urspruenglichen Teilung dem Senat zugewiesen wurden; ebensowenig haben militaerische Ruecksichten hier eingegriffen, da die ganze Halbinsel bis hinauf zur thrakischen Grenze, als gedeckt teils durch diese Landschaft, teils durch die Besatzungen an der Donau, immer dem befriedeten Binnenlande zugerechnet worden ist. Wenn der Peloponnes und das attisch- boeotische Festland damals seinen eigenen Prokonsul erhielt und von Makedonien getrennt ward, was wohl schon Caesar beabsichtigt haben mag, so war dabei, neben der allgemeinen Tendenz, die senatorischen Statthalterschaften nicht zu gross zu nehmen, vermutlich die Ruecksicht massgebend, das rein hellenische Gebiet von dem halb hellenischen zu scheiden. Die Grenze der Provinz Achaia war anfaenglich der Oeta, und auch nachdem die Aetoler spaeter dazu gelegt worden ^4, ist sie nicht hinausgegangen ueber den Acheloos und die Thermopylen. ————————————————————– ^4 Die urspruenglichen Grenzen der Provinz bezeichnet Strabon (17, 3, 25 p. 840) in der Aufzaehlung der senatorischen Provinzen: Achaia mechri THettalias kai Ait/o/l/o/n kai Akarnan/o/n kai tin/o/n /E/peir/o/tik/o/n ethn/o/n osa t/e/ Makedonia pros/o/risto, wobei der uebrige Teil von Epirus der (von Strabon hier, fuer seine Zeit irrig, den senatorischen zugezaehlten) Provinz Illyricum zugeteilt zu werden scheint. Mechri einschliessend zu nehmen geht, von sachlichen Erwaegungen abgesehen, schon deswegen nicht an, weil nach den Schlussworten die vorher genannten Gebiete “Makedonien zugeteilt sind”. Spaeterhin finden wir die Aetoler zu Achaia gelegt (Ptol. geogr. 3, 14). Dass Epirus eine Zeitlang auch dazu gehoert hat, ist moeglich, nicht so sehr wegen der Angabe bei Dio 53, 12, die weder fuer Augustus’ Zeit noch fuer diejenige Dios verteidigt werden kann, sondern weil Tacitus zum Jahre 17 (ann. 2, 53) Nikopolis zu Achaia rechnet. Aber wenigstens seit Traian bildet Epirus mit Akarnanien eine eigene prokuratorische Provinz (Ptol. geogr. 3, 13; CIL III, 536; Marquardt, Roemische Staatsverwaltung, Bd. 1, S. 331). Thessalien und alles Land noerdlich vom Oeta ist stets bei Makedonien geblieben. ————————————————————– Diese Ordnungen betrafen die Landschaft im ganzen. Wir wenden uns zu der Stellung, welche den einzelnen Stadtgemeinden unter der roemischen Herrschaft gegeben ward.
Die urspruengliche Absicht der Roemer, die Gesamtheit der griechischer. Stadtgemeinden in aehnlicher Weise an das eigene Gemeinwesen anzuschliessen, wie dies mit den italischen geschehen war, hatte infolge des Widerstandes, auf den diese Einrichtungen trafen, insbesondere infolge der Auflehnung des Achaeischen Bundes im Jahre 608 (146) und des Abfalls der meisten Griechenstaedte zu Koenig Mithradates im Jahre 666 (88) wesentliche Einschraenkungen erfahren. Die Staedtebuende, das Fundament aller Machtentwicklung in Hellas wie in Italien, und von den Roemern anfaenglich akzeptiert, waren saemtlich, namentlich der wichtigste der Peloponnesier oder, wie er sich nannte, der Achaeer, aufgeloest und die einzelnen Staedte angehalten worden, ihr Gemeinwesen fuer sich zu ordnen. Es wurden ferner fuer die einzelnen Gemeindeverfassungen von der Vormacht gewisse allgemeine Normen aufgestellt und nach diesem Schema dieselben in antidemokratischer Tendenz reorganisiert. Nur innerhalb dieser Schranken blieb der einzelnen Gemeinde die Autonomie und die eigene Magistratur. Es blieben ihr auch die eigenen Gerichte; aber daneben stand der Grieche von Rechts wegen unter den Ruten und Beilen des Praetors, und wenigstens konnte wegen eines jeden Vergehens, das als Auflehnung gegen die Vormacht sich betrachten liess, von den roemischen Beamten auf Geldbusse oder Ausweisung oder auch Lebensstrafe erkannt werden ^5. Die Gemeinden besteuern sich selbst; aber sie hatten durchgaengig eine bestimmte, im ganzen, wie es scheint, nicht hoch gegriffene Summe nach Rom zu entrichten. Besatzungen wurden nicht so, wie einst in makedonischer Zeit, in die Staedte gelegt, da die in Makedonien stehenden Truppen noetigenfalls in der Lage waren, auch in Griechenland einzuschreiten. Aber schwerer als die Zerstoerung Thebens auf dem Andenken Alexanders, lastet auf der roemischen Aristokratie die Schleifung Korinths. Die uebrigen Massregeln, wie gehaessig und erbitternd sie auch teilweise waren, namentlich als von der Fremdherrschaft oktroyiert, mochten im ganzen genommen unvermeidlich sein und vielfach heilsam wirken; sie waren die unvermeidliche Palinodie der urspruenglichen, zum Teil recht unpolitischen roemischen Politik des Verzeihens und Verziehens gegenueber den Hellenen. Aber in der Behandlung Korinths hatte sich der kaufmaennische Egoismus in unheimlicher Weise maechtiger erwiesen als alles Philhellenentum.
———————————————– ^5 Nichts gibt von der Lage der Griechen des letzten Jahrhunderts der roemischen Republik ein deutlicheres Bild als das Schreiben eines dieser Statthalter an die achaeische Gemeinde Dyme (CIG 1543). Weil diese Gemeinde sich Gesetze gegeben hat, welche der im allgemeinen den Griechen geschenkten Freiheit (/e/ apodedomen/e/ kata koinon tois ‘Ell/e/sin eleytheria) und der von den Roemern den Achaeern gegebenen Ordnung (/e/ apodeytheisa tois Achaiois ypo R/o/mai/o/n politeia; wahrscheinlich unter Mitwirkung des Polybios Paus. 8, 30, 9) zuwiderliefen, worueber es allerdings auch zu Auflaeufen gekommen war, zeigt der Statthalter der Gemeinde an, dass er die beiden Raedelsfuehrer habe hinrichten, lassen und ein minder schuldiger Dritter nach Rom exiliert sei. ———————————————– Bei allem dem war der Grundgedanke der roemischen Politik, die griechischen Staedte dem italischen Staedtebund anzugliedern, nie vergessen worden; gleich wie Alexander niemals Griechenland hat beherrschen wollen wie Illyrien und Aegypten, so haben auch seine roemischen Nachfolger das Untertanenverhaeltnis nie vollstaendig auf Griechenland angewandt und schon in republikanischer Zeit von dem strengen Recht des den Roemern aufgezwungenen Krieges wesentlich nachgelassen. Insbesondere geschah dies gegenueber Athen. Keine griechische Stadt hat vom Standpunkt der roemischen Politik aus so schwer gegen Rom gefehlt wie diese; ihr Verhalten im Mithradatischen Kriege haette bei jedem anderen Gemeinwesen unvermeidlich die Schleifung herbeigefuehrt. Aber vom philhellenischen Standpunkt aus freilich war Athen das Meisterstueck der Weit, und es knuepften sich an dasselbe fuer die vornehme Welt des Auslandes aehnliche Neigungen und Erinnerungen wie fuer unsere gebildeten Kreise an Pforta und an Bonn; dies ueberwog damals wie frueher. Athen hat nie unter den Beilen des roemischen Statthalters gestanden und niemals nach Rom gesteuert, hat immer mit Rom beschworenes Buendnis gehabt und nur ausserordentlicher und, wenigstens der Form nach, freiwilliger Weise den Roemern Beihilfe gewaehrt. Die Kapitulation nach der Sullanischen Belagerung fuehrte wohl eine Aenderung der Gemeindeverfassung herbei, aber das Buendnis ward erneuert, ja sogar alle auswaertigen Besitzungen zurueckgegeben; selbst die Insel Delos, welche, als Athen zu Mithradates uebertrat, sich losgemacht und als selbstaendiges Gemeinwesen konstituiert hatte und zur Strafe fuer ihre Treue gegen Rom von der pontischen Flotte ausgeraubt und zerstoert worden war ^6. ———————————————————— ^6 Die delischen Ausgrabungen der letzten Jahre haben die Beweise geliefert, dass die Insel, nachdem die Roemer sie einmal an Athen gegeben hatten, bestaendig athenisch geblieben ist und sich zwar infolge des Abfalls der Athener von Rom als Gemeinde der “Delier” konstituierte (Eph, epigr. V, p. 604), aber schon sechs Jahre nach der Kapitulation Athens wieder athenisch war (Ep h. epigr. V, n. 184; Homolle im BCH 8, 1884, S. 142). ———————————————————— Mit aehnlicher Ruecksicht, und wohl auch zum guten Teil seines grossen Namens wegen, ist Sparta behandelt worden. Auch einige andere Staedte der spaeter zu nennenden befreiten Gemeinden hatten diese Stellung bereits unter der Republik. Wohl kamen dergleichen Ausnahmen in jeder roemischen Provinz vor; aber dem griechischen Gebiet ist dies von Haus aus eigen, dass eben die beiden namhaftesten Staedte desselben ausserhalb des Untertanenverhaeltnisses standen und dieses demnach nur die geringeren Gemeinwesen traf. Auch fuer die untertaenigen Griechenstaedte traten schon unter der Republik Milderungen ein. Die anfaenglich untersagten Staedtebuende lebten allmaehlich wieder auf, insbesondere die kleineren und machtlosen, wie der boeotische, sehr bald ^7; mit der Gewoehnung an die Fremdherrschaft schwanden die oppositionellen Tendenzen, welche ihre Aufhebung herbeigefuehrt hatten, und ihre enge Verknuepfung mit dem sorgfaeltig geschonten, althergebrachten Kultus wird ihnen weiter zugute gekommen sein, wie denn schon bemerkt worden ist, dass die roemische Republik die Amphiktyonie in ihren urspruenglichen nicht politischen Funktionen wiederherstellte und schuetzte. Gegen das Ende der republikanischen Zeit scheint die Regierung den Boeotern sogar gestattet zu haben, mit den kleinen noerdlich angrenzenden Landschaften und der Insel Euboea eine Gesamtverbindung einzugehen ^8.
——————————————————– ^7 Ob das koinon t/o/n Achai/o/n, das in der eigentlich republikanischen Zeit natuerlicherweise nicht vorkommt, schon am Ende derselben oder erst nach Einfuehrung der kaiserlichen Provinzialordnung rekonstruiert worden ist, ist zweifelhaft. Inschriften wie die olympische des Proquaestors Q. Ancharius Q. f. (Archaeologische Zeitung 36, 1878, S. 38, n. 114) sprechen mehr fuer die erstere Annahme; doch kann sie nicht mit Gewissheit als voraugustisch bezeichnet werden. Das aelteste sichere Zeugnis fuer die Existenz dieser Vereinigung ist die von ihr dem Augustus in Olympia gesetzte Inschrift (Archaeologische Zeitung 35, 1877, S. 36, n. 33). Vielleicht sind dies Ordnungen des Diktators Caesar und im Zusammenhang mit dem unter ihm begegnenden Statthalter “Griechenlands”, wahrscheinlich des Achaia der Kaiserzeit (Cic. ad fam. 6, 6, 10). Uebrigens haben sicher auch unter der Republik, nach Ermessen des jedesmaligen Statthalters, mehrere Gemeinden fuer einen bestimmten Gegenstand durch Deputierte zusammentreten und Beschluesse fassen koennen; wie das koinon der Sikelioten also dem Verres eine Statue dekretierte (Cic. Verr. 1, 2, 46, 114), wird aehnliches auch in Griechenland unter der Republik vorgekommen sein. Aber die regelmaessigen provinzialen Landtage mit ihren festen Beamten und Priestern sind eine Einrichtung der Kaiserzeit. ^8 Dies ist das koinon Boi/o/t/o/n Eyboe/o/n Lokr/o/n PH/o/ke/o/n D/o/rie/o/n merkwuerdigen, wahrscheinlich kurz vor der Attischen Schlacht gesetzten Inschrift CIA III, 568. Unmoeglich kann mit Dittenberger (Archaeologische Zeitung 34, 1876, S. 220) auf diesen Bund die Meldung des Pausanias (7, 16, 10) bezogen werden, dass die Roemer “nicht viele Jahre” nach der Zerstoerung Korinths sich der Hellenen erbarmt und ihnen die landschaftlichen Vereinigungen (synedria kata ethnos ekastois) wieder gestattet haetten; dies geht auf die kleineren Einzelbuende. ——————————————————– Den Schlussstein der republikanischen Epoche macht die Suehnung der Schleifung Korinths durch den groessten aller Roemer und aller Philhellenen, den Diktatar Caesar, und die Erneuerung des Sternes von Hellas in der Form einer selbstaendigen Gemeinde roemischer Buerger, der neuen “julischen Ehre”. Diese Verhaeltnisse fand das eintretende Kaiserregiment in Griechenland vor, und diese Wege ist es weiter gegangen. Die von dem unmittelbaren Eingreifen der Provinzialregierung und von der Steuerzahlung an das Reich befreiten Gemeinden, denen die Kolonien der roemischen Buerger in vieler Hinsicht gleichstehen, begreifen weitaus den groessten und besten Teil der Provinz Achaia: im Peloponnes Sparta, mit seinem zwar geschmaelerten, aber doch jetzt wieder die noerdliche Haelfte Lakoniens umfassenden Gebiet ^9, immer noch das Gegenbild Athens, sowohl in den versteinerten altfraenkischen Institutionen wie in der wenigstens aeusserlich bewahrten Ordnung und Haltung; ferner die achtzehn Gemeinden der freien Lakonen, die suedliche Haelfte der lakonischen Landschaft, einst spartanische Untertanen, nach dem Kriege gegen Nabis von den Roemern als selbstaendiger Staedtebund organisiert und von Augustus gleich Sparta mit der Freiheit beliehen ^10; endlich in der Landschaft der Achaeer ausser Dyme, das schon von Pompeius mit Piratenkolonisten belegt worden war und dann durch Caesar neue roemische Ansiedler empfangen hatte ^11, vor allem Patrae, aus einem herabgekommenen Flecken von Augustus, seiner fuer den Handel guenstigen Lage wegen, teils durch Zusammenziehung der umliegenden kleinen Ortschaften, teils durch Ansiedelung zahlreicher italischer Veteranen zu der volkreichsten und bluehendsten Stadt der Halbinsel umgeschaffen und als roemische Buergerkolonie konstituiert, unter die auch auf der gegenueberliegenden lokrischen Kueste Naupaktos (italienisch Lepanto) gelegt ward. Auf dem Isthmos war Korinth, wie es einst das Opfer der Gunst seiner Lage geworden war, so jetzt nach seiner Wiederherstellung, aehnlich wie Karthago, rasch emporgekommen und die gewerb- und volkreichste Stadt Griechenlands, ueberdies der regelmaessige Sitz der Regierung. Wie die Korinther die ersten Griechen gewesen waren, welche die Roemer als Landsleute anerkannt hatten durch Zulassung zu den Isthmischen Spielen, so leitete dieselbe Stadt jetzt, obgleich roemische Buergergemeinde, dieses hohe griechische Nationalfest. Auf dem Festlande gehoerten zu den befreiten Distrikten nicht bloss Athen mit seinem ganz Attika und zahlreiche Inseln des Aegaeischen Meeres umfassenden Gebiet, sondern auch Tanagra und Thespiae, damals die beiden ansehnlichsten Staedte der boeotischen Landschaft, ferner Plataeae ^12; in Phokis Delphi, Abae, Elateia, sowie die ansehnlichste der lokrischen Staedte, Amphissa. Was die Republik begonnen hatte, das vollendete Augustus in der eben dargelegten, wenigstens in den Hauptzuegen von ihm festgestellten und auch spaeter im wesentlichen festgehaltenen Ordnung. Wenngleich die dem Prokonsul unterworfenen Gemeinden der Provinz der Zahl nach gewiss und vielleicht auch nach der Gesamtbevoelkerung ueberwogen, so sind in echt philhellenischem Geiste die durch materielle Bedeutung oder durch grosse Erinnerungen ausgezeichnetsten Staedte Griechenlands befreite ^13. ————————————-
^9 Dazu gehoerte nicht bloss das nahe Amyklae, sondern auch Kardmyle (durch Schenkung Augusts, Paus. 3, 26, 7), Pherae (Paus. 4, 30, 2), Thuria (das. 4, 31, 1) und eine Zeitlang auch Korone (CIG 1258; vgl. Lebas-Foucart II, S. 305) am Messenischen Busen, ferner die Insel Kythera (Dio 54, 7). ^10 In republikanischer Zeit erscheint dieser Distrikt als to koinon t/o/n Lakedaimoni/o/n (Lebas-Foucart II, S. 110); Pausanias (3, 21, 6) irrt also, wenn er ihn erst durch Augustus von Sparta loesen laesst. Aber Eleytherolakones nennen sie sich erst seit Augustus, und die Erteilung der Freiheit wird also mit Recht auf diesen zurueckgefuehrt.
^11 Es gibt Muenzen dieser Stadt mit der Aufschrift c(olonia) I(ulia) D(ume)und dem Kopf Caesars, andere mit der Aufschrift c(olonia) I(ulia) A(ugusta) Du m(e) und dem Kopf Augusts neben dem des Tiberius (F. Imhoof-Blumer, Monnaies Grecques. Leipzig 1883, S. 165). Dass Augustus Dyme der Kolonie Patrae zugeteilt hat, ist wohl ein Irrtum des Pausanias (7,17, 5); moeglich bleibt es freilich, dass Augustus in seinen spaeteren Jahren diese Vereinigung verfuegt hat.
^12 Dies zeigt, wenigstens fuer die Zeit des Pius, die afrikanische Inschrift CIL VIII, 7059 (vgl. Plut. Arist. 21). Die Schriftstellernachrichten ueber die befreiten Gemeinden geben ueberhaupt keine Gewaehr fuer die Vollstaendigkeit der Liste. Wahrscheinlich gehoert zu denselben auch Elis, das von der Katastrophe der Achaeer nicht betroffen ward und auch spaeter noch nach Olympiaden, nicht nach der Aera der Provinz datierte; ueberdies ist es unglaublich, dass die Stadt der olympischen Feier nicht bestes Recht gehabt hat. ^13 Scharf drueckt dies Aristeides aus in der Lobrede auf Rom (or. p. 224 Jebb): diateleite t/o/n men Ell/e/n/o/n /o/sper trophe/o/n epimelomenoi … to?s men aristoys kai palai /e/gemonas (Athen und Sparta) eleytheroys kai aytonomoys apheikotes ayt/o/n, t/o/n d’all/o/n metri/o/s … ex/e/go?menoi, to?s de barbaroys pros t/e/n ekastois ayt/o/n o?san ph?sin paid?ontes. ————————————-
Weiter, als in dieser Richtung Augustus gegangen war, ging der letzte Kaiser des Claudischen Hauses, einer vom Schlage der verdorbenen Poeten und insofern allerdings ein geborener Philhellene. Zum Dank fuer die Anerkennung, die seine kuenstlerischen Leistungen in dem Heimatlande der Musen gefunden hatten, sprach Nero, wie einst Titus Flamininus und wieder in Korinth bei den Isthmischen Spielen, die saemtlichen Griechen des roemischen Regiments ledig, frei von Tributen und gleich den Italikern keinem Statthalter untertan. Sofort entstanden in ganz Griechenland Bewegungen, welche Buergerkriege gewesen sein wuerden, wenn diese Leute mehr haetten fertig bringen koennen als Schlaegereien; und nach wenigen Monaten stellte Vespasian mit der trockenen Bemerkung, dass die Griechen verlernt haetten, frei zu sein, die Provinzialverfassung wieder her ^14, so weit sie reichte.
————————————————- ^14 Aber dankbar blieben die hellenischen Literaten ihrem Kollegen und Patron. In dem Apolloniusroman schlaegt der grosse Weise aus Kappadokien Vespasian die Ehre seiner Begleitung ab, weil er die Hellenen zu Sklaven gemacht habe, wie sie eben im Begriff waren, wieder ionisch und dorisch zu reden, und schreibt ihm verschiedene Billets von ergoetzlicher Grobheit. Ein Mann aus Soloi, der den Hals brach und dann wieder auflebte und bei dieser Gelegenheit alles sah, was Dante schaute, berichtete, dass er Neros Seele getroffen habe, in welche die Arbeiter des Weltgerichts Flammennaegel getrieben hatten und beschaeftigt waren sie in eine Natter umzugestalten; allein eine himmlische Stimme habe Einspruch getan und geboten, den Mann wegen seines irdischen Philhellenismus in eine minder abscheuliche Bestie zu verwandeln (Plut. de Sera num. vind. a. E.).
————————————————- Die Rechtsstellung der befreiten Gemeinden blieb im wesentlichen dieselbe wie unter der Republik. Soweit nicht roemische Buerger in Frage kamen, behielten sie die volle Justizhoheit; nur scheinen die allgemeinen Bestimmungen ueber die Appellationen an den Kaiser einer- und die Senatsbehoerden andererseits auch die freien Staedte eingeschlossen zu haben ^15. Vor allem behielten sie die volle Selbstbestimmung und Selbstverwaltung. Athen zum Beispiel hat in der Kaiserzeit das Praegerecht geuebt, ohne je einen Kaiserkopf auf seine Muenzen zu setzen, und auch auf spartanischen Muenzen der ersten Kaiserzeit fehlt derselbe haeufig. In Athen blieb auch die alte Rechnung nach Drachmen und Obolen, nur dass freilich die oertliche attische Drachme dieser Zeit nichts als lokale Scheidemuenze war und dem Wert nach als Obol der attischen Reichsdrachme oder des roemischen Denars kursierte. Selbst die formale Ausuebung des Rechts ueber Krieg und Frieden war in einzelnen Vertraegen dergleichen Staaten gewahrt ^16. Zahlreiche der italischen Gemeindeordnung voellig widerstreitende Institutionen blieben bestehen, wie der jaehrliche Wechsel der Ratsmitglieder und die Tagegelder dieser und der Geschworenen, welche, wenigstens in Rhodos, noch in der Kaiserzeit gezahlt worden sind. Selbstverstaendlich uebte die roemische Regierung nichtsdestoweniger auf die Konstituierung auch der befreiten Gemeinden fortwaehrend einen massgebenden Einfluss. So ist zum Beispiel die athenische Verfassung, sei es am Ausgang der Republik, sei es durch Caesar oder Augustus, in der Weise modifiziert worden, dass nicht mehr jedem Buerger, sondern, wie nach roemischer Ordnung, nur bestimmten Beamten das Recht zustand, einen Antrag an die Buergerschaft zu bringen; und unter der grossen Zahl der bloss figurierenden Beamten wurde einem einzigen, dem Strategen, die Geschaeftsleitung in die Hand gelegt. Sicher sind auf diesem Wege noch mancherlei weitere Reformen durchgefuehrt worden, deren Eintreten in dem abhaengigen wie unabhaengigen Griechenland wir ueberall erkennen, ohne dass Zeit und Anlass der Reform sich bestimmen laesst. So ist das Recht oder vielmehr das Unrecht der Asyle, welche als Ueberreste einer rechtlosen Zeit jetzt fromme Schlupfwinkel fuer schlechte Schuldner und Verbrecher geworden waren, gewiss auch in dieser Provinz wenn nicht beseitigt, so doch eingeschraenkt worden. Das Institut der Proxenie, urspruenglich eine unseren auslaendischen Konsulaten vergleichbare zweckmaessige Einrichtung, aber durch die Verleihung voller buergerlicher Rechte und oft auch noch des Privilegiums der Steuerfreiheit an den befreundeten Auslaender, besonders bei der Ausdehnung, in der es gewaehrt ward, politisch bedenklich, ist durch die roemische Regierung, wie es scheint erst im Anfang der Kaiserzeit, beseitigt worden; wofuer dann nach italischer Weise das mit dem Steuerwesen sich nicht beruehrende inhaltlose Stadtpatronat an die Stelle trat. Endlich hat die roemische Regierung, als Inhaberin der obersten Souveraenitaet ueber diese abhaengigen Republiken ebenso wie ueber die Klientelfuersten, immer es als ihr Recht betrachtet und geuebt, die freie Verfassung im Fall des Missbrauchs aufzuheben und die Stadt in eigene Verwaltung zu nehmen. Indes teils der beschworene Vertrag, teils die Machtlosigkeit dieser nominell verbuendeten Staaten hat diesen Vertraegen eine groessere Stabilitaet gegeben, als sie in dem Verhaeltnis zu den Klientelfuersten wahrgenommen wird. ————————————————- ^15 Wenigstens wird in der Verordnung Hadrians ueber die den athenischen Grundbesitzern obliegenden Oellieferungen an die Gemeinde (CIA III, 18) die Entscheidung zwar der Bule und der Ekklesia gegeben, aber Appellation an den Kaiser oder den Prokonsul gestattet.
^16 Was Strabon (14, 3, 3, p. 665) von dem zu seiner Zeit autonomen Lykischen Staedtebund berichtet, dass ihm das Kriegs- und Friedens- und das Buendnisrecht fehle, ausser wenn die Roemer dasselbe gestatten oder es zu ihrem Nutzen geschieht, wird ohne weiteres auch auf Athen bezogen werden duerfen. ————————————————- Wenn den befreiten Gemeinden Achaias ihre bisherige Rechtsstellung unter dem Kaisertum blieb, so hat Augustus denen der Provinz, welchen die Freiheit nicht gewaehrt war oder ward, eine neue und bessere Rechtsstellung verliehen. Wie er in der reorganisierten Delphischen Amphiktyonie den Griechen Europas einen gemeinsamen Mittelpunkt gegeben hatte, gestattete er auch den saemtlichen Staedten der Provinz Achaia, soweit sie unter roemischer Verwaltung standen, sich als Gesamtverband zu konstituieren und jaehrlich in Argos, der bedeutendsten Stadt des unfreien Griechenlands, zur Landesversammlung zusammenzutreten ^17. Damit wurde der nach dem achaeischen Kriege aufgeloeste Achaeische Bund nicht bloss rekonstituiert, sondern ihm auch die frueher erwaehnte, erweiterte boeotische Vereinigung eingefuegt. Wahrscheinlich ist eben durch die Zusammenlegung dieser beiden Gebiete die Abgrenzung der Provinz Achaia herbeigefuehrt worden. Der neue Verband der Achaeer, Boeoter, Lokrer, Phokier, Dorer und Euboeer ^18 oder, wie er gewoehnlich gleich wie die Provinz bezeichnet wird, der Verband der Achaeer hat vermutlich weder mehr noch weniger Rechte gehabt, als die sonstigen Provinziallandtage des Kaiserreichs. Eine gewisse Kontrolle der roemischen Beamten wird dabei beabsichtigt gewesen und werden darum auch die dem Prokonsul nicht unterstellten Staedte, wie Athen und Sparta, von demselben ausgeschlossen worden sein. Daneben wird diese Tagsatzung, wie alle aehnlichen, hauptsaechlich in dem gemeinschaftlichen, das ganze Land umfassenden Kultus den Mittelpunkt ihrer Taetigkeit gefunden haben. Aber wenn in den uebrigen Provinzen dieser Landeskult ueberwiegend an Rom anknuepfte, so wurde der Landtag von Achaia vielmehr ein Brennpunkt des Hellenismus und sollte es vielleicht werden. Schon unter den julischen Kaisern betrachtete er sich als den rechten Vertreter der griechischen Nation und legte seinem Vorstand den Namen des Helladarchen bei, sich selbst sogar den der Panhellenen ^19. Die Versammlung entfernte sich also von ihrer provinzialen Grundlage, und ihre bescheidenen administrativen Befugnisse traten in den Hintergrund. ———————————————— ^17 Allerdings sind die bis jetzt bekannten Vorsteher des koinon t/o/n Achai/o/n, deren Heimat feststeht, aus Argos, Messene, Korone in Messenien (Lebas-Foucart II, S. 305) und haben sich darunter bisher nicht bloss keine Buerger der befreiten Gemeinden, wie Athen und Sparta, sondern auch keine der zu der Konfoederation der Boeoter und Genossen gehoerigen (Anm. 8) gefunden. Vielleicht beschraenkte sich dies koinon rechtlich auf das Gebiet, das die Roemer die Republik Achaia nannten, das heisst das des Achaeischen Bundes bei seinem Untergang, und sind die Boeoter und Genossen mit dem eigentlichen koinon der Achaeer zu demjenigen weiteren Bunde vereinigt, dessen Vorhandensein und Tagen in Argos die Inschriften von Akraephia (Anm. 18) dokumentieren. Uebrigens bestand neben diesem koinon der Achaeer noch ein engeres der Landschaft Achaia im eigentlichen Sinn, dessen Vertreter in Aegion zusammentraten (Paus. 7, 24, 4), eben wie das koinon t/o/n Arkad/o/n (Archaeologische Zeitung 37, 1879, S. 139, n. 274) und zahlreiche andere. Wenn nach Paus. 5, 12, 6 in Olympia dem Traian oi pantes Ell/e/nes, dem Hadrian ai es to Achaikon telo?sai Bildsaeulen gesetzt hatten und hier kein Missverstaendnis untergelaufen ist, so wird die letztere Dedikation auf dem Landtag von Aegion stattgefunden haben. ^18 So (nur dass die Dorer fehlen; vgl. Anm. 8) heisst der Verein auf der Inschrift von Akraephia (Keil, Sylloge Inscriptionum Boeoticarum, n. 31). Eben diese Urkunde aber nebst der gleichzeitigen CIG 1625 liefert den Beweis, dass der Verein unter Kaiser Gaius statt dieser wohl eigentlich offiziellen Benennung sich auch einerseits als Verein der Achaeer bezeichnet, andererseits als to koinon t/o/n Panell/e/n/o/n oder /e/ s?nodos t/o/n Ell/e/n/o/n, auch to t/o/n Achai/o/n kai Panell/e/n/o/n synedrion. Diese Ruhmredigkeit tritt anderswo nicht so grell hervor wie in jenem boeotischen Landstaedtchen; aber auch in Olympia, wo der Verein seine Denkmaeler vorzugsweise aufstellte nennt er sich zwar meistens to koinon t/o/n Achai/o/n, aber zeigt oft genug dieselbe Tendenz, zum Beispiel wenn to koinon t/o/n Achai/o/n P. Ailio Aristona … synpantes oi Ell/e/nes anestesan (Archaeologische Zeitung 38, 1880, S. 86, n. 344). Ebenso setzen in Sparta dem Caesar Marcus oi Ell/e/nes eine Bildsaeule apo to? koino? t/o/n Achai/o/n (CIG 1318).
^19 Auch in Asia, Bithynien, Niedermoesien heisst der Vorsteher der der betreffenden Provinz angehoerigen Griechenstaedte Elladarch/e/s, ohne dass damit mehr aus gedrueckt wuerde als der Gegensatz gegen die Nichtgriechen. Aber wie der Hellenenname in Griechenland verwendet wird, in einem gewissen Gegensatz zu dem eigentlich korrekten der Achaeer, ist dies sicher von derselben Tendenz eingegeben die in den Panhellenea von Argos am deutlichsten sich zeichnete. So findet sich strat/e/gos to? koino? t/o/n Achai/o/n kai prostat/e/s dia bioy t/o/n Ell/e/n/o/n (Archaeologische Zeitung 35, 1877, S. 192, n. 98) oder auf einem anderen Dokument desselben prostat/e/s dia bioy t/o/n Ell/e/n/o/n to? koino? t/o/n Achai/o/n Mannes prostat/e/s dia bioy to? koino? t/o/n Achai/o/n (Lebas-Foucart, n. 305); ein (Archaeologische Zeitung 35, 1877, S. 195, n. 106), strat/e/gos asynkrit/o/s arxas t/e/s Ellados (das. S. 40, n. 42), strat/e/gos kai Elladarch/e/s (das. 34, 1876, S. 8, S. 226), alle ebenfalls auf Inschriften des koinon t/o/n Achai/o/n. Dass in diesem, mag es auch vielleicht bloss auf den Peloponnes bezogen werden (Anm. 17), die panhellenische Tendenz darum nicht weniger sich geltend machte, ist begreiflich. ———————————————— Diese Panhellenen nannten sich missbraeuchlich also und wurden von der Regierung nur toleriert. Aber Hadrian schuf wie ein neues Athen, so auch ein neues Hellas. Unter ihm durften die Vertreter der saemtlichen autonomen oder nicht autonomen Staedte der Provinz Achaia in Athen sich als das vereinigte Griechenland, als die Panhellenen ^20 konstituieren. Die in besseren Zeiten oft getraeumte und nie erreichte nationale Einigung war damit geschaffen, und was die Jugend gewuenscht, das besass das Alter in kaiserlicher Fuelle. Freilich, politische Befugnisse erhielt das neue Panhellenion nicht; aber was Kaisergunst und Kaisergold gewaehren konnte, daran war kein Mangel. Es erhob sich in Athen der Tempel des neuen Zeus Panhellenios, und glaenzende Volksfeste und Spiele wurden mit dieser Stiftung verbunden, deren Ausrichtung dem Kollegium der Panhellenen zustand, und zwar zunaechst dem Priester des Hadrian als des stiftenden lebendigen Gottes. Einen der Akte, welche dieselben alljaehrlich begingen, war das dem Zeus-Befreier dargebrachte Opfer in Plataeae zum Gedaechtnis der hier im Kampf gegen die Perser gefallenen Hellenen am Jahrestag der Schlacht, dem 4. Boedromion; dies zeichnet seine Tendenz ^21. Noch deutlicher zeigt dieselbe sich darin, dass Griechenstaedten ausserhalb Hellas’, welche der nationalen Gemeinschaft wuerdig erschienen, von der Versammlung in Athen ideale Buergerbriefe des Hellenismus ausgestellt wurden ^22. —————————————
^20 Die hadrianischen Panhellenen nennen sich to koinon synedrion t/o/n Ell/e/n/o/n t/o/n eis Plat/e/as syniont/o/n (Theben: Keil, Sylloge lnscriptionum Boeoticarum, n. 31, vgl. Plut. Arist. 19 u. 21), koinon t/e/s Ellados (CIG 5852), to /o/n (ebenda). Ihr Vorsteher heisst o arch/o/n t/o/n Panell/e/n/o/n (CIA III, 681, 682; CIG 3832, vgl. CIA III, 10: a[nt[arch/o/n to? ier/o/tatoy a[g/o/nos to? P]an[el]l/e/nioy), der einzelne Deputierte Panell/e/n (z. B. CIA III, 534; CIG 1124). Daneben treten auch in nachhadrianischer Zeit noch das koinon t/o/n Achai/o/n und dessen strat/e/gos oder Elladarch/e/s auf, welche wohl von jenen zu scheiden sein werden, obwohl letzterer seine Ehrendekrete jetzt nicht bloss in Olympia aufstellt, sondern auch in Athen (CIA 18; zweites Exemplar in Olympia, Archaeologische Zeitung 37, 1879, S. 52). ^21 Dass die Bemerkung Dions von Prusa (or. 38, p. 148 R.) ueber den Streit der Athener und der Lakedaemonier yper t/e/s propompeias sich auf das Fest in Plataeae bezieht, ergibt sich aus (Lucian) Er/o/tes 18: /o/s peri propompeias ag/o/nio?menoi Plataiasin. Auch der Sophist Irenaeos schrieb (Suidas u. d. W.) und Hermogenes (id. II p. 373 Walz) gibt als Redestoff Ay/e/naioi kai Lakedaimonioi peri t/e/s propompeias kata ta M/e/dika (Mitteilung von Wilamowitz).
^22 Es haben sich zwei derselben erhalten, fuer Kibyra in Phrygien (CIG 5882), ausgestellt vom koinon t/e/s Ellados durch ein dogma to? Panell/e/nioy und fuer Magnesia am Maeandros (CIA III, 16). In beiden wird die gut hellenische Abstammung der betreffenden Koerperschaften nebst den sonstigen Verdiensten um die Hellenen hervorgehoben. Charakteristisch sind auch die Empfehlungsbriefe, welche diese Panhellenen einem um ihr Gemeinwesen wohlverdienten Mann an seine Heimatgemeinde Aezani in Phrygien, an den Kaiser Pius und an die Hellenen in Asia insgemein mitgeben (CIG 3832, 3833, 3834). —————————————
Wenn die Kaiserherrschaft in dem ganzen weiten Reich die Verwuestungen eines zwanzigjaehrigen Buergerkrieges vorfand und vielerorts die Folgen desselben niemals voellig verwunden wurden, so ist wohl kein Gebiet davon so schwer betroffen worden wie die griechische Halbinsel. Das Schicksal hatte es so gefuegt, dass die drei grossen Entscheidungsschlachten dieser Epoche, Pharsalos, Philippi, Aktion auf ihrem Boden oder an ihrer Kueste geschlagen wurden; und die militaerischen Operationen, welche bei beiden Parteien dieselben einleiteten, hatten ihre Opfer von Menschenleben und Menschenglueck hier vor allem gefordert. Noch dem Plutarch erzaehlte sein Aeltervater, wie die Offiziere des Antonius die Buerger von Chaeroneia gezwungen haetten, da sie Sklaven und Lasttiere nicht mehr besassen, ihr letztes Getreide auf den eigenen Schultern nach dem naechsten Hafenort zu schleppen zur Verschiffung fuer das Heer; und wie dann, als eben der zweite Transport abgehen sollte, die Nachricht von der Actischen Schlacht wie eine erloesende Freudenbotschaft eingetroffen sei. Das erste, was nach diesem Siege Caesar tat, war die Verteilung der in seine Gewalt geratenen feindlichen Getreidevorraete unter die hungernde Bevoelkerung Griechenlands. Dieses schwerste Mass des Leidens traf auf vorzugsweise schwache Widerstandskraft. Schon mehr als ein Jahrhundert vor der Actischen Schlacht hatte Polybios ausgesprochen, dass ueber ganz Griechenland in seiner Zeit Unfruchtbarkeit der Ehen und Einschwinden der Bevoelkerung gekommen sei, ohne dass Seuchen oder schwere Kriege das Land betroffen haetten. Nun hatten diese Geisseln in furchtbarer Weise sich eingestellt; und Griechenland blieb veroedet fuer alle Folgezeit. Im ganzen Roemerreich, meint Plutarch, sei infolge der verwuestenden Kriege die Bevoelkerung zurueckgegangen, am meisten aber in Griechenland, das jetzt nicht imstande sei, aus den besseren Kreisen der Buergerschaften die 3000 Hopliten zu stellen, mit denen einst die kleinste der griechischen Landschaften, Megara, bei Plataeae gestritten hatte ^23. Caesar und Augustus haben versucht, dieser auch fuer die Regierung erschreckenden Entvoelkerung durch Entsendung italischer Kolonisten aufzuhelfen, und in der Tat sind die beiden bluehendsten Staedte Griechenlands eben diese Kolonien; die spaeteren Regierungen haben solche Entsendungen nicht wiederholt. Zu der anmutigen euboeischen Bauernidylle des Dion von Prusa bildet den Hintergrund eine entvoelkerte Stadt, in der zahlreiche Haeuser leer stehen, die Herden am Rathaus und am Stadtarchiv weiden, zwei Drittel des Gebiets aus Mangel an Haenden unbestellt liegen; und wenn dies der Erzaehler als Selbsterlebtes berichtet, so schildert er damit sicher zutreffend die Zustaende zahlreicher kleiner griechischer Landstaedte in der Zeit Traians. “Theben in Boeotien”, sagt Strabon in der augustischen Zeit, “ist jetzt kaum noch ein stattliches Dorf zu nennen, und mit Ausnahme von Tanagra und Thespiae gilt dasselbe von saemtlichen boeotischen Staedten.” Aber nicht bloss der Zahl nach schwanden die Menschen zusammen, auch der Schlag verkam. Schoene Frauen gibt es wohl noch, sagt einer der feinsten Beobachter um das Ende des ersten Jahrhunderts, aber schoene Maenner sieht man nicht mehr; die olympischen Sieger der neueren Zeit erscheinen, verglichen mit den aelteren, niedrig und gemein, zum Teil freilich durch die Schuld der Kuenstler, aber hauptsaechlich, weil sie eben sind, wie sie sind. Die koerperliche Ausbildung der Jugend ist in diesem gelobten Lande der Epheben und Athleten in einer Ausdehnung gefoerdert worden, als ob es der Zweck der Gemeindeverfassung sei, die Knaben zu Turnern und die Maenner zu Boxern zu erziehen; aber wenn keine Provinz so viele Ringkuenstler besass, so stellte auch keine so wenig Soldaten zur Reichsarmee. Selbst aus dem athenischen Jugendunterricht, der in aelterer Zeit das Speerwerfen, das Bogenschiessen, die Geschuetzbedienung, das Ausmarschieren und das Lagerschlagen einschloss, verschwindet jetzt dieses Soldatenspiel der Knaben. Die griechischen Staedte des Reiches werden ueberhaupt bei der Aushebung so gut wie gar nicht beruecksichtigt, sei es, weil diese Rekruten physisch untauglich erschienen, sei es, weil dieses Element im Heere bedenklich erschien; es war ein kaiserlicher Launscherz, dass der karikierte Alexander, Severus Antoninus, die roemische Armee fuer den Kampf gegen die Perser durch einige Lochen Spartiaten verstaerkte ^24. Was fuer die innere Ordnung und Sicherheit ueberhaupt geschah, muss von den einzelnen Gemeinden ausgegangen sein, da roemische Truppen in der Provinz nicht standen; Athen zum Beispiel unterhielt Besatzung auf der Insel Delos, und wahrscheinlich lag eine Milizabteilung auch auf der Burg ^25. In den Krisen des dritten Jahrhunderts haben der Landsturm von Elateia und derjenige von Athen die Kostoboker und die Goten tapfer zurueckgeschlagen und in wuerdigerer Weise, als die Enkel der Kaempfer von Thermopylae in Caracallas Perserkrieg, haben in dem gotischen die Enkel der Marathonsieger ihren Namen zum letzten Mal in die Annalen der alten Geschichte eingezeichnet. Aber wenn auch dergleichen Vorgaenge davon abhalten muessen, die Griechen dieser Epoche schlechtweg zu dem verkommenen Gesindel zu werfen, so hat das Sinken der Bevoelkerung an Zahl wie an Kraft auch in der besseren Kaiserzeit stetig angehalten, bis dann seit dem Ende des zweiten Jahrhunderts die diese Landschaften ebenfalls schwer heimsuchenden Seuchen, die namentlich die Ostkueste treffenden Einfaelle der Land- und Seepiraten, endlich das Zusammenbrechen der Reichsgewalt in der gallienischen Zeit das chronische Leiden zur akuten Katastrophe steigerten.
—————————————- ^23 Ohne Zweifel will Plutarch mit diesen Worten (de defectu orac. 8) nicht sagen, dass Griechenland ueberhaupt nicht 3000 Waffenfaehige zu stellen vermoege, sondern dass, wenn Buergerheere nach alter Art gebildet wuerden, man nicht imstande sein wuerde, 3000 “Hopliten” aufzustellen. In diesem Sinn mag die Aeusserung wohl soweit richtig sein, als dies bei dergleichen allgemeinen Klagen ueberhaupt erwartet werden kann. Die Zahl der Gemeinden der Provinz belaeuft sich ungefaehr auf hundert.
^24 Davon erzaehlt Herodian (4, 8, 3; c. 9, 4) und wir haben die Inschriften zweier dieser Spartiaten, des Nikokles strateymenos dis kata Pers/o/n (CIG 1253) und des Dioskoras apelth/o/n eis t/e/n eytychestat/e/n symmachian (= expeditio) t/e/n kata Pers/o/n (CIG 1495). ^25 Das phro?rion (CIA III, 826) kann nicht wohl anders verstanden werden. —————————————- In ergreifender Weise tritt das Sinken von Hellas und treten die Stimmungen, die dasselbe bei den Besten hervorrief, uns entgegen in der Ansprache, die einer von diesen, der Bithyner Dion, um die Zeit Vespasians an die Rhodier richtete. Diese galten, nicht mit Unrecht, als die trefflichsten unter den Hellenen. In keiner Stadt war besser fuer die niedere Bevoelkerung gesorgt und trug diese Fuersorge mehr den Stempel nicht des Almosens, sondern des Arbeitgebens. Als nach dem grossen Buergerkriege Augustus im Orient alle Privatschulden klaglos machte, wiesen allein die Rhodier die bedenkliche Verguenstigung zurueck. War auch die grosse Epoche des rhodischen Handels vorueber, so gab es dort immer noch zahlreiche bluehende Geschaefte und vermoegende Haeuser ^26. Aber viele Missstaende waren auch hier eingerissen, und deren Abstellung fordert der Philosoph, nicht so sehr, wie er sagt, um der Rhodier willen, als um der Hellenen insgemein. “Einst ruhte die Ehre von Hellas auf vielen und viele mehrten seinen Ruhm, ihr, die Athener, die Lakedaemonier, Theben, eine Zeitlang Korinth, in ferner Zeit Argos. Nun aber ist es mit den anderen nichts; denn einige sind gaenzlich heruntergekommen und zerstoert, andere fuehren sich, wie ihr wisst, und sind entehrt und ihres alten Ruhmes Zerstoerer. Ihr seid uebrig; ihr allein seid noch etwas und werdet nicht voellig verachtet; denn wie es jene treiben, waeren laengst alle Hellehen tiefer gesunken als die Phryger und die Thraker. Wie wenn ein grosses und reiches Geschlecht auf zwei Augen steht und was dieser letzte des Hauses suendigt, alle Vorfahren mit entehrt, so stehet ihr in Hellas. Glaubt nicht die ersten der Hellehen zu sein; ihr seid die einzigen. Sieht man auf jene erbaermlichen Schandbuben, so werden selbst die grossen Geschicke der Vergangenheit unbegreiflich: die Steine und die Staedtetruemmer zeigen deutlicher den Stolz und die Groesse von Hellas als diese nicht einmal mysischer Ahnen wuerdigen Nachfahren; und besser als den von diesen bewohnten ist es den Staedten ergangen, welche in Truemmern liegen, denn deren Andenken bleibt in Ehren und ihr wohlerworbener Ruhm unbefleckt – besser die Leiche verbrennen, als sie faulend liegen lassen.”
———————————————– ^26 “An Mitteln”, sagt Diodor. 31, p. 566), “fehlt es euch nicht, und Tausende und aber Tausende gibt es hier, denen es nuetzlich waere, minder reich zu sein”; und weiterhin (p. 620): “ihr seid reich, wie sonst niemand in Hellas. Mehr als ihr besassen eure Vorfahren auch nicht. Die Insel ist nicht schlechter geworden; ihr zieht die Nutzung von Karien und einem Teil Lykiens; eine Anzahl Staedte sind euch steuerpflichtig; stets empfaengt die Stadt reiche Gaben von zahlreichen Buergern.” Er fuehrt weiter aus, dass neue Ausgaben nicht hinzugetreten, wohl aber die frueheren fuer Heer und Flaue fast weggefallen seien; nur ein oder zwei kleine Schiffe haetten sie jaehrlich nach Korinth (zur roemischen Flotte also) zu stellen.
———————————————– Man wird diesem hohen Sinn eines Gelehrten, welcher die kleine Gegenwart an der grossen Vergangenheit mass und, wie dies nicht ausbleiben kann, jene mit widerwilligen Augen, diese in der Verklaerung des Dagewesenseins anschaute, nicht zu nahe treten mit dem Hinweis darauf, dass die alte gute hellenische Sitte damals und noch lange nachher denn doch nicht bloss in Rhodos zu finden, vielmehr in vieler Hinsicht noch allerorts Lebendig war. Die innerliche Selbstaendigkeit, das wohlberechtigte Selbstgefuehl der immer noch an der Spitze der Zivilisation stehenden Nation ist bei aller Schmiegsamkeit des Untertanen- und aller Demut des Parasitenrums den Hellenen auch dieser Zeit nicht abhanden gekommen. Die Roemer entlehnen die Goetter von den alten Hellenen und die Verwaltungsform von den Alexandrinern; sie suchen sich der griechischen Sprache zu bemaechtigen und die eigene in Mass und Stil zu hellenisieren. Die Hellenen auch der Kaiserzeit tun nicht das gleiche; die nationalen Gottheiten Italiens, wie Silvanus und die Laren, werden in Griechenland nicht verehrt und keiner griechischen Stadtgemeinde ist es je in den Sinn gekommen, die von ihrem Polybios als die beste gefeierte politische Ordnung bei sich einzufuehren. Insofern die Kenntnis des Lateinischen fuer die hoehere wie die niedere Aemterlaufbahn bedingend war, haben die Griechen, die diese betraten, sich dieselbe angeeignet; denn wenn es auch praktisch nur dem Kaiser Claudius einfiel, den Griechen, die kein Lateinisch verstanden, das roemische Buergerrecht zu entziehen, so war allerdings die wirkliche Ausuebung der mit diesem verknuepften Rechte und Pflichten nur dem moeglich, der der Reichssprache maechtig war. Aber von dem oeffentlichen Leben abgesehen, ist nie in Griechen land so lateinisch gelernt worden wie in Rom griechisch; Plutarchos, der schriftstellerisch die beiden Reichshaelften gleichsam vermaehlte und dessen Parallelbiographien roemischer und griechischer beruehmter Maenner, vor allem durch diese Nebeneinanderstellung, sich empfahlen und wirkten, verstand nicht sehr viel mehr lateinisch als Diderot russisch, und beherrschte wenigstens, wie er selbst sagt, die Sprache nicht; die des Lateinischen wirklich maechtigen griechischen Literaten waren entweder Beamte, wie Appianus und Cassius Dion, oder Neutrale, wie Koenig Juba. In der Tat war Griechenland in sich selbst weit weniger veraendert als in seiner aeusseren Stellung. Das Regiment von Athen war recht schlecht, aber auch in der Zeit von Athens Groesse war es gar nicht musterhaft gewesen. “Es ist”, sagt Plutarchos, “derselbe Volksschlag, dieselben Unruhen, der Ernst und der Scherz, die Anmut und die Bosheit wie bei den Vorfahren.” Auch diese Epoche weist in dem Leben des griechischen Volkes noch einzelne Zuege auf, die seines zivilisatorischen Prinzipats wuerdig sind. Die Fechterspiele, die von Italien aus sich ueberall hin, namentlich auch nach Kleinasien und Syrien verbreiteten, haben am spaetesten von allen Landschaften in Griechenland Eingang gefunden; laengere Zeit beschraenkten sie sich auf das halb italische Korinth, und als die Athener, um hinter diesen nicht zurueckzustehen, sie auch bei sich einfuehrten, ohne auf die Stimme eines ihrer Besten zu hoeren, der sie fragte, ob sie nicht zuvor dem Gotte des Erbarmens einen Altar setzen moechten, da wandten manche der Edelsten unwillig sich weg von der sich selber entehrenden Vaterstadt. In keinem Lande der antiken Welt sind die Sklaven mit solcher Humanitaet behandelt worden wie in Hellas; nicht das Recht, aber die Sitte verbot dem Griechen, seine Sklaven an einen nicht griechischen Herrn zu verkaufen und verbannte somit aus dieser Landschaft den eigentlichen Sklavenhandel. Nur hier finden wir in der Kaiserzeit bei den Buergerschmaeusen und den Oelspenden an die Buergerschaft auch die unfreien Leute mit bedachte ^27. Nur hier konnte ein unfreier Mann, wie Epiktetos unter Traian, in seiner mehr als bescheidenen aeusseren Existenz in dem epirotischen Nikopolis mit angesehenen Maennern senatorischen Standes in der Weise verkehren wie Sokrates mit Kritias und Alkibiades, so dass sie seiner muendlichen Belehrung wie Schueler dem Meister lauschten und die Gespraeche aufzeichneten und veroeffentlichten. Die Milderungen der Sklaverei durch das Kaiserrecht gehen wesentlich zurueck auf den Einfluss der griechischen Anschauungen, zum Beispiel bei Kaiser Marcus, der zu jenem nikopolitanischen Sklaven wie zu seinem Meister und Muster emporsah. Unuebertrefflich schildert der Verfasser eines unter den lukianischen erhaltenen Dialogs das Verhalten des feinen athenischen Stadtbuergers in seinen engen Verhaeltnissen gegenueber dem vornehmen und reichen, reisenden Publikum zweifelhafter Bildung oder auch unzweifelhafter Rohen: wie man es dem reichen Auslaender abgewoehnt, im oeffentlichen Bade mit einem Heer von Bedienten aufzuziehen, als ob er seines Lebens in Athen nicht ohnehin sicher und nicht Frieden im Lande sei, wie man es ihm abgewoehnt, auf der Strasse mit dem Purpurgewand sich zu zeigen, indem die Leute sich freundlich erkundigen, ob es nicht das seiner Mama sei. Er zieht die Parallele zwischen roemischer und athenischer Existenz: dort die beschwerlichen Gastereien und die noch beschwerlicheren Bordelle, die unbequeme Bequemlichkeit der Bedientenschwaerme und des haeuslichen Luxus, die Laestigkeiten der Liederlichkeit, die Qualen des Ehrgeizes, all das Uebermass, die Vielfaeltigkeit, die Unruhe des hauptstaedtischen Treibens; hier die Anmut der Armut, die freie Rede im Freundeskreis, die Muse fuer geistigen Genuss, die Moeglichkeit des Lebensfriedens und der Lebensfreude – “wie konntest du”, fragt ein Grieche in Rom den andern, “das Licht der Sonne, Hellas und sein Glueck und seine Freiheit, um dieses Gedraenges willen verlassen?” In diesem Grundakkord begegnen sich alle feiner und reiner organisierten Naturen dieser Epoche; eben die besten Hellenen mochten nicht mit den Roemern tauschen. Kaum gibt es etwas gleich Erfreuliches in der Literatur der Kaiserzeit wie Dions schon erwaehnte euboeische Idylle: sie schildert die Existenz zweier Jaegerfamilien im einsamen Walde, deren Vermoegen acht Ziegen sind, eine Kuh ohne Horn und ein schoenes Kalb, vier Sicheln und drei Jagdspeere, welche weder von Geld noch von Steuern etwas wissen, und die dann, vor die tobende Buergerversammlung der Stadt gestellt, von dieser schliesslich unbehelligt entlassen werden zum Freuen und zum Freien. Die reale Durchfuehrung dieser poetisch verklaerten Lebensauffassung ist Plutarchos von Chaeroneia, einer der anmutigsten und belesensten und nicht minder einer der wirksamsten Schriftsteller des Altertums. Einer vermoegenden Familie jener kleinen boeotischen Landstadt entsprossen und erst daheim, dann in Athen und in Alexandreia in die volle hellenische Bildung eingefuehrt, auch durch seine Studien und vielfaeltige persoenliche Beziehungen sowie durch Reisen in Italien mit roemischen Verhaeltnissen wohlvertraut, verschmaehte er es, nach der ueblichen Weise der begabten Griechen in den Staatsdienst zu treten oder die Professorenlaufbahn einzuschlagen; er blieb seiner Heimat treu, mit der trefflichen Frau und den Kindern und mit den Freunden und Freundinnen des haeuslichen Lebens im schoensten Sinne des Wortes geniessend, sich bescheidend mit den Aemtern und Ehren, die sein Boeotien ihm zu bieten vermochte, und mit dem maessigen angeerbten Vermoegen. In diesem Chaeroneer drueckt der Gegensatz der Hellenen und der Hellenisierten sich aus; ein solches Griechentum war weder in Smyrna moeglich noch in Antiocheia; es gehoerte zum Boden wie der Honig vom Hymettos. Es gibt genug maechtigere Talente und tiefere Naturen, aber schwerlich einen zweiten Schriftsteller, der mit so gluecklichem Mass sich in das Notwendige mit Heiterkeit zu finden und so wie er den Stempel seines Seelenfriedens und seines Lebensglueckes seinen Schriften aufzupraegen gewusst hat.
—————————————- ^27 Bei den Volksfesten, die in Tiberius’ Zeit ein reicher Mann in Akraephia in Boeotien ausrichtete, lud er die erwachsenen Sklaven, seine Gattin die Sklavinnen mit den Freien zu Gaste (CIG 1625). In einer Stiftung zur Verteilung von Oel in der Turnanstalt (gymnasion) von Gytheion in Lakonien wird festgesetzt, dass an sechs Tagen im Jahr auch die Sklaven daran Anteil haben sollen (Lebas-Foucart, n. 243 a). Aehnliche Spenden begegnen in Argos (CIG 1122, 1123).
—————————————- Die Selbstbeherrschung des Hellenismus kann auf dem Boden des oeffentlichen Lebens sich nicht in der Reinheit und Schoenheit offenbaren wie in der stillen Heimstatt, nach der die Geschichte und sie nach der Geschichte gluecklicherweise nicht fragt. Wenden wir uns den oeffentlichen Verhaeltnissen zu, so ist mehr vom Missregiment als vom Regiment zu berichten, sowohl der roemischen Regierung wie der griechischen Autonomie. An gutem Willen fehlte es dort insofern nicht, als der roemische Philhellenismus die Kaiserzeit noch viel entschiedener beherrscht als die republikanische. Er aeussert sich ueberall im Grossen wie im Kleinen, in der Fortfuehrung der Hellenisierung der oestlichen Provinzen und der Anerkennung der doppelten offiziellen Reichssprache wie in den hoeflichen Formen, in welchen die Regierung auch mit der kleinsten griechischen Gemeinde verkehrt und ihre Beamten zu verkehren anhaelt ^28. Auch haben es die Kaiser an Gaben und Bauten zu Gunsten dieser Provinz nicht fehlen lassen; und wenn auch das meiste der Art nach Athen kam, so baute doch Hadrian eine grosse Wasserleitung zum Besten von Korinth, Plus die Heilanstalt von Epidauros. Aber die ruecksichtsvolle Behandlung der Griechen insgemein und die besondere Huld, welche dem eigentlichen Hellas von der kaiserlichen Regierung zuteil wurde, weil es in gewissem Sinn gleich wie Italien als Mutterland galt, sind weder dem Regiment noch der Landschaft recht zum Vorteil ausgeschlagen. Der jaehrliche Wechsel der Oberbeamten und die schlaffe Kontrolle der Zentralstelle liessen alle senatorischen Provinzen, soweit das Statthalterregiment reichte, mehr den Druck als den Segen einheitlicher Verwaltung empfinden, und diese doppelt bei ihrer Kleinheit und ihrer Armut. Noch unter Augustus selbst machten diese Missstaende sich in dem Grade geltend, dass es eine der ersten Regierungshandlungen seines Nachfolgers war, sowohl Griechenland wie Makedonien in eigene Verwaltung zu nehmen ^29, wie es hiess vorlaeufig, in der Tat auf die ganze Dauer seiner Regierung. Es war sehr konstitutionell, aber vielleicht nicht ebenso weise, dass Kaiser Claudius, als er zur Gewalt gelangte, die alte Ordnung wiederherstellte. Seitdem hat es dann bei dieser sein Bewenden gehabt und ist Achaia nicht von ernannten, sondern von erlosten Beamten verwaltet worden, bis diese Verwaltungsform ueberhaupt abkam.
—————————————— ^28 Auf eine der unzaehligen Beschwerden, mit welchen die kleinasiatischen Staedte wegen ihrer Titel- und Rangstreitigkeiten die Regierung belaestigten, antwortete Pius den Ephesiern (W. H. Waddington, Aristide, S. 51), erhoere gern, dass die Pergamener ihnen die neue Titulatur gegeben haetten; die Smyrnaeer haetten es wohl nur zufaellig unterlassen und wuerden sicher in Zukunft gutwillig das Richtige tun, wenn auch sie, die Ephesier, ihnen ihre rechten Titel beilegen wuerden. Einer kleinen lykischen Stadt, welche um Bestaetigung eines von ihr gefassten Beschlusses bei dem Prokonsul einkommt, erwidert dieser (O. Benndorf, Reisen in Lykien und Karien. Wien 1884, Bd. 1, S. 71), treffliche Anordnungen verlangten nur Lob, keine Bestaetigung; diese liege in der Sache. Die Rhetorenschulen dieser Epoche liefern auch die Konzipienten fuer die kaiserliche Kanzlei; aber dies tut es nicht allein. Es gehoert zum Wesen des Prinzipals, das Untertanverhaeltnis nicht aeusserlich zu akzentuieren, und namentlich nicht gegen Griechen.
^29 Eine formale Aenderung der Steuerordnung folgt an sich aus diesem Wechsel nicht und ist auch bei Tacitus (ann. 1, 76) nicht angedeutet; wenn die Einrichtung getroffen wird, weil die Provinzialen ueber Steuerdruck klagen (onera deprecantes), so konnten bessere Statthalter durch zweckmaessige Repartierung, eventuell durch Erwirkung von Remission, den Provinzen aufhelfen. Dass die Befoerderung der Reichspost besonders in dieser Provinz als drueckende Last empfunden ward, zeigt das Edikt des Claudius aus Tegea (Eph. epigr. V, p. 69).
—————————————— Aber bei weitem uebler noch stand es um die von dem Statthalterregiment eximierten Gemeinden Griechenlands. Die Absicht, diese Gemeinwesen zu beguenstigen, durch die Befreiung von Tribut und Aushebung wie nicht minder durch die moeglichst geringe Beschraenkung der Rechte des souveraenen Staates, hat, wenigstens in vielen Faellen, zu dem Gegenteil gefuehrt. Die innere Unwahrheit der Institutionen raechte sich. Zwar bei den weniger bevorrechteten oder besser verwalteten Gemeinden mag die kommunale Autonomie ihren Zweck erfuellt haben; wenigstens vernehmen wir nicht, dass es mit Sparta, Korinth, Patrae besonders uebel bestellt gewesen sei. Aber Athen war nicht geschaffen, sich selbst zu verwalten, und bietet das abschreckende Bild eines von der Obergewalt verhaetschelten und finanziell wie sittlich verkommenen Gemeinwesens. Von Rechts wegen haette dasselbe in bluehendem Zustande sich befinden muessen. Wenn es den Athenern misslang, die Nation unter ihrer Hegemonie zu vereinigen, so ist diese Stadt doch die einzige Griechenlands wie Italiens gewesen, welche die landschaftliche Einigung vollstaendig durchgefuehrt hat; ein eigenes Gebiet, wie es die Attike ist, von etwa 40 Quadratmeilen, der doppelten Groesse der Insel Ruegen, hat keine Stadt des Altertums sonst besessen. Aber auch ausserhalb Attikas blieb ihnen, was sie besassen, sowohl nach dem Mithradatischen Kriege durch Sullas Gnade wie nach der Pharsalischen Schlacht, in der sie auf Seiten des Pompeius gestanden hatten, durch die Gnade Caesars – er fragte sie nur, wie oft sie noch sich selber zugrunde richten und dann durch den Ruhm ihrer Vorfahren retten lassen wollten. Der Stadt gehoerte immer noch nicht bloss das ehemals haliartische Gebiet in Boeotien, sondern auch an ihrer eigenen Kueste Salamis, der alte Ausgangspunkt ihrer Seeherrschaft, im Thrakischen Meer die eintraeglichen Inseln Skyros, Lemnos und Imbros sowie im Aegaeischen Delos; freilich war diese Insel seit dem Ende der Republik nicht mehr das zentrale Emporium des Handels mit dem Osten, nachdem der Verkehr sich von da weg nach den Haefen der italischen Westkueste gezogen hatte, und es war dies fuer die Athener ein unersetzlicher Verlust. Von den weiteren Verleihungen, die sie Antonius abzuschmeicheln gewusst hatten, nahm ihnen Augustas, gegen den sie Partei ergriffen hatten, allerdings Aegina und Eretria auf Euboea, aber die kleineren Inseln des Thrakischen Meeres, Ikos, Peparethos, Skiathos, ferner Keos vor der Sunischen Landspitze durften sie behalten; und Hadrian gab ihnen weiter den besten Teil der grossen Insel Kephallenia im Ionischen Meer. Erst durch den Kaiser Severus, der ihnen nicht wohlwollte, wurde ihnen ein Teil dieser auswaertigen Besitzungen entzogen. Hadrian gewaehrte ferner den Athenern die Lieferung eines gewissen Quantums von Getreide auf Kosten des Reiches und erkannte durch die Erstreckung dieses, bisher der Reichshauptstadt vorbehaltenen Privilegiums Athen gleichsam an als eine der Reichsmetropolen. Nicht minder wurde das segensreiche Institut der Alimentarstiftungen, dessen Italien sich seit Traian erfreute, von Hadrian auf Athen ausgedehnt und das dazu erforderliche Kapital sicher aus seiner Schatulle den Athenern geschenkt. Eine Wasserleitung, die er ebenfalls seinem Athen widmete, wurde erst nach seinem Tode von Pius vollendet. Dazu kam der Zusammenfluss der Reisenden und der Studierenden und die in immer steigender Zahl von den roemischen Grossen und den auswaertigen Fuersten der Stadt verliehenen Stiftungen. Dennoch war die Gemeinde in stetiger Bedraengnis. Mit dem Buergerrecht wurde nicht bloss das ueberall uebliche Geschaeft auf Nehmen und Geben, sondern foermlich und offenkundig Schacher getrieben, so dass Augustas mit einem Verbot dagegen einschritt. Einmal ueber das andere beschloss der Rat von Athen, diese oder jene seiner Inseln zu verkaufen, und nicht immer fand sich ein opferwilliger Reicher gleich dem Iulius Nikanor, der unter Augustas den bankrotten Athenern die Insel Salamis zurueckkaufte und dafuer von dem Rat derselben den Ehrentitel des “neuen Themistokles” sowie, da er auch Verse machte, nebenbei den des “neuen Homer” und mit den edlen Ratsherren zusammen von dem Publikum den wohlverdienten Hohn erntete. Die prachtvollen Bauten, mit denen Athen fortfuhr sich zu schmuecken, erhielt es ohne Ausnahme von den Fremden, unter anderen von den reichen Koenigen Antiochos von Kommagene und Herodes von Judaea, vor allen aber von dem Kaiser Hadrian, der eine voellige “Neustadt” (novae Athenae) am Ilisos anlegte und ausser zahllosen anderen Gebaeuden, darunter dem schon erwaehnten Panhellenion, das Wunder der Welt, den von Peisistratos begonnenen Riesenbau des Olympieion mit seinen 120, zum Teil noch stehenden Saeulen, den groessten von allen, die heute aufrecht sind, sieben Jahrhunderte nach seinem Beginn in wuerdiger Weise abschloss. Selbst hatte diese Stadt kein Geld, nicht bloss fuer ihre Hafenmauern, die jetzt allerdings entbehrlich waren, sondern nicht einmal fuer den Hafen. Zu Augusts Zeit war der Peiraeeus ein geringes Dorf von wenigen Haeusern, nur besucht wegen der Meisterwerke der Malerei in den Tempelhallen. Handel und Industrie gab es in Athen fast nicht mehr, oder fuer die Buergerschaft insgemein wie fuer den einzelnen Buerger nur ein einziges bluehendes Gewerbe, den Bettel. Auch blieb es nicht bei der Finanzbedraengnis. Die Welt hatte wohl Frieden, aber nicht die Strassen und Plaetze von Athen. Noch unter Augustas hat ein Aufstand in Athen solche Verhaeltnisse angenommen, dass die roemische Regierung gegen die Freistadt einschreiten musste ^30; und wenn auch dieser Vorgang vereinzelt steht, so gehoerten Auflaeufe auf der Gasse wegen der Brotpreise und aus anderen geringfuegigen Anlaessen in Athen zur Tagesordnung. Viel besser wird es in zahlreichen anderen Freistaedten nicht ausgesehen haben, von denen weniger die Rede ist. Einer solchen Buergerschaft die Kriminaljustiz unbeschraenkt in die Hand zu geben, war kaum zu verantworten; und doch stand dieselbe den zu internationaler Foederation zugelassenen Gemeinden, wie Athen und Rhodos, von Rechts wegen zu. Wenn der athenische Areopag in augustischer Zeit sich weigerte, einen wegen Faelschung verurteilten Griechen auf die Verwendung eines vornehmen Roemers hin von der Strafe zu entbinden, so wird er in seinem Recht gewesen sein; aber dass die Kyzikener unter Tiberius roemische Buerger einsperrten, unter Claudius gar die Rhodier einen roemischen Buerger ans Kreuz schlugen, waren auch formale Rechtsverletzungen, und ein aehnlicher Vorgang hat unter Augustus den Thessalern ihre Autonomie gekostet. Uebermut und Uebergriff wird durch die Machtlosigkeit nicht ausgeschlossen, nicht selten von den schwachen Schutzbefohlenen eben daraufhin gewagt. Bei aller Achtung fuer grosse Erinnerungen und beschworene Vertraege mussten doch jeder gewissenhaften Regierung diese Freistaaten nicht viel minder als ein Bruch in die allgemeine Rechtsordnung erscheinen, wie das noch viel altheiligere Asylrecht der Tempel. —————————————————– ^30 Der athenische Aufstand unter Augustus ist sicher beglaubigt durch die aus Africanus geflossene Notiz bei Eusebius zum Jahre Abrahams 2025 (daraus Oros. hist. 6, 22, 2). Die Auflaeufe gegen den Strategen werden oft erwaehnt: Plut. q. sympos. 8, 3 z. A.; (Lucian) Demonax 11, 64; vit. soph. 1, 23. 2, 1, 11.
—————————————————– Schliesslich griff die Regierung durch und stellte die freien Staedte hinsichtlich ihrer Wirtschaft unter die Oberaufsicht von Beamten kaiserlicher Ernennung, die allerdings zunaechst als ausserordentliche Kommissarien “zur Korrektur der bei den Freistaedten eingerissenen Uebelstaende” charakterisiert werden und davon spaeterhin die Bezeichnung Korrektoren als titulare fuehren. Die Anfaenge derselben lassen sich bis in die traianische Zeit verfolgen; als stehende Beamte finden wir sie in Achaia im dritten Jahrhundert. Diese, neben den Prokonsuln fungierenden, vom Kaiser bestellten Beamten finden in keinem Teil des Roemischen Reichs so frueh sich ein und sind in keinem so frueh staendig geworden sie in dem halb aus Freistaedten bestehenden Achaia. Das an sich wohlberechtigte und durch die Haltung der roemischen Regierung wie vielleicht noch mehr durch die des roemischen Publikums genaehrte Selbstgefuehl der Hellenen, das Bewusstsein des geistigen Primats rief daselbst einen Kultus der Vergangenheit ins Leben, der sich zusammensetzt aus dem treuen Festhalten an den Erinnerungen groesserer und gluecklicherer Zeiten und dem barocken Zurueckdrehen der gereiften Zivilisation auf ihre zum Teil sehr primitiven Anfaenge. Zu den auslaendischen Kulten, wenn man absieht von dem schon frueher durch die Handelsverbindungen eingebuergerten Dienst der aegyptischen Gottheiten, namentlich der Isis, haben die Griechen im eigentlichen Hellas sich durchgehend ablehnend verhalten; wenn dies von Korinth am wenigsten gilt, so ist dies auch die am wenigsten griechische Stadt von Hellas. Die alte Landesreligion schuetzt nicht der innige Glaube, von dem diese Zeit sich laengst geloest hatte ^31; aber die heimische Weise und das Gedaechtnis der Vergangenheit haften vorzugsweise an ihr und darum wird sie nicht bloss mit Zaehigkeit festgehalten, sondern sie wird auch, zum guten Teil durch gelehrte Repristination, im Laufe der Zeit immer starrer und altertuemlicher, immer mehr ein Sonderbesitz der Studierten.
————————————————— ^31 Dem Beamten, auch dem gebildeten, das heisst dem Freidenker, wird angeraten, die Spenden, die er mache, an die religioesen Feste anzuknuepfen; denn die Menge werde in ihrem Glauben bestaerkt, wenn sie sehe, dass auch die Vornehmen der Stadt auf die Goetterverehrung etwas geben und sogar dafuer etwas aufwenden (Plut. praec. ger. reip. 30).
————————————————— Aehnlich verhaelt es sich mit dem Kultus der Stammbaeume, in welchem die Hellenen dieser Zeit ungemeines geleistet und die adelsstolzesten Roemer weit hinter sich gelassen haben. In Athen spielt das Geschlecht der Eumolpiden eine hervorragende Rolle bei der Reorganisierung des Eleusinischen Festes unter Marcus. Dessen Sohn Commodus verlieh dem Haupt des Geschlechtes der Keryken das roemische Buergerrecht, und aus demselben stammt der tapfere und gelehrte Athener, der, .fast wie Thukydides, mit den Goten schlug und dann den Gotenkrieg beschrieb. Des Marcus Zeitgenosse, der Professor und Konsular Herodes Atticus, gehoerte ebendiesem Geschlechte an, und sein Hofpoet singt von ihm, dass dem hochgeborenen Athener, dem Nachkommen des Hermes und der Kekropstochter Herse, der rote Schuh des roemischen Patriziats wohl angestanden habe, waehrend einer seiner Lobredner in Prosa ihn als Aeakiden feiert und zugleich als Abkoemmling von Miltiades und Kimon. Aber auch Athen wurde hierin noch weit ueberboten von Sparta; mehrfach begegnen Spartiaten, die sich der Herkunft von den Dioskuren, dem Herakles, dem Poseidon und des seit vierzig und mehr Generationen in ihrem Hause erblichen Priestertums dieser Altvordern beruehmen. Es ist charakteristisch fuer dieses Adelsrum, dass es sich hauptsaechlich erst mit dem Ende des zweiten Jahrhunderts einstellt; die Heraldiker, welche diese Geschlechtstafeln entwarfen, werden fuer die Beweisstuecke weder in Athen noch in Sparta die Goldwaage angewandt haben. Dieselbe Tendenz zeigt sich in der Behandlung der Sprache oder vielmehr der Dialekte. Waehrend in dieser Zeit in den sonstigen griechisch redenden Laendern und auch in Hellas im gewoehnlichen Verkehr das sogenannte gemeine, im wesentlichen aus der attischen Mundart heraus verschliffene Griechisch vorherrscht, strebt die Schriftsprache dieser Epoche nicht bloss nach der Beseitigung der eingerissenen Sprachfehler und Neuerungen, sondern vielfach werden dialektische Besonderheiten, dem Sprachgebrauch entgegen, wieder aufgenommen und hier, wo er am wenigsten berechtigt war, der alte Partikularismus in scheinhafter Weise zurueckgefuehrt. Den Standbildern, welche die Thespier den Musen im Hain des Helikon setzten, wurden auf gut boeotisch die Namen Orania und Thalea beigeschrieben, waehrend die dazu gehoerigen Epigramme, verfasst von einem Poeten roemischen Namens, sie auf gut ionisch Uranie und Thaleie nannten, und die nicht gelehrten Boeoter, wenn sie sie kannten, sie nannten, wie alle anderen Griechen, Urania und Thaleia. Von den Spartanern vor allem ist darin Unglaubliches geleistet und nicht selten mehr fuer den Schatten des Lykurgos als fuer die zur Zeit lebenden Aelier und Aurelier geschrieben worden ^32. Daneben kommt der korrekte Gebrauch der Sprache in dieser Zeit auch in Hellas allmaehlich ins Schwanken; Archaismen und Barbarismen gehen in den Dokumenten der Kaiserzeit haeufig friedlich nebeneinander her. Athens sehr mit Fremden gemischte Bevoelkerung hat in dieser Hinsicht sich zu keiner Zeit besonders ausgezeichnet ^33, und obwohl die staedtischen Urkunden sich verhaeltnismaessig rein halten, macht doch seit Augustus die allgemein einreissende Sprachverderbnis auch hier sich fuehlbar. Die strengen Grammatiker der Zeit haben ganze Buecher gefuellt mit den Sprachschnitzern, die der eben erwaehnte, viel gefeierte Rhetor Herodes Atticus und die uebrigen beruehmten Schulredner des zweiten Jahrhunderts sich zuschulden kommen liessen ^34, ganz abgesehen von der verzwickten Kuenstelei und der manierierten Pointierung ihrer Rede. Die eigentliche Verwilderung aber in Sprache und Schrift reisst in Athen und ganz Griechenland, eben wie in Rom, ein mit Septimius Severus ^35. ——————————————— ^32 Ein Musterstueck ist die Inschrift (Lebas-Foucart II, S. 142, n. 162) des M(ark/o/r) Ayr(/e/lior) Ze?xippoy o kai Kleandror PHilomois/o/, eines Zeitgenossen also des Pius und Marcus, welcher war iere?s Lethkippid/o/n kai Tindaridan, der Dioskuren und ihrer Gattinnen, der Toechter des Leukippos, aber, damit zu dem Alten das Neue nicht fehle, auch archiereos t/o/ Sebast/o/ kai t/o/on thei/o/n progon/o/n /o/t/o/. Er war in seiner Jugend ferner gewesen boyagor mikkichiddomen/o/n, woertlich Stierfuehrer der Kleinen, naemlich Anfuehrer der dreijaehrigen Knaben – die lykurgischen Knabenherden gingen mit dem siebenten Jahr an, aber seine Nachfahren hatten das Fehlende nachgeholt und von den Einjaehrigen an alle eingeherdet und mit “Fuehrern” versehen. Dieser selbe Mann siegte (neikaar = nik/e/sas) kass/e/ratorin, m/o/an kai l/o/an; was das heisst, weiss vielleicht Lykurgos.
^33 “Das innere Attika”, sagt ein Bewohner desselben bei Philostratos (vit. soph. 2, 7), “ist eine gute Schule fuer den, der sprechen lernen will; die Stadtbewohner dagegen von Athen, welche den aus Thrakien und dem Pontus und andern barbarischen Landschaften herbeistroemenden jungen Leuten Wohnungen vermieten, lassen mehr durch sie ihre Sprache sich verderben als dass sie ihnen das gute Sprechen beibringen. Aber im Binnenland, dessen Bewohner nicht mit Barbaren vermischt sind, ist die Aussprache und die Rede gut”. ^34 Karl Keil (RE 1, z. Aufl., S. 2100) weist hin auf tinos fuer /e/s tinos und ta ch/o/ria gegonan der Inschrift der Gattin des Herodes (CIL VI, 1342). ^35 Dittenberger in Hermes 1, 1866, S. 414. Dahin gehoert auch, was der plumpe Vertreter des Apollonios seinen Helden an die alexandrinischen Professoren schreiben laesst (ep. 34), dass er Argos, Sikyon, Megara, Phokis, Lokris verlassen habe, um nicht, wenn er laenger in Hellas verweile, voellig zum Barbaren zu werden.
——————————————— Die Schadhaftigkeit der hellenischen Existenz lag in der Beschraenktheit ihres Kreises: es mangelte dem hohen Ehrgeiz an dem entsprechenden Ziel und darum ueberwucherte die niedere und erniedrigende Ambition. Auch in Hellas fehlte es nicht an einheimischen Familien von grossem Reichtum und bedeutendem Einfluss ^36. Das Land war wohl im ganzen arm, aber es gab doch Haeuser von ausgedehntem Grundbesitz und altbefestigtem Wohlstand. In Sparta zum Beispiel hat das des Lachares von Augustus bis wenigstens in die hadrianische Zeit eine Stellung eingenommen, welche tatsaechlich von dem Fuerstentum nicht allzuweit abstand. Den Lachares hatte Antonius wegen Erpressung hinrichten lassen. Dafuer war dessen Sohn Eurykles einer der entschiedensten Parteigaenger Augusts und einer der tapfersten Kapitaene in der entscheidenden Seeschlacht, der fast den besiegten Feldherrn persoenlich zum Gefangenen gemacht haette; er empfing von dem Sieger unter anderen reichen Gaben als Privateigentum die Insel Kythere (Cerigo). Spaeter spielte er eine hervorragende und bedenkliche Rolle, nicht bloss in seinem Heimatland, ueber welches er eine dauernde Vorstandschaft ausgeuebt haben muss, sondern auch an den Hoefen von Jerusalem und Caesarea, wobei das dem Spartiaten von den Orientalen gezollte Ansehen nicht wenig mitwirkte. Deswegen von dem Kaisergericht mehrfach zur Verantwortung gezogen, wurde er schliesslich verurteilt und ins Exil gesandt; aber der Tod entzog ihn rechtzeitig den Folgen des Urteilsspruches und sein Sohn Lakon trat in das Vermoegen und wesentlich auch, wenngleich in vorsichtigerer Form, in die Machtstellung des Vaters ein. Aehnlich stand in Athen das Geschlecht des oft genannten Herodes; wir koennen dasselbe aufsteigend durch vier Generationen bis in die Zeit Caesars zurueckverfolgen, und ueber des Herodes Grossvater ist, aehnlich wie ueber den Spartaner Eurykles, wegen seiner uebergreifenden Machtstellung in Athen die Konfiskation verhaengt worden. Die ungeheuren Latifundien, welche der Enkel in seiner armen Heimat besass, die zu Grabzwecken seiner Lustknaben verwendeten weiten Flaechen erregten den Unwillen selbst der roemischen Statthalter. Derartige maechtige Familien gab es vermutlich in den meisten Landschaften von Hellas, und wenn sie auf dem Landtag der Provinz in der Regel entschieden, so waren sie auch in Rom nicht ohne Verbindungen und Einfluss. Aber obwohl diejenigen rechtlichen Schranken, welche den Gallier und den Alexandriner noch nach erlangtem Buergerrecht vom Reichssenat ausschlossen, diesen vornehmen Griechen schwerlich entgegenstanden, vielmehr unter den Kaisern diejenige politische und militaerische Laufbahn, welche dem Italiker sich darbot, von Rechts wegen dem Hellenen gleichfalls offenstand, so sind dieselben doch tatsaechlich erst in spaeter Zeit und in beschraenktem Umfang in den Staatsdienst eingetreten, zum Teil wohl, weil die roemische Regierung der frueheren Kaiserzeit die Griechen als Auslaender ungern zuliess, zum Teil, weil diese selbst die mit dem Eintritt in diese Laufbahn verknuepfte Uebersiedlung nach Rom scheuten und es vorzogen, statt einer mehr unter den vielen Senatoren daheim die ersten zu sein. Erst des Lachares Urenkel Herklanos ist in traianischer Zeit, und in der Familie des Herodes wahrscheinlich zuerst dessen Vater um dieselbe Zeit in den roemischen Senat eingetreten ^37. ————————————————— ^36 Tacitus (zum Jahre 62 ann. 15, 20) charakterisiert einen dieser reichen und einflussreichen Provinzialen, den Claudius Timarchides aus Kreta, der in seinem Kreis allmaechtig ist (ut solent praevalidi provincialium et opibus nimiis ad iniurias minorum elati) und ueber den Landtag, also auch ueber das obligate, aber fuer den abgehenden Prokonsul mit Ruecksicht auf die moeglichen Rechenschaftsklagen sehr wuenschenswerte Danksagungsdekret desselben verfuegt (in sua potestate situm, an proconsulibus, qui Cretam obtinuissent, grates agerentur). Die Opposition beantragt die Untersagung dieser Dankdekrete, aber es gelingt ihr nicht, den Antrag zur Abstimmung zu bringen. Von einer andern Seite schildert Plutarch (praec. ger. reip. 19, 3) diese vornehmen Griechen. ^37 Herodes war ex ypat/o/n (vit. soph. 1, 25, 5, p. 536), etelei ek pater/o/n es to?s disypatoys (das. 2 z. A., p. 545). Sonst ist von Konsulaten seiner Ahnen nichts bekannt; aber sicher ist der Grossvater Hipparchos nicht Senator gewesen. Moeglicherweise handelt es sich sogar nur um kognatische Aszendenten. Das roemische Buergerrecht hat die Familie nicht unter den Juliern (vgl. CIA III, 489), sondern erst unter den Claudiern empfangen. ————————————————— Die andere Laufbahn, welche erst in der Kaiserzeit sich auftat, der persoenliche Dienst des Kaisers, gab wohl im guenstigen Fall Reichtum und Einfluss und ist auch frueher und haeufiger von den Griechen betreten worden; aber da die meisten und wichtigsten dieser Stellungen an den Offizierdienst geknuepft waren, scheint auch fuer diese laengere Zeit ein faktischer Vorzug der Italiker bestanden zu haben und war der gerade Weg auch hier den Griechen einigermassen verlegt. In untergeordneten Stellungen sind Griechen am kaiserlichen Hofe von jeher und in grosser Anzahl verwendet worden und auf Umwegen oftmals zu Vertrauen und Einfluss gelangt; aber dergleichen Persoenlichkeiten kamen mehr aus den hellenisierten Landschaften als aus Hellas selbst und am wenigsten aus den besseren hellenischen Haeusern. Fuer die legitime Ambition des jungen Mannes von Herkunft und Vermoegen gab es, wenn er ein Grieche war, im roemischen Kaiserreich nur beschraenkten Spielraum. Es blieb ihm die Heimat, und in dieser fuer das gemeine Wohl taetig zu sein, war allerdings Pflicht und Ehre. Aber es waren sehr bescheidene Pflichten und noch viel bescheidenere Ehren. “Eure Aufgabe”, sagt Dion weiter seinen Rhodiern, “ist eine andere, als die der Vorfahren war. Sie konnten ihre Tuechtigkeit nach vielen Seiten hin entwickeln, nach dem Regiment streben, den Unterdrueckten beistehen, Bundesgenossen gewinnen, Staedte gruenden, kriegen und siegen; von allem dem vermoegt ihr nichts mehr zu tun. Es bleibt euch die Fuehrung des Hauswesens, die Verwaltung der Stadt, die Verleihung von Ehren und Auszeichnungen mit Wahl und Mass, der Sitz im Rat und im Gericht, der Gottesdienst und die Feier der Feste; in allem diesem koennt ihr euch vor andern Staedten auszeichnen. Auch das ist nichts Geringes, die anstaendige Haltung, die Sorgfalt fuer Haar und Bart, der gesetzte Gang auf der Strasse, so dass bei euch selbst die anders gewoehnten Fremden sich es abgewoehnen zu rennen, die schickliche Tracht, sogar, wenn es auch laecherlich erscheinen mag, der schmale und knappe Purpursaum, die Ruhe im Theater, das Masshalten im Klatschen: das alles macht die Ehre eurer Stadt, und mehr als in euren Haefen und Mauern und Docks zeigt sich hierin das gute alte hellenische Wesen und erkennt hierin auch der Barbar, der den Namen der Stadt nicht weiss, dass er in Griechenland ist und nicht in Syrien oder Kilikien.” Das traf alles zu; aber wenn es jetzt nicht mehr von dem Buerger verlangt ward, fuer die Vaterstadt zu sterben, so war doch die Frage nicht ohne Berechtigung, ob es noch der Muehe wert sei, fuer diese Vaterstadt zu leben. Es gibt von Plutarchos eine Auseinandersetzung ueber die Stellung der griechischen Gemeindebeamten zu seiner Zeit, worin er mit der ihm eigenen Billigkeit und Umsicht diese Verhaeltnisse eroertert. Die alte Schwierigkeit, die gute Verwaltung der oeffentlichen Angelegenheiten zu fuehren mittels der Majoritaeten der unsicheren, launenhaften, oft mehr den eigenen Vorteil als den des Gemeinwesens bedenkenden Buergerschaft oder auch der sehr zahlreichen Ratsversammlung – die athenische zaehlte in der Kaiserzeit erst 600, dann 500, spaeter 750 Stadtraete -, bestand wie frueher, so auch jetzt; es ist die Pflicht des tuechtigen Beamten zu verhindern, dass das “Volk” nicht dem einzelnen Buerger Unrecht tut, nicht das Privatvermoegen unerlaubterweise an sich zieht, nicht das Gemeindegut unter sich verteilt – Aufgaben, die dadurch nicht leichter werden, dass der Beamte kein Mittel dafuer hat als die verstaendige Ermahnung und die Kunst des Demagogen, dass ihm ferner geraten wird, in kleinen Dingen nicht allzu sproede zu sein und wenn bei einem Stadtfest eine maessige Spende an die Buergerschaft in Antrag kommt, es nicht solcher Kleinigkeit wegen mit den Leuten zu verderben. Im uebrigen aber hatten die Verhaeltnisse sich voellig veraendert, und es muss der Beamte in die gegenwaertigen sich schicken lernen. Vor allem hat er die Machtlosigkeit der Hellenen sich selbst wie den Mitbuergern jeden Augenblick gegenwaertig zu halten. Die Freiheit der Gemeinde reicht soweit die Herrscher sie gestatten, und ein Mehr wuerde auch wohl vom Uebel sein. Wenn Perikles die Amtstracht anlegte, so rief er sich zu, nicht zu vergessen, dass er ueber Freie und Griechen herrsche; heute hat der Beamte sich zu sagen, dass er unter einem Herrscher herrsche, ueber eine den Prokonsuln und den kaiserlichen Prokuratoren untergebene Stadt, dass er nichts sein koenne und duerfe als das Organ der Regierung, dass ein Federstrich des Statthalters genuege, um jedes seiner Dekrete zu vernichten. Darum ist es die erste Pflicht eines guten Beamten, sich mit den Roemern in gutes Einvernehmen zu setzen und womoeglich einflussreiche Verbindungen in Rom anzuknuepfen, damit diese der Heimat zugute kommen. Freilich warnt der rechtschaffene Mann eindringlich vor der Servilitaet; noetigenfalls soll der Beamte mutig dem schlechten Statthalter entgegentreten, und als die hoechste Leistung erscheint die entschlossene Vertretung der Gemeinde in solchen Konflikten in Rom vor dem Kaiser. In bezeichnender Weise tadelt er scharf diejenigen Griechen, die – ganz wie in den Zeiten des Achaeischen Bundes – bei jedem oertlichen Hader die Intervention des roemischen Statthalters herbeifuehren, und mahnt dringend, die Gemeindeangelegenheiten lieber innerhalb der Gemeinde zu erledigen, als durch Appellation sich nicht so sehr der Oberbehoerde, als den bei ihr taetigen Sachwaltern und Advokaten in die Haende zu liefern. Alles dieses ist verstaendig und patriotisch, so verstaendig und so patriotisch wie einstmals die Politik des Polybios, auf die auch ausdruecklich hingewiesen wird. In dieser Epoche des voelligen Weltfriedens, wo es weder einen Griechen- noch einen Barbarenkrieg irgendwo gibt, wo die staedtischen Kommandos, die staedtischen Friedensschluesse und Buendnisse lediglich der Geschichte angehoeren, war der Rat sehr am Platze, Marathon und Plataeae den Schulmeistern zu ueberlassen und nicht die Koepfe der Ekklesia mit dergleichen grossen Worten zu erhitzen, vielmehr in dem engen Kreise der noch gestatteten freien Bewegung sich zu bescheiden. Aber die Welt gehoert nicht dem Verstande, sondern der Leidenschaft. Der hellenische Buerger konnte auch jetzt noch gegen das Vaterland seine Pflicht tun; aber fuer den rechten politischen, nach Grossem ringenden Ehrgeiz, fuer die Perikleische und Alkibiadische Leidenschaft war in diesem Hellas, vom Schreibtisch etwa abgesehen, nirgends ein Raum, und in der Luecke wucherten die Giftkraeuter, die da, wo das hohe Streben erstickt ist, die Menschenbrust versehren und das Menschenherz vergiften. Darum ist Hellas auch das Mutterland der heruntergekommenen, inhaltlosen Ambition, unter den vielen schweren Schaeden der sinkenden antiken Zivilisation vielleicht des am meisten allgemeinen, und sicher eines der verderblichsten. Dabei stehen in erster Reihe die Volksfeste mit ihrer Preiskonkurrenz. Die olympischen Wettkaempfe stehen dem jugendlichen Volk der Hellenen wohl an; das allgemeine Turnerfest der griechischen Staemme und Staedte und der nach dem Spruch der “Hellasrichter” dem tuechtigsten Wettlaeufer aus den Zweigen des Oelbaums geflochtene Kranz ist der unschuldige und einfache Ausdruck der Zusammengehoerigkeit der jungen Nation. Aber die politische Entwicklung hatte bald ueber diese Morgenroete hinausgefuehrt. Schon in den Tagen des Athenischen Seebundes und gar erst der Alexandermonarchie war jenes Hellenenfest ein Anachronismus, ein im Mannesalter fortgefuehrtes Kinderspiel; dass der Besitzer jenes Oelkranzes wenigstens sich und seinen Mitbuergern als Inhaber des nationalen Primats galt, kam ungefaehr darauf hinaus, wie wenn man in England die Sieger der Studentenregatten mit Pitt und Beaconsfield in eine Linie stellen wollte. Die Ausdehnung der hellenischen Nation durch Kolonisierung und Hellenisierung fand in ihrer idealen Einheit und realen Zerfahrenheit in diesem traumhaften Reich des Olivenkranzes ihren rechten Ausdruck; und die griechische Realpolitik der Diadochenzeit hat sich denn auch um dasselbe, wie billig, wenig bekuemmert. Aber als die Kaiserzeit in ihrer Weise den panhellenischen Gedanken aufnahm und die Roemer in die Rechte und die Pflichten der Hellenen eintraten, da blieb oder ward fuer das roemische Allhellas Olympia das rechte Symbol; erscheint doch unter Augustus der erste roemische Olympionike, und zwar kein geringerer als Augustus’ Stiefsohn, der spaetere Kaiser Tiberius ^38. Das nicht reinliche Ehebuendnis, welches das Allhellenentum mit dem Daemon des Spiels einging, machte aus diesen Festen eine ebenso maechtige und dauernde wie im allgemeinen und besonders fuer Hellas schaedliche Institution. Die gesamte hellenische und hellenisierende Welt beteiligte sich daran, sie beschickend und sie nachahmend; ueberall sprangen aehnliche, fuer die ganze griechische Welt bestimmte Feste aus dem Boden und die eifrige Anteilnahme der breiten Massen, das allgemeine Interesse fuer den einzelnen Wettkaempfer, der Stolz des Siegers nicht bloss, sondern seines Anhangs und seiner Heimat liessen fast vergessen, um welche Dinge eigentlich gestritten ward. Die roemische Regierung liess diesem Wetturnen und den sonstigen Wettkaempfen nicht bloss freien Lauf, sondern beteiligte das Reich an denselben; das Recht der feierlichen Einholung des Siegers in seine Heimatstadt hing in der Kaiserzeit nicht von dem Belieben der betreffenden Buergerschaft ab, sondern wurde den einzelnen Spielinstituten durch kaiserliches Privilegium verliehen ^39 und in diesem Fall auch die dem Sieger zustehende jaehrliche Pension (sit/e/sis) auf die Reichskasse uebernommen, die bedeutenderen Spielinstitute also geradezu als Reichseinrichtungen behandelt. Dieses Spielwesen erfasste wie das Reich selbst so alle Provinzen; immer aber war das eigentliche Griechenland der ideale Mittelpunkt solcher Kaempfe und Siege, hier ihre Heimat am Alpheios, hier der Sitz der aeltesten Nachbildungen, der noch der grossen Zeit des hellenischen Namens angehoerigen und von ihren klassischen Dichtern verherrlichten Pythien, Isthmien und Nemeen, nicht minder einer Anzahl juengerer, aber reich ausgestatteter, aehnlicher Feste, der Eurykleen, die der oben erwaehnte Herr von Sparta unter Augustus gegruendet, der athenischen Panathenaeen, der von Hadrian mit kaiserlicher Munifizenz dotierten, ebenfalls in Athen gefeierten Panhellenien. Man durfte sich verwundern, dass die ganze Welt des weiten Reiches sich um diese Turnfeste zu drehen schien, aber nicht darueber, dass an diesem seltsamen Zauberbecher vor allem die Hellenen sich berauschten, und dass das politische Stilleben, das ihre besten Maenner ihnen anempfahlen, durch die Kraenze und die Statuen und die Privilegien der Festsieger in schaedlichster Weise verwirrt ward. ————————————————- ^38 Der erste roemische Olympionike, von dem wir wissen, ist Ti. Claudius Ti. f. Nero, ohne Zweifel der spaetere Kaiser, mit dem Viergespann (Archaeologische Zeitung 38, 1880, S. 53); es faellt dieser Sieg wahrscheinlich Ol. 195 (n. Chr. 1), nicht Ol. 199 (n. Chr. 17), wie die Liste des Africanus angibt (Eus. thron. 1, p. 214 Schoene). In diesem Jahre siegte vielmehr sein Sohn Germanicus, ebenfalls mit dem Viergespann (Archaeologische Zeitung 37, 1879, S. 36). Unter den eponymen Olympioniken, den Siegern im Stadium, findet sich kein Roemer; diese Verletzung des griechischen Nationalgefuehls scheint vermieden worden zu sein.
^39 Ein also privilegiertes Spielinstitut heisst ag/o/n ieros, certamen sacrum (das heisst mit Pensionierung: Dio Sl, 1) oder ag/o/n eiselastikos, certamen iselasticum (vgl. unter anderen Plin. ep. ad Trai. 118, 119; CIL X, 515). Auch die Xystarchie wird, wenigstens in gewissen Faellen, vom Kaiser verliehen (Dittenberger in Heymes 12, 1877, S. 17f.). Nicht mit Unrecht nennen diese Institute sich “Weltspiele” (ag/o/n oikoymenikos). ————————————————- Einen aehnlichen Weg gingen die staedtischen Institutionen, allerdings im ganzen Reich, aber wiederum vorzugsweise in Hellas. Als es dort noch grosse Ziele und einen Ehrgeiz gab, hatte in Hellas, eben wie in Rom, die Bewerbung um die Gemeindeaemter und die Gemeindeehren den Mittelpunkt des politischen Wetteifers gebildet und neben vielem Leeren, Laecherlichen, Boesartigen auch die tuechtigsten und edelsten Leistungen hervorgerufen. Jetzt war der Kern verschwunden, die Schale geblieben; in Panopeus im Phokischen standen zwar die Haeuser ohne Dach und wohnten die Buerger in Huetten, aber es war noch eine Stadt, ja ein Staat, und bei dem Aufzug der phokischen Gemeinden fehlten die Panopeer nicht. Diese Staedte trieben mit ihren Aemtern und Priestertuemern, mit den Belobigungsdekreten durch Heroldsruf und den Ehrensitzen bei den oeffentlichen Versammlungen, mit dem Purpurgewand und dem Diadem, mit den Statuen zu Fuss und zu Ross ein Eitelkeits- und Geldgeschaeft schlimmer als der kleinste Duodezfuerst der neueren Zeit mit seinen Orden und Titeln. Es wird ja auch in diesen Vorgaengen das wirkliche Verdienst und die ehrliche Dankbarkeit nicht gefehlt haben; aber durchgaengig war es ein Handel auf Geben und Nehmen oder, mit Plutarch zu reden, ein Geschaeft wie zwischen der Kurtisane und ihren Kunden. Wie heutzutage die private Munifizenz im Positiv den Orden und im Superlativ den Adel bewirkt, so verschaffte sie damals den priesterlichen Purpur und die Bildsaeule auf dem Markt; und nicht ungestraft treibt der Staat mit seinen Ehren Falschmuenzerei. In der Massenhaftigkeit derartiger Prozeduren und der Roheit ihrer Formen stehen die heutigen Leistungen hinter denen der alten Welt betraechtlich zurueck, wie natuerlich, da die durch den Staatsbegriff nicht genuegend gebaendigte scheinhafte Autonomie der Gemeinde auf diesem Gebiet ungehindert schaltete und die dekretierenden Behoerden durchgaengig die Buergerschaften oder die Raete von Kleinstaedten waren. Die Folgen waren nach beiden Seiten verderblich: die Gemeindeaemter wurden mehr nach der Zahlungsfaehigkeit als nach der Tuechtigkeit der Bewerber vergeben; die Schmaeuse und Spenden machten die Beschenkten nicht reicher und den Schenker oftmals arm; an dem Zunehmen der Arbeitsscheu und dem Vermoegensverfall der guten Familien traegt diese Unsitte ihren vollgemessenen Anteil. Auch die Wirtschaft der Gemeinden selbst litt schwer unter dem Umsichgreifen der Adulation. Zwar waren die Ehren, mit welchen die Gemeinde dem einzelnen Wohltaeter dankte, grossenteils nach demselben verstaendigen Prinzip der Billigkeit bemessen, welches heutzutage die aehnlichen dekorativen Verguenstigungen beherrscht; und wo das nicht der Fall war, fand haeufig der Wohltaeter sich bereit, zum Beispiel die ihm zu setzende Bildsaeule selber zu bezahlen. Aber nicht dasselbe gilt von den Ehrenbezeugungen, welche die Gemeinde vornehmen Auslaendern, vor allem den Statthaltern und den Kaisern wie den Gliedern des kaiserlichen Hauses erwies. Die Richtung der Zeit auf Wertschaetzung auch der inhaltlosen und obligaten Huldigung beherrschte den kaiserlichen Hof und die roemischen Senatoren nicht so wie die Kreise des kleinstaedtischen Ehrgeizes, aber doch auch in sehr fuehlbarer Weise; und selbstverstaendlich wuchsen die Ehren und die Huldigungen einmal im Laufe der Zeit durch die ihnen eigene Vernutzung, und ferner in demselben Mass, wie die Geringhaltigkeit der regierenden oder an der Regierung beteiligten Persoenlichkeiten. Begreiflicherweise war in dieser Hinsicht das Angebot immer staerker als die Nachfrage und diejenigen, die solche Huldigungen richtig wuerdigten, um davon verschont zu bleiben, genoetigt, sie abzuwehren, was im einzelnen Fall oft genug ^40, aber konsequenterweise selten geschehen zu sein scheint – fuer Tiberius darf die geringe Anzahl der ihm errichteten Bildsaeulen vielleicht unter seinen Ruhmestiteln verzeichnet werden. Die Ausgaben fuer Ehrendenkmaeler, die oft weit ueber die einfache Statue hinausgingen, und fuer Ehrengesandtschaften ^41 sind ein Krebsschaden gewesen und immer mehr geworden an dem Gemeindehaushalt aller Provinzen. Aber keine wohl hat im Verhaeltnis zu ihrer geringen Leistungsfaehigkeit so grosse Summen unnuetz aufgewandt wie die Provinz von Hellas, das Mutterland wie der Festsieger- so auch der Gemeindeehren und in einem Prinzipat in dieser Zeit unuebertroffen, in dem der Bedientendemut und untertaenigen Huldigung.
—————————————— ^40 Kaiser Gaius zum Beispiel verbittet sich in seinem Schreiben an den Landtag von Achaia die “grosse Zahl” der ihm zuerkannten Bildsaeulen und begnuegt sich mit den vier von Olympia, Nemea, Delphi und dem Isthmos (Keil, Sylloge Inscriptionum Boeoticarum, n. 31). Derselbe Landtag beschliesst, dem Kaiser Hadrian in jeder seiner Staedte eine Bildsaeule zu setzen, von welchen die Basis der in Abea in Messenien aufgestellten sich erhalten hat (CIG 1307). Kaiserliche Autorisation ist fuer solche Setzungen von jeher gefordert worden. ^41 Bei der Revision der Stadtrechnungen von Byzantion fand Plinius, dass jaehrlich 12000 Sesterzen (2500 Mark) fuer den dem Kaiser und 3000 Sesterzen (650 Mark) fuer den dem Statthalter von Moesien durch eine besondere Deputation zu ueberreichenden Neujahrsglueckwunsch angesetzt waren. Plinius weist die Behoerden an, diese Glueckwuensche fortan nur schriftlich einzusenden, was Traian billigt (ep. ad Trai. 43, 44).
—————————————— Dass die wirtschaftlichen Zustaende Griechenlands nicht guenstig waren, braucht kaum noch besonders ausgefuehrt zu werden. Das Land, im ganzen genommen, ist nur von maessiger Fruchtbarkeit, die Ackerfluren von beschraenkter Ausdehnung, der Weinbau auf dem Kontinent nicht von hervorragender Bedeutung, mehr die Kultur der Olive. Da die Brueche des beruehmten Marmors, des glaenzend weissen attischen wie des gruenen karystischen, wie die meisten uebrigen zum Domanialbesitz gehoerten, kam deren Ausbeutung durch die kaiserlichen Sklaven der Bevoelkerung wenig zugute.
Die gewerbfleissigste der griechischen Landschaften war die der Achaeer, wo die seit langem bestehende Fabrikation von Wollenstoffen sich behauptete und in der wohlbevoelkerten Stadt Patrae zahlreiche Spinnereien den feinen elischen Flachs zu Kleidern und Kopfnetzen verarbeiteten. Die Kunst und das Kunsthandwerk blieben auch jetzt noch vorzugsweise den Griechen, und von den Massen besonders pentelischen Marmors, welche die Kaiserzeit verbraucht hat, muss ein nicht geringer Teil an Ort und Stelle verarbeitet worden sein. Ueberwiegend aber uebten die Griechen beide im Ausland; von dem frueher so bedeutenden Export des griechischen Kunstgewerbes ist in dieser Zeit wenig die Rede. Den regsten Verkehr hatte die Stadt der beiden Meere, Korinth, die allen Hellenen gemeinsame, stets von Fremden wimmelnde Metropole, wie ein Redner sie bezeichnet. In den beiden roemischen Kolonien Korinth und Patrae, und ausserdem in dem stets von schauenden und lernenden Auslaendern gefuellten Athen konzentrierte sich das groessere Bankiergeschaeft der Provinz, welches in der Kaiserzeit wie in der republikanischen zum grossen Teil in den Haenden dort ansaessiger Italiker lag. Auch in Plaetzen zweiten Ranges, wie in Argos, Elis, Mantineia im Peloponnes, bilden die ansaessigen roemischen Kaufleute eigene, neben der Buergerschaft stehende Genossenschaften. Im allgemeinen lag in Achaia Handel und Verkehr darnieder, namentlich seit Rhodos und Delos aufgehoert hatten, Stapelplaetze fuer den Zwischenverkehr zwischen Asien und Europa zu sein und dieser sich nach Italien gezogen hatte. Die Piraterie war gebaendigt und auch die Landstrassen wohl leidlich sicher ^42; aber damit kehrte die alte glueckliche Zeit noch nicht zurueck. Der Veroedung des Peiraeeus wurde schon gedacht; es war ein Ereignis, wenn eines der grossen aegyptischen Getreideschiffe sich einmal dorthin verirrte. Nauplia, der Hafen von Argos, nach Patrae der bedeutendsten Kuestenstadt des Peloponnes, lag ebenso wuest ^43. ———————————————— ^42 Dass die Landstrassen in Griechenland besonders unsicher gewesen seien, erfahren wir nicht; der Aufstand in Achaia unter Pius (vita 5, 4) ist seiner Art nach voellig dunkel. Wenn der Raeuberhauptmann ueberhaupt – nicht eben gerade der griechische – in der geringen Literatur der Epoche eine hervorragende Rolle spielt, so ist dies Vehikel den schlechten Romanschreibern aller Zeiten gemein. Das euboeische Oedland des feineren Dion ist nicht ein Raeubernest, sondern es sind die Truemmer einer grossen Gutswirtschaft, deren Inhaber seines Reichtums wegen vom Kaiser verurteilt worden ist und die seitdem wuest liegt. Uebrigens zeigt sich hier, was freilich wenigstens fuer Nicht-Gelehrte keines Beweises bedarf, dass diese Geschichte gerade ebenso wahr ist wie die meisten, welche damit anfangen, dass der Erzaehler sie selbst von dem Beteiligten habe; waere die Konfiskation historisch, so wuerde der Besitz an den Fiskus gekommen sein, nicht an die Stadt, welche der Erzaehler denn auch sich wohl huetet zu nennen. ^43 Des aegyptischen Kaufmanns aus Constantius Zeit naive Schilderung Achaias mag hier noch Platz finden: “Das Land Achaia, Griechenland und Lakonien hat viel Gelehrsamkeit, aber fuer die uebrigen Beduerfnisse ist es unzulaenglich: denn es ist eine kleine und gebirgige Provinz und kann nicht viel Getreide liefern, erzeugt aber etwas Oel und den attischen Honig, und kann mehr wegen der Schulen und der Beredsamkeit gepriesen werden, nicht aber so in den meisten uebrigen Beziehungen. Von Staedten hat es Korinth und Athen. Korinth hat viel Handel und ein schoenes Gebaeude, das Amphitheater, Athen aber die alten Bilder (historias antiquas) und ein erwaehnenswertes Werk, die Burg, wo viele Bildsaeulen stehen und wunderbar die Kriegstaten der Vorfahren darstellen (ubi multis statuis stantibus mirabile est videre dicendum antiquorum bellum). Lakonien soll allein den Marmor von Krokeae aufzuweisen haben, den man den lakedaemonischen nennt.” Die Barbarei des Ausdrucks kommt nicht auf Rechnung des Schreibers, sondern auf die des viel spaeteren Uebersetzers. ———————————————— Dem entspricht es, dass fuer die Strassen dieser Provinz in der Kaiserzeit so gut wie nichts geschehen ist; roemische Meilensteine haben sich nur in der naechsten Naehe von Patrae und von Athen gefunden und auch diese gehoeren den Kaisern aus dem Ende des dritten und dem vierten Jahrhundert; offenbar haben die frueheren Regierungen darauf verzichtet, hier Kommunikationen herzustellen. Nur Hadrian unternahm es, wenigstens die so wichtige wie kurze Landverbindung zwischen Korinth und Megara ueber den schlimmen skironischen Klippenpass durch gewaltige, ins Meer geworfene Daemme zu einer fahrbaren Strasse zu machen. Der seit langem verhandelte Plan, die korinthische Landenge zu durchstechen, den der Diktator Caesar aufgefasst hatte, ist spaeterhin erst von Kaiser Gaius, dann von Nero in Angriff genommen worden. Letzterer hat sogar bei seinem Aufenthalt in Griechenland persoenlich zu dem Kanal den ersten Stich getan und eine Reihe von Monaten hindurch 6000 juedische Kriegsgefangene an demselben arbeiten lassen. Bei den in unseren Tagen wieder aufgenommenen Durchsticharbeiten sind bedeutende Reste dieser Bauten zum Vorschein gekommen, welche zeigen, dass die Arbeiten ziemlich weit vorgeschritten waren, als man sie abbrach, wahrscheinlich nicht infolge der einige Zeit nachher im Westen ausbrechenden Revolution, sondern weil man hier, eben wie bei dem aehnlichen aegyptischen Kanal, infolge des irrigerweise vorausgesetzten verschiedenen Hoehestandes der beiden Meere bei Vollendung des Kanals den Untergang der Insel Aegina und weiteres Unheil befuerchtete. Freilich wuerde dieser Kanal, wenn er vollendet worden waere, wohl den Verkehr zwischen Asien und Italien abgekuerzt haben, aber Griechenland selbst nicht vorwiegend zugute gekommen sein. Dass die Landschaften noerdlich von Hellas, Thessalien und Makedonien und, wenigstens seit Traian, auch Epirus, in der Kaiserzeit administrativ von Griechenland getrennt wurden, ist schon bemerkt worden. Von diesen hat die kleine epirotische Provinz, die von einem kaiserlichen Statthalter zweiten Ranges verwaltet wurde, sich niemals von der Verwuestung erholt, welche im Verlauf des Dritten makedonischen Krieges ueber sie ergangen war. Das bergige und arme Binnenland besass keine namhafte Stadt und eine duenn gesaete Bevoelkerung. Die nicht minder veroedete Kueste war Augustus zu heben bemueht durch eine doppelte Staedteanlage, durch die Vollendung der schon von Caesar beschlossenen Kolonie roemischer Buerger in Buthrotum, Kerkyra gegenueber, die indes zu keiner rechten Bluete gelangte, und durch die Gruendung der griechischen Stadt Nikopolis an eben der Stelle, wo vor der Aktischen Entscheidungsschlacht das Hauptquartier gestanden hatte, an dem suedlichsten Punkte von Epirus, anderthalb Stunden noerdlich von Prevesa, nach Augustus’ Absicht zugleich ein dauerndes Denkmal des grossen Seesiegs und der Mittelpunkt neu aufbluehenden hellenischen Lebens. Diese Gruendung ist in ihrer Art als roemische neu.
An Ambrakias Statt und des amphilochischen Argos, an Thyreions und an Anaktorions Statt,
auch an Leukas Statt und was von Staedten noch ringsum rasend des Ares Speer weiter zu Boden gestreckt, gruendet die Siegsstadt Caesar, die heilige, also dem Koenig Phoebos Apollon mit ihr dankend den aktischen Sieg. Diese Worte eines gleichzeitigen griechischen Dichters sprechen einfach aus, was Augustus hier getan hat: das ganze umliegende Gebiet, das suedliche Epirus, die gegenueberliegende Landschaft Akarnanien mit der Insel Leukas, selbst einen Teil von Aetolien vereinigte er zu einem Stadtgebiet und siedelte die in den dort vorhandenen, verkuemmernden Ortschaften noch uebrigen Bewohner ueber nach der neuen Stadt Nikopolis, der gegenueber auf dem akarnanischen Ufer der alte Tempel des aktischen Apollon in prachtvoller Weise erneuert und erweitert ward. Eine roemische Stadt ist nie in dieser Weise gegruendet worden; dies ist der Synoekismos der Alexandriden. Ganz in derselben Weise haben Koenig Kassandros die makedonischen Staedte Thessalonike und Kassandreia, Demetrios der Staedtebezwinger die thessalische Stadt Demetrias, Lysimachos die Stadt Lysimacheia auf dem Thrakischen Chersones aus einer Anzahl umliegender, ihrer Selbstaendigkeit entkleideter Ortschaften zusammengelegt. Dem griechischen Charakter der Gruendung entsprechend sollte Nikopolis nach der Absicht seines Stifters eine griechische Grossstadt werden ^44. Sie erhielt Freiheit und Autonomie wie Athen und Sparta und sollte, wie bereits angegeben ward, in der das gesamte Hellas vertretenden Amphiktyonie den fuenften Teil der Stimmen fuehren und zwar, wie Athen, ohne mit anderen Staedten zu wechseln. Das neue aktische Apolloheiligtum war voellig nach dem Muster von Olympia eingerichtet, mit einem Vierjahrfest, das selbst den Namen des olympischen neben dem eigenen fuehrte, gleichen Rang und gleiche Privilegien, auch seine Aktfaden wie jenes seine Olympiaden hatte ^45; die Stadt Nikopolis verhielt sich dazu wie die Stadt Elis zu dem olympischen Tempel ^46. Sorgfaeltig ward bei der staedtischen Einrichtung sowohl wie bei den religioesen Ordnungen alles eigentlich Italische vermieden, so nahe es lag, die mit der Reichsbegruendung so innig verknuepfte Siegesstadt in roemischer Weise zu gestalten. Wer die Augustischen Ordnungen in Hellas im Zusammenhang erwaegt und namentlich diesen merkwuerdigen Schlussstein, wird sich der Ueberzeugung nicht verschliessen koennen, dass Augustus eine Reorganisation von Hellas unter dem Schutz des roemischen Prinzipats ausfuehrbar geglaubt hat und hat ausfuehren wollen. Die Oertlichkeit wenigstens war dafuer wohl gewaehlt, da es damals, vor der Gruendung von Patrae, an der ganzen griechischen Westkueste keine groessere Stadt gab. Aber was Augustus im Anfang seiner Alleinherrschaft hoffen mochte, hat er nicht erreicht, vielleicht selbst schon spaeterhin aufgegeben, als er Patrae die Form der roemischen Kolonie gab. Nikopolis blieb, wie die ausgedehnten Ruinen und die zahlreichen Muenzen beweisen, verhaeltnismaessig bevoelkert und bluehend ^47, aber seine Buerger scheinen weder im Handel und Gewerbe noch anderweitig hervorragend eingegriffen zu haben. Das noerdliche Epirus, welches, aehnlich wie das angrenzende, zu Makedonien gelegte Illyricum, zum groesseren Teil von albanesischen Voelkerschaften bewohnt war und nicht unter Nikopolis gelegt ward, ist in der Kaiserzeit in seinen einigermassen noch heute fortbestehenden primitiven Verhaeltnissen verblieben. “Epirus und Illyricum”, sagt Strabon, “ist zum grossen Teil eine Einoede; wo sich Menschen finden, wohnen sie in Doerfern und in Truemmern frueherer Staedte; auch das” – im Mithradatischen Kriege von den Thrakern verwuestete – “Orakel von Dodona ist erloschen wie das uebrige alles.” ^48
————————————————— ^44 Wenn Tacitus (arm. 5, 10) Nikopolis eine colonia Romana nennt, so ist das zwar missverstaendlich, aber nicht gerade unrichtig, irrig aber des Plinius (nat. 4, 1, 5) colonia Augusti Actium cum .. . civitate libera Nicopolitana, da Aktion Stadt so wenig gewesen ist wie Olympia. ^45 O ag/o/n Ol?mpios ta Aktia: Strab. 7, 7, 6, p. 325; Aktias: Ios. bel. Iud. 1, 20, 4; Aktionik/e/s oefter. Wie die vier grossen griechischen Landesfeste bekanntlich /e/ periodos heissen, der in allen vier gekroente Sieger, periodonik/e/s, so wird CIG 4472 auch den Spielen von Nikopolis beigefuegt t/e/s periodoy und jene Periodos als die alte (archaia) bezeichnet. Wie die Wettspiele oefter isol?mpia heissen, so findet sich auch ag/o/n isaktios (CIG 4472) oder certamen ad exemplar Actiacae religionis (Tac. ann. 15, 23). ^46 So nennt sich ein Nikopolit arch/o/n t/e/s ieras Aktiak/e/s boyl/e/s (Delphi; Rheinisches Museum N. F. 2, 1843, S. 111), wie in Elis es heisst /e/ polis /E/lei/o/n kai /e/ Olympik/e/ boyl/e/ (Archaeologische Zeitung 34, 1876, S. 57; aehnlich daselbst 35, 1877, S. 40 und 41 und sonst). uebrigens erhielten die Spartaner, als die einzigen an dem Aktischen Siege mitbeteiligten Hellenen, die Leitung (epimeleia) der Aktischen Spiele (Strab. 7, 7, 6, p. 325); ihr Verhaeltnis zu der boyl/e/ Aktiak/e/ von Nikopolis kennen wir nicht. ^47 Die Schilderung seines Verfalls in der Zeit des Constantius (Paneg. 11, 9) beweist fuer die fruehere Kaiserzeit vielmehr das Gegenteil. ^48 Die Ausgrabungen in Dodona haben dies bestaetigt; alle Fundstuecke gehoeren der vorroemischen Epoche an, mit Ausnahme einiger Muenzen. Allerdings hat ein Restaurationsbau stattgefunden, dessen Zeit sich nicht bestimmen laesst; vielleicht ist er ganz spaet. Wenn Hadrian, der Ze?s D/o/d/o/naios genannt wird (CIG 1822), Dodona besucht hat (Duerr, Reisen Hadrians, S. 56), so tat er es als Archaeologe. Eine Befragung des Orakels in der Kaiserzeit wird nur, und auch nicht in glaubwuerdigster Weise, berichtet von Kaiser Julian (Theodoretus hist. eccl. 3, 21).
————————————————— Thessalien, an sich eine rein hellenische Landschaft so gut wie Aetolien und Akarnanien, war in der Kaiserzeit administrativ von der Provinz Achaia getrennt und stand unter dem Statthalter von Makedonien. Was von Nordgriechenland gilt, trifft auch auf Thessalien zu. Die Freiheit und Autonomie, welche Caesar den Thessalern allgemein zugestanden oder vielmehr nicht entzogen hatte, scheint ihnen wegen Missbrauchs von Augustus genommen worden zu sein, so dass spaeterhin nur Pharsalos diese Rechtsstellung behalten hat ^49; roemische Kolonisten sind in der Landschaft nicht angesiedelt worden. Ihren besonderen Landtag in Larisa behielt sie, und auch die staedtische Selbstverwaltung ist, wie den abhaengigen Griechen in Achaia, so den Thessalern geblieben. Thessalien ist weitaus die fruchtbarste Landschaft der ganzen Halbinsel und fuehrte noch im vierten Jahrhundert Getreide aus; nichtsdestoweniger sagt Dion von Prusa, dass auch der Peneios durch wuestes Land fliesse, und es ist in der Kaiserzeit in dieser Landschaft nur in sehr geringem Umfang gemuenzt worden. Um die Herstellung von Landstrassen haben Hadrian und Diocletian sich bemueht, aber auch, soviel wir sehen, von den roemischen Kaisern sie allein.
————————————————— ^49 Die Verfuegung Caesars bezeugen Appian (civ. 2, 88) und Plutarch (Caes. 48), und sie stimmt zu seinem eigenen Bericht (civ. 3, 80) recht gut; dagegen nennt Plinius (nat. 4, 8, 29) nur Pharsalos als freie Stadt. Zu Augustus’ Zeit wurde ein vornehmer Thessaler Petraeos (wahrscheinlich der Caesarianer, civ. 3, 35) lebendig verbrannt (Plut. praec. ger. reip. 19), ohne Zweifel nicht durch ein Privatverbrechen, sondern nach Beschluss des Landtags, und es wurden die Thessaler vor das Kaisergericht gestellt (Suet. Tib. 8). Vermutlich gehoeren beide Vorgaenge und ebenso der Verlust der Freiheit zusammen. ————————————————— Makedonien als roemischer Verwaltungsbezirk der Kaiserzeit ist, verglichen mit dem Makedonien der Republik, wesentlich verkleinert. Allerdings reicht es wie dieses von Meer zu Meer, indem die Kueste sowohl des Aegaeischen Meeres von der zu Makedonien gehoerigen Landschaft Thessalien an bis zur Muendung des Nestos (Mesta), wie auch die des Adriatischen vom Aoos ^50 bis zum Drilon (Drin) diesem Distrikt zugerechnet wurden; das letztere Gebiet, nicht eigentlich makedonisches, sondern illyrisches Land, aber schon in republikanischer Zeit dem Statthalter Makedoniens zugewiesen, ist auch in der Kaiserzeit bei der Provinz geblieben. Aber dass Griechenland suedlich vom Oeta davon getrennt ward, wurde schon gesagt. Die Nordgrenze gegen Moesien und die Ostgrenze gegen Thrakien blieben zwar insofern unveraendert, als die Provinz in der Kaiserzeit so weit reichte, wie auch das eigentliche Makedonien der Republik gereicht hatte, das heisst noerdlich etwa bis zum Tal des Erigon, oestlich bis zum Flusse Nestos; aber wenn in republikanischer Zeit die Dardaner und die Thraker und saemtliche dem makedonischen Gebiet benachbarte Voelkerschaften des Nordens und des Nordostens in ihren friedlichen wie in ihren kriegerischen Beruehrungen mit diesem Statthalter zu tun hatten und insofern gesagt werden konnte, dass die makedonische Grenze so weit reiche wie die roemischen Lanzen, so gebot der makedonische Statthalter der Kaiserzeit nur ueber den ihm angewiesenen, nirgends mehr mit halb oder ganz unabhaengigen Nachbarn grenzenden Bezirk. Da der Grenzschutz zunaechst auf das in roemische Botmaessigkeit gelangte Thrakerreich und bald auf den Statthalter der neuen Provinz Moesien ueberging, so wurde der von Makedonien seines Kommandos von vornherein enthoben. Es ist auch auf makedonischem Boden in der Kaiserzeit kaum gefochten worden; nur die barbarischen Dardaner am oberen Axios (Vardar) brandschatzten zuweilen noch die friedliche Nachbarprovinz. Auch von oertlichen Auflehnungen wird aus dieser Provinz nichts berichtet.
———————————————————- ^50 In der Zeit der Republik scheint Skodra zu Makedonien gehoert zu haben; in der Kaiserzeit sind dies und Lissus dalmatische Staedte und macht die Grenze an der Kueste die Muendung des Drin.
———————————————————- Von den suedlicheren griechischen Landschaften entfernt sich diese noerdlichste sowohl in dem nationalen Fundament wie in der Stufe der Zivilisation. Wenn die eigentlichen Makedonier an dem Unterlauf des Haliakmon (Vistritza) und des Axios (Vardar) bis zum Strymon ein urspruenglich griechischer Stamm sind, dessen Verschiedenheit von den suedlicheren Hellenen fuer die gegenwaertige Epoche keine Bedeutung mehr hat, und wenn die hellenische Kolonisation beide Kuesten in ihren Kreis hineingezogen hat, im Westen mit Apollonia und Dyrrhachion, im Osten namentlich mit den Ortschaften der Halbinsel Chalkidike, so ist dagegen das Binnenland der Provinz von einem Gewimmel ungriechischer Voelker erfuellt, das von den heutigen Zustaenden auf dem gleichen Gebiet mehr in seinen Elementen als in seinem Ergebnis sich unterschieden haben wird. Nachdem die bis in diese Gegend vorgedrungenen Kelten, die Skordisker, von den Feldherren der roemischen Republik zurueckgedraengt worden waren, teilten sich in das innere Makedonien insbesondere illyrische Staemme im Westen und Norden, thrakische im Osten. Von beiden ist schon frueher gesprochen worden; hier kommen sie nur insofern in Betracht, als die griechische Ordnung, wenigstens die staedtische, bei diesen Staemmen wohl wie in der frueheren ^51 so auch in der Kaiserzeit nur in beschraenktem Masse eingefuehrt worden ist. Ueberall ist ein energischer Zug staedtischer Entwicklung nie durch das makedonische Binnenland gegangen, die entlegeneren Landschaften sind wenigstens der Sache nach kaum ueber die Dorfwirtschaft hinausgekommen. —————————————————— ^51 Die staedtischen Gruendungen in diesen Gegenden ausserhalb des eigentlichen Makedoniens tragen ganz den Charakter eigentlicher Kolonien: so die von Philippi im Thrakerland und besonders die von Derriopos in Paeonien (Liv. 39 53), fuer welchen letzteren Ort auch die spezifisch makedonischen Politarchen inschriftlich bezeugt sind. Inschrift vom Jahre 197 n. Chr.: t/o/n peri Alexandron PHilippoy en Derriop/o/ politarch/o/n (Duchesne und Bayet, Mission au mont Athos, S. 103).
—————————————————— Die griechische Politie selbst ist in diesem Koenigsland nicht so wie in dem eigentlichen Hellas aus sich selber erwachsen, sondern durch die Fuersten eingefuehrt worden, die mehr Hellenen waren als ihre Untertanen. Welche Gestalt sie gehabt hat, ist wenig bekannt; doch laesst die in Thessalonike, Edessa, Lete gleichmaessig wiederkehrende, anderswo nicht begegnende Stadtvorstandschaft der Politarchen auf eine merkliche und ja auch an sich wahrscheinliche Verschiedenheit der makedonischen Stadtverfassung von der sonst in Hellas ueblichen schliessen. Die griechischen Staedte, welche die Roemer vorfanden, haben ihre Organisation und ihre Rechte behalten, die bedeutendste derselben, Thessalonike, auch die Freiheit und die Autonomie. Es bestand ein Bund und ein Landtag (koinon) der makedonischen Staedte, aehnlich wie in Achaia und Thessalien. Erwaehnung verdient als ein Zeugnis fuer die nachwirkende Erinnerung der alten grossen Zeit, dass noch in der Mitte des dritten Jahrhunderts nach Christus der Landtag von Makedonien und einzelne makedonische Staedte Muenzen gepraegt haben, auf denen der Kopf und der Name des regierenden Kaisers durch den Alexanders des Grossen ersetzt sind. Die ziemlich zahlreichen Kolonien roemischer Buerger, welche Augustus in Makedonien eingerichtet hat, Byllis unweit Apollonia, Dyrrachium am Adriatischen Meer, an der anderen Kueste Dium, Pella, Cassandrea, in dem eigentlich thrakischen Gebiet Philippi, sind saemtlich aeltere griechische Staedte, welche nur eine Anzahl Neubuerger und eine andere Rechtsstellung erhielten, und zunaechst ins Leben gerufen durch das Beduerfnis, die ausgedienten italischen Soldaten, fuer die in Italien selbst kein Platz mehr war, in einer zivilisierten und nicht stark bevoelkerten Provinz unterzubringen. Auch die Gewaehrung des italischen Rechts erfolgte gewiss nur, um den Veteranen die Ansiedelung im Ausland zu vergolden. Dass ein Hineinziehen Makedoniens in die italische Kulturentwicklung niemals beabsichtigt ward, dafuer zeugt, von allem andern abgesehen, dass Thessalonike griechisch und die Hauptstadt des Landes blieb. Daneben gedieh Philippi, eigentlich eine der nahen Goldbergwerke wegen angelegte Grubenstadt, von den Kaisern beguenstigt als Staette der die Monarchie definitiv begruendenden Schlacht und wegen der zahlreichen an derselben beteiligten und nachher dort angesiedelten Veteranen. Roemische, nicht koloniale Gemeindeverfassung hat bereits in der ersten Kaiserzeit Stobi erhalten, die schon erwaehnte noerdlichste Grenzstadt Makedoniens gegen Moesien am Einfluss des Erigon in den Axios, kommerziell wie militaerisch eine wichtige Position und vermutlich schon in makedonischer Zeit zu griechischer Politie gelangt.
In wirtschaftlicher Hinsicht ist fuer Makedonien auch unter den Kaisern von Staats wegen wenig geschehen; wenigstens tritt eine besondere Fuersorge derselben fuer diese nicht unter ihrer eigenen Verwaltung stehende Provinz nirgends hervor. Um die schon unter der Republik angelegte Militaerstrasse quer durch das Land von Dyrrachium nach Thessalonike, eine der wichtigsten Verkehrsadern des ganzen Reiches, haben sich, so viel wir wissen, erst die Kaiser des dritten Jahrhunderts, zuerst Severus Antoninus, wieder bemueht; die ihr anliegenden Staedte Lychnidos am Ochrida-See und Herakleia Lynkestis (Bitolia) haben nie viel bedeutet. Dennoch war Makedonien wirtschaftlich besser bestellt als Griechenland. Es uebertrifft dasselbe weitaus an Fruchtbarkeit; wie noch heute die Provinz von Thessalonike relativ gut bebaut und wohlbevoelkert ist, so wird auch in der Reichsbeschreibung aus Constantius’ Zeit, allerdings als Konstantinopel schon bestand, Makedonien zu den besonders wohlhabenden Bezirken gerechnet. Wenn fuer Achaia und Thessalien unsere die roemische Aushebung betreffenden Dokumente schlechthin versagen, so ist dagegen Makedonien dabei, namentlich auch fuer die Kaisergarde, in bedeutendem Umfang, staerker als die meisten griechischen Landschaften, in Anspruch genommen worden, wobei freilich die Gewoehnung der Makedonier an den regelmaessigen Kriegsdienst und ihre vorzuegliche Qualifikation fuer denselben, wohl auch die relativ geringe Entwicklung des staedtischen Wesens in dieser Provinz in Anschlag zu bringen sind. Thessalonike, die Metropole der Provinz und deren volkreichste und gewerbreichste Stadt dieser Zeit, gleichfalls in der Literatur mehrfach vertreten, hat auch in der politischen Geschichte durch den tapferen Widerstand, den seine Buergerin den schrecklichen Zeiten der Goteneinfaelle den Barbaren entgegensetzten, sich einen Ehrenplatz gesichert. Wenn Makedonien ein halb griechisches, so war Thrakien ein nicht griechisches Land. Von dem grossen, aber fuer uns verschollenen thrakischen Stamm ist frueher gesprochen worden. In seinen Bereich ist der Hellenismus lediglich von aussen gelangt; und es wird nicht ueberfluessig sein, zunaechst rueckblickend darzulegen, wie oft der Hellenismus an die Pforten der suedlichsten Landschaft, welche dieser Stamm inne hatte und die wir noch nach ihm nennen, bis dahin gepocht und wie wenig er bis dahin im Binnenland erreicht hatte, um deutlich zu machen, was Rom hier nachzuholen blieb und was es nachgeholt hat. Zuerst Philippos, der Vater Alexanders, unterwarf Thrakien und gruendete nicht bloss Kalybe in der Naehe von Byzantion, sondern im Herzen des Landes die Stadt, die seitdem seinen Namen traegt. Alexander, auch hier der Vorlaeufer der roemischen Politik, gelangte an und ueber die Donau und machte diesen Strom zur Nordgrenze seines Reiches; die Thraker in seinem Heere haben bei der Unterwerfung Asiens nicht die letzte Rolle gespielt. Nach seinem Tode schien der Hellespont einer der grossen Mittelpunkte der neuen Staatenbildung, das weite Gebiet von dort bis an die Donau ^52 die noerdliche Haelfte eines griechischen Reiches werden zu sollen, der Residenz des ehemaligen Statthalters von Thrakien, Lysimachos, der auf dem Thrakischen Chersones neugegruendeten Stadt Lysimacheia eine aehnliche Zukunft zu winken wie den Residenzen der Marschaelle von Syrien und Aegypten. Indes es kam dazu nicht; die Selbstaendigkeit dieses Reiches ueberdauerte den Fall seines ersten Herrschers (473 281) nicht. In dem Jahrhundert, welches von da bis auf die Begruendung der Vormachtstellung Roms im Orient verging, versuchten bald die Seleukiden, bald die Ptolemaeer, bald die Attaliden die europaeischen Besitzungen des Lysimachos in ihre Gewalt zu bringen, aber saemtlich ohne dauernden Erfolg. Das Reich von Tylis im Haemus, welches die Kelten nicht lange nach dem Tode Alexanders, ungefaehr gleichzeitig mit ihrer bleibenden Niederlassung in Kleinasien, im moesisch-thrakischen Gebiet gegruendet hatten, vernichtete die Saat griechischer Zivilisation in seinem Bereich und erlag selber waehrend des Hannibalischen Krieges den Angriffen der Thraker, die diese Eingedrungenen bis auf den letzten Mann ausrotteten. Seitdem gab es in Thrakien eine fuehrende Macht ueberhaupt nicht; die zwischen den griechischen Kuestenstaedten und den Fuersten der einzelnen Staemme bestehenden Verhaeltnisse, die ungefaehr denen vor Alexander entsprechen mochten, erlaeutert die Schilderung, die Polybios von der bedeutendsten dieser Staedte gibt: wo die Byzantier gesaet haben, da ernten die thrakischen Barbaren, und es hilft gegen diese weder das Schwert noch das Geld; schlagen die Buerger einen der Fuersten, so fallen dafuer drei andere in ihr Gebiet, und kaufen sie einen ab, so verlangen fuenf mehr den gleichen Jahrzins. Dem Bestreben der spaeteren makedonischen Herrscher, in Thrakien wieder festen Fuss zu fassen und namentlich die griechischen Staedte der Suedkueste in ihre Gewalt zu bringen, traten die Roemer entgegen, teils um Makedoniens Machtentwicklung ueberhaupt niederzuhalten, teils um nicht die wichtige, nach dem Orient fuehrende “Koenigsstrasse”, diejenige, auf der Xerxes nach Griechenland, die Scipionen gegen Antiochos marschierten, in ihrer ganzen Ausdehnung in makedonische Hand kommen zu lassen. Schon nach der Schlacht bei Kynoskephalae wurde die Grenzlinie ungefaehr so gezogen, wie sie seitdem geblieben ist. oefter versuchten die beiden letzten makedonischen Herrscher, sich dennoch in Thrakien sei es geradezu festzusetzen, sei es dessen einzelne Fuersten durch Vertraege an sich zu knuepfen; der letzte Philippos hat sogar Philippopolis abermals gewonnen und Besatzung hineingelegt, die die Odrysen freilich bald wieder vertrieben. Zu dauernder Festsetzung gelangte weder er noch sein Sohn, und die nach der Aufloesung Makedoniens den Thrakern von Rom eingeraeumte Selbstaendigkeit zerstoerte, was dort etwa von hellenischen Anfaengen noch uebrig sein mochte. Thrakien selbst wurde zum Teil schon in republikanischer, entschiedener in der Kaiserzeit roemisches Lehnsfuerstentum, dann im Jahre 46 n. Chr. roemische Provinz; aber die Hellenisierung des Landes war nicht hinausgekommen ueber den Saum griechischer Pflanzstaedte, welcher in fruehester Zeit sich auch um diese Kueste gelegt hatte, und im Lauf der Zeit eher gesunken als gestiegen. So maechtig und bleibend die makedonische Kolonisation den Osten ergriffen, so schwach und vergaenglich hat sie Thrakien beruehrt; Philipp und Alexander selbst scheinen die Ansiedelungen in diesem Lande widerwillig vorgenommen und geringgeschaetzt zu haben ^53. Bis weit in die Kaiserzeit hinein ist das Land den Eingeborenen, sind die an der Kueste uebriggebliebenen, fast alle heruntergekommenen Griechenstaedte ohne griechisches Hinterland geblieben.
—————————————————- ^52 Dass auch fuer Lysimachos die Donau Reichsgrenze war, geht hervor aus Paus. 1,9,6.
^53 Kalybe bei Byzantion entstand nach Strabon (7, 6, 2, p. 320) PHilippoy to? Am?ntoy to?s pon/e/ratotoys enta?tha idr?santos. Philippopolis soll sogar nach dem Bericht Theopomps (fr. 122 Mueller) als Pon/e/ropolis gegruendet sein und die entsprechenden Kolonisten empfangen haben. Wie wenig Vertrauen diese Angaben auch verdienen, so druecken sie doch in ihrem Zusammentreffen den Botany-Bay-Charakter dieser Gruendungen aus. —————————————————- Dieser von der makedonischen Grenze an bis zum Taurischen Chersonesos sich erstreckende Kranz hellenischer Staedte ist sehr ungleich geflochten. Im Sueden ist er dicht geschlossen von Abdera an bis nach Byzantion an den Dardanellen; doch hat keine dieser Staedte in spaeterer Zeit eine hervorragende Bedeutung gehabt, mit Ausnahme von Byzantion, das durch die Fruchtbarkeit seines Gebietes, die eintraegliche Thunfischerei, die ungemein guenstige Handelslage, den Gewerbefleiss und die durch die exponierte Lage nur gesteigerte und gestaehlte Tuechtigkeit seiner Buerger auch den schwersten Zeiten der hellenischen Anarchie zu trotzen gewusst hatte. Bei weitem duerftiger hatte die Ansiedlung sich an der Westkueste des Schwarzen Meeres entwickelt; an der spaeter zur roemischen Provinz Thrakien gehoerigen war nur Mesembria von einiger Bedeutung, an der spaeter moesischen Odessos (Varna) und Tomis (Kuestendsche). Jenseits der Donaumuendung und der roemischen Reichsgrenze an dem Nordgestade des Pontus lagen mitten im Barbarenland Tyra ^54 und Olbia; weiterhin machten die alten und grossen griechischen Kaufstaedte auf der heutigen Krim, Herakleia oder Chersonesos und Pantikapaeon, einen stattlichen Schlussstein. Alle diese Ansiedlungen genossen des roemischen Schutzes, seit die Roemer ueberhaupt die Vormacht auf dem griechisch-asiatischen Kontinent geworden waren, und der starke Arm, der das eigentliche hellenische Land oft schwer traf, verhinderte hier wenigstens Katastrophen wie die Zerstoerung von Lysimacheia. Die Beschuetzung dieser Griechen gehoerte in republikanischer Zeit zu den Obliegenheiten teils des Statthalters von Makedonien, teils des von Bithymen, seit auch dies roemisch war; Byzantion ist spaeter bei Bithynien geblieben ^55. Im uebrigen ging in der Kaiserzeit nach Einrichtung der Statthalterschaft von Moesien und spaeter derjenigen von Thrakien die Schutzleistung auf diese ueber. ———————————————- ^54 Doch reicht die noerdliche bessarabische Linie, die vielleicht roemisch ist, bis nach Tyra.
^55 Dass Byzantion noch in traianischer Zeit unter dem Statthalter von Bithynien stand, folgt aus Plin. ep. ad Trai. 43. Aus den Gratulationen der Byzantier an die Legaten von Moesien kann die ihrer Lage nach kaum moegliche Zugehoerigkeit zu dieser Statthalterschaft nicht geschlossen werden; die Beziehungen zu dem Statthalter von Moesien erklaeren sich aus den Handelsverbindungen der Stadt mit den moesischen Hafenplaetzen. Dass Byzanz auch im Jahre 53 unter dem Senat stand, also nicht zu Thrakien gehoerte, geht aus Tacitus ann. 12, 62 hervor. Zugehoerigkeit zu Makedonien unter der Republik bezeugt Cicero (Pis. 35, 86; prov. 4, 6) nicht, da die Stadt damals frei war. Diese Freiheit scheint, wie bei Rhodos, oft gegeben und oft genommen zu sein. Cicero, a. a. O., spricht sie ihr zu; im Jahre 53 ist sie tributpflichtig; Plinius (nat. 4, 11, 46) fuehrt sie als freie Stadt auf; Vespasian entzieht ihr die Freiheit (Suet. Vesp. 8).
———————————————- Schutz und Gunst gewaehrte diesen Griechen Rom von jeher; aber um die Ausdehnung des Hellenismus hat weder die Republik noch die fruehere Kaiserzeit sich bemueht ^56. Nachdem Thrakien roemisch geworden war, ist es in Landkreise eingeteilt worden ^57; und bis fast an das Ende des ersten Jahrhunderts ist dort keine Stadtanlage zu verzeichnen, mit Ausnahme zweier Pflanzstaedte des Claudius und des Vespasianus, Apri im Binnenland, nicht weit von Perinthos, und Deultus an der noerdlichsten Kueste ^58. Domitian hat damit begonnen, griechische Stadtverfassung im Binnenland einzufuehren, zuerst fuer die Landeshauptstadt Philippopolis. Unter Traianus erhielten eine Reihe anderer thrakischer Ortschaften das gleiche Stadtrecht: Topeiros unweit Abdera, Nikopolis am Nestos, Plotinopolis am Hebros, Pautalia bei Koestendil, Serdica jetzt Sofia, Augusta Traiana bei Alt-Zagora, ein zweites Nikopolis am noerdlichen Abhang des Haemus ^59 ausserdem an der Kueste Traianopolis an der Hebrosmuendung; ferner unter Hadrian Adrianopolis, das heutige Adrianopel. Alle diese Staedte waren nicht Kolonien von Auslaendern, sondern nach dem von Augustus in dem epirotischen Nikopolis aufgestellten Muster zusammengefasste, griechisch organisierte Poliden; es war eine Zivilisierung und Hellenisierung der Provinz von oben herab. Ein thrakischer Landtag bestand seitdem in Philippopolis ebenso wie in den eigentlich griechischen Landschaften. Dieser letzte Trieb des Hellenismus ist nicht der schwaechste. Das Land ist reich und anmutig – eine Muenze der Stadt Pautalia preist den vierfachen Segen der Aehren, der Trauben, des Silbers und des Goldes; und Philippopolis sowie das schoene Tal der Tundja sind die Heimat der Rosenzucht und des Rosenoels – und die Kraft des thrakischen Schlages war nicht gebrochen. Es entwickelte sich hier eine dichte und wohlhabende Bevoelkerung; der starken Aushebung in Thrakien wurde schon gedacht und in der Taetigkeit der staedtischen Muenzstaetten stehen fuer diese Epoche wenige Gebiete Thrakien gleich. Als Philippopolis im Jahre 251 den Goten erlag, soll es hunderttausend Einwohner gezaehlt haben. Auch die energische Parteinahme der Byzantier fuer den Kaiser des griechischen Ostens, Pescennius Niger, und der mehrjaehrige Widerstand, den die Stadt noch nach dessen Untergang dem Sieger entgegenstellte, zeigen die Mittel und den Mut dieser thrakischen Staedter. Wenn die Byzantier auch hier unterlagen und sogar eine Zeitlang ihr Stadtrecht einbuessten, so sollte bald die durch den Aufschwung des thrakischen Landes sich vorbereitende Zeit eintreten, wo Byzantion das neue hellenische Rom und die Hauptresidenz des umgewandelten Reiches ward. ————————————————— ^56 Dies verbuergt das Fehlen von Muenzen der thrakischen Binnenstaedte, welche nach Metall und Stil in die aeltere Zeit gesetzt werden koennten. Dass eine Anzahl thrakischer, besonders odrysischer Fuersten zum Teil schon in recht frueher Zeit gepraegt haben, beweist nur, dass sie ueber Kuestenplaetze mit griechischer oder halbgriechischer Bevoelkerung geboten. Ebenso wird auch zu urteilen sein ueber die ganz vereinzelt stehenden Tetradrachmen der “Thraker” (A. v. Sallet in Zeitschrift fuer Numismatik 3, 1876, S. 241). Auch die im thrakischen Binnenland gefundenen Inschriften sind durchgaengig aus roemischer Zeit. Das in Bessapara, jetzt Tatar Bazardjik, westlich von Philippopolis, von Dumont (Inscriptions de la Thrace, S. 7) gefundene Dekret einer nicht genannten Stadt wird freilich in gute makedonische Zeit gesetzt, aber nur nach dem Charakter der Schrift, welcher vielleicht truegt. ^57 Die fuenfzig Strategien Thrakiens (Plin. nat. 4,11, 40; Ptol. geogr. 3, 11, 6) sind nicht Militaerbezirke, sondern, wie dies namentlich bei Ptolemaeos deutlich hervortritt, Landkreise, die sich mit den Staemmen decken (strat/e/gi/e/ Maidik/e/, Bessik/e/ u.s.w.) und Gegensatz zu den Staedten bilden. Die Bezeichnung strat/e/gos hat, ebenso wie praetor, ihren urspruenglich militaerischen Wert spaeter eingebuesst. Hier liegt wohl zunaechst die Analogie von Aegypten zu Grunde, das ebenso in Stadtgebiete unter staedtischen Magistraten und in Landkreise unter Strategen zerfiel. Ein strat/e/gos peri Perinthon aus roemischer Zeit: Eph. epigr. II, p. 252. ^58 In Deultus, der colonia Flavia Pacis Deultensium, wurden Veteranen der 8. Legion versorgt (CIL VI, 3828). Flaviopolis auf dem Chersones, das alte Coela, ist gewiss nicht Kolonie gewesen (Plin, nat. 4, 11, 47), sondern gehoert zu der eigenartigen Ansiedelung des Kaisergesindes auf diesem Domanialbesitz (Eph. epigr. V, p. 82).
^59 Diese Stadt Nikopolis /e/ peri Aim/o/n des Ptolemaeos (geogr. 3, 11, 7), Nikopolis pros Istron der Muenzen, das heutige Nikup an der Jantra, gehoert geographisch zu Untermoesien und, wie die Statthalternamen der Muenzen zeigen, seit Severus auch administrativ; aber nicht bloss fuehrt Ptolemaeos es bei Thrakien auf, sondern die Fundorte der hadrianischen Terminalsteine (CIL III, 736, vgl. p. 992) scheinen es ebenfalls zu Thrakien zu stellen. Da diese griechische Binnenstadt weder zu den lateinischen Stadtgemeinden Untermoesiens noch zu dem koinon des moesischen Pontus passte, ist sie bei der ersten Ordnung der Verhaeltnisse dem koinon der Thraker zugewiesen worden. Spaeter muss sie freilich einem oder dem andern jener moesischen Verbaende angeschlossen worden sein.
————————————————— In der benachbarten Provinz Untermoesien hat sich, freilich in geringerem Masse, eine aehnliche Entwicklung vollzogen. Die griechischen Kuestenstaedte, deren Metropole wenigstens in roemischer Zeit Tomis war, wurden, wahrscheinlich bei Konstituierung der roemischen Provinz Moesien, zusammengefasst als “Fuenfstaedtebund des linken Ufers des Schwarzen Meeres” oder, wie er auch sich nennt, “der Griechen”, das heisst der Griechen dieser Provinz. Spaeter ist als sechste Stadt die unweit der Kueste an der thrakischen Grenze von Traian angelegte und gleich den thrakischen griechisch geordnete Stadt Markianopolis diesem Bund angeschlossen worden ^60. Dass die Lagerstaedte am Donauufer und ueberhaupt die im Binnenland von Rom ins Leben gerufenen Ortschaften nach italischem Muster eingerichtet wurden, ist frueher bemerkt worden; Untermoesien ist die einzige durch die Sprachgrenze durchschnittene roemische Provinz, indem der tomitanische Staedtebund dem griechischen, die Donaustaedte wie Durostorum und Oescus dem lateinischen Sprachgebiet angehoeren. Im uebrigen gilt von diesem moesischen Staedtebund wesentlich das gleiche, was ueber Thrakien bemerkt ward. Wir haben eine Schilderung von Tomis aus den letzten Jahren des Augustus, freilich von einem dahin zur Strafe Verbannten, aber sicher im wesentlichen getreu. Die Bevoelkerung besteht zum groesseren Teil aus Geten und Sarmaten; sie tragen, wie die Daker auf der Traianssaeule, Pelze und Hosen, langes flatterndes Haar und den Bart ungeschoren, erscheinen auf der Strasse zu Pferde und mit dem Bogen bewaffnet, den Koecher auf der Schulter, das Messer im Guertel. Die wenigen Griechen, die unter ihnen sich finden, haben die barbarische Sitte angenommen mit Einschluss der Hosen und wissen ebensogut oder besser getisch als griechisch sich auszudruecken; der ist verloren, der sich nicht auf getisch verstaendlich machen kann, und kein Mensch versteht ein Wort lateinisch. Vor den Toren hausen raeuberische Scharen der verschiedensten Voelker und ihre Pfeile fliegen nicht selten ueber die schuetzende Stadtmauer; wer seinen Acker zu bestellen wagt, der tut es mit Lebensgefahr, und pfluegt bewaffnet – war doch um die Zeit von Caesars Diktatur bei dem Zuge des Burebista die Stadt den Barbaren in die Haende gefallen und wenige Jahre, bevor jener Verbannte nach Tomis kam, waehrend der dalmatisch-pannonischen Insurrektion ueber diese Gegend abermals die Kriegsfurie hingebraust. Zu diesen Erzaehlungen passen die Muenzen und die Inschriften derselben Stadt insofern wohl, als die Metropole des linkspontischen Staedtebundes in der vorroemischen Zeit kein Silber geschlagen hat, was manche andere dieser Staedte taten, und dass ueberhaupt Muenzen wie Inschriften aus der Zeit vor Traian nur vereinzelt begegnen. Aber im 2. und 3. Jahrhundert ist sie umgewandelt und kann ziemlich mit demselben Recht eine Gruendung Traians heissen wie das ebenfalls rasch zu bedeutender Entwicklung gelangte Markianopolis. Die frueher erwaehnte Sperrung in der Dobrudscha diente zugleich als Schutzmauer fuer die Stadt Tomis. Hinter dieser bluten daselbst Handel und Schiffahrt auf. Es gab in der Stadt eine Genossenschaft alexandrinischer Kaufleute mit ihrer eigenen Serapiskapelle ^61; in munizipaler Freigebigkeit und munizipaler Ambition steht die Stadt hinter keiner griechischen Mittelstadt zurueck; zweisprachig ist sie auch jetzt noch, aber in der Weise, dass neben der auf den Muenzen immer festgehaltenen griechischen Sprache hier an der Grenze der beiden Reichssprachengebiete auch die lateinische vielfach selbst auf oeffentlichen Denkmaelern angewendet wird.
—————————————————– ^60 Das koinon t/e/s Pentapole/o/s findet sich auf einer Inschrift von Odessos (CIG 2056 c) die fueglich der frueheren Kaiserzeit angehoeren kann, die pontische Hexapolis auf zwei Inschriften von Tomis wahrscheinlich des 2. Jahrhunderts n. Chr. (Marquardt, Roemische Staatsverwaltung, Bd. 1, z. Aufl., S. 305; Hirschfeld in Archaeologisch-epigraphische Mittheilungen 6, 1882, S. 22). Die Hexapolis muss auf jeden Fall und danach wahrscheinlich auch die Pentapolis, mit den roemischen Provinzialgrenzen in Einklang gebracht werden, das heisst die griechischen Staedte Untermoesiens in sich schliessen. Diese finden sich auch, wenn man den sichersten Fuehrern, den Muenzen der Kaiserzeit, folgt. Muenzstaetten (von Nikopolis abgesehen, Anm. 59) gibt es in Untermoesien sechs: Istros, Tomis, Kallatis, Dionysopolis, Odessos und Markianopolis, und da die letzte Stadt von Traian gegruendet ward, so erklaert sich damit zugleich die Pentapolis. Tyra und Olbia haben schwerlich dazu gehoert; wenigstens zeigen die zahlreichen und redseligen Denkmaeler der letzteren Stadt nirgends eine Anknuepfung an diesen Staedtebund. Koinon t/o/n Ell/e/n/o/n heisst derselbe auf einer Inschrift von Tomis, welche ich hier wiederhole, da sie nur in der athenischen Pandora vom 1. Juni 1868 gedruckt ist: Agath/e/ t?ch/e/. Kata ta doxanta t/e/ krat/e/st/e/ boyl/e/ kai t/o/ lamprotat/o/ d/e/m/o/ t/e/s lamprotat/e/s metropole/o/s kai a toi epon?moy Pontoy Tome/o/s ton Pontarch/e/n Preiskion Annianon arxanta toi koino? t/o/n Ell/e/n/o/n kai t/e/s metropole/o/s t/e/n a’ arch/e/n agn/o/s, kai archierasamenon, t/e/n diopl/o/n kyneg/e/si/o/n endox/o/s philoteimian m/e/ dialiponta, alla kai boyleyt/e/n kai t/o/n pr/o/teyont/o/n PHlabias Neas pole/o/s, kai t/e/n archiereian s?mbion ayto? Ioylian Apolaist/e/n pas/e/s teim/e/s charein. ^61 Das zeigt die merkwuerdige Inschrift bei Allard, La Bulgarie Orientale. Paris 1863, S. 263: THe/o/ megal/o/ Sarap{idi kai} tois synnaiois theois kai t/o/ aytokratori T. Aili/o/ Adrian/o/ Ant/o/nein/o/ Sebast/o/ Eysebei kai M. Ayr/e/li/o/ Oy/e/r/o/ Kaisari Karpi/o/n Anoybi/o/nos t/o/ oik/o/ Alexandre/o/n ton b/o/mon ek t/o/n idi/o/n aneth/e/ken etoys kg’ m/e/nos PHarmoythi a’ epi iere/o/n Kornoytoy to? kai Sarapi/o/nos Pol?mnoy to? kai Longeinoy. Die Schiffergilde von Tomis begegnet mehrfach in den Inschriften der Stadt. —————————————————– Jenseits der Reichsgrenze, zwischen der Donaumuendung und der Krim, hatte der griechische Kaufmann die Kueste wenig besiedelt; es gab hier nur zwei namhafte griechische Staedte, beide von Miletos aus in ferner Zeit gegruendet, Tyra an der Muendung des gleichnamigen Flusses, des heutigen Dnjestr, und Olbia an dem Busen, in welchen der Borysthenes (Dnjepr) und der Hypanis (Bug) fallen. Die verlorene Stellung dieser Hellenen unter den sie umdraengenden Barbaren in der Diadochenzeit sowohl wie waehrend der Vorherrschaft der roemischen Republik ist frueher geschildert worden. Die Kaiser brachten Hilfe. Im Jahre 56, also in dem musterhaften Anfang der Neronischen Regierung, ist Tyra zur Provinz Moesien gezogen worden. Von dem entfernteren Olbia besitzen wir eine Schilderung aus traianischer Zeit ^62: die Stadt blutete noch aus ihren alten Wunden; die elenden Mauern umschlossen gleich elende Haeuser und das damals bewohnte Quartier fuellte einen kleinen Teil des alten ansehnlichen Stadtringes, von dem einzelne uebriggebliebene Tuerme weit hinaus auf dem wuesten Felde standen; in den Tempeln gab es kein Goetterbild, das nicht die Spuren der Barbarenfaeuste trug; die Bewohner hatten ihr Hellenentum nicht vergessen, aber sie trugen und schlugen sich nach Art der Skythen, mit denen sie taeglich im Gefecht lagen. Ebenso oft wie mit griechischen nennen sie sich mit skythischen Namen, das heisst mit denen der den Iraniern verwandten sarmatischen Staemme ^63; ja im Koenigshause selbst ward Sauromates ein gewoehnlicher Name. Ihr Fortbestehen selbst hatten diese Staedte wohl weniger der eigenen Kraft zu danken als dem guten Willen oder vielmehr dem eigenen Interesse der Eingeborenen. Die an dieser Kueste sitzenden Voelkerschaften waren weder imstande, den auswaertigen Handel aus eigenen Emporien zu fuehren, noch mochten sie ihn entbehren; in den hellenischen Kuestenstaedten kauften sie Salz, Kleidungstuecke, Wein, und die zivilisierteren Fuersten schuetzten einigermassen die Fremden gegen die Angriffe der eigentlichen Wilden. Die frueheren Regenten Roms muessen Bedenken getragen haben, den schwierigen Schutz dieser entlegenen Niederlassung zu uebernehmen; dennoch sandte Pius, als die Skythen sie wieder einmal belagerten, ihnen roemische Hilfstruppen und zwang die Barbaren, Frieden zu bieten und Geiseln zu stellen. Durch Severus, von dem an Olbia Muenzen mit dem Bildnis der roemischen Herrscher schlug, muss die Stadt dem Reiche geradezu einverleibt worden sein. Selbstverstaendlich erstreckte sich diese Annektierung nur auf die Stadtgebiete selbst und ist nie daran gedacht worden, die barbarischen Umwohner Tyras und Olbias unter das roemische Szepter zu bringen. Es ist schon bemerkt worden, dass diese Staedte die ersten waren, welche, vermutlich unter Alexander ( + 235), dem beginnenden Gotensturm erlagen.
—————————————————- ^62 Das stets bekriegte und oft zerstoerte Olbia erlitt nach der Angabe Dios (Borysth. p. 75 R.) etwa 150 Jahre vor seiner Zeit das heisst etwa vor dem Jahre 100 n. Chr., also wahrscheinlich bei dem Zug des Burebista, die letzte und schwerste Eroberung (t/e/n teleytaian kai megist/e/n al/o/sin). Eilon de, faehrt Dion fort, kai ta?t/e/n Getai kai tas allas tas en tois aristerois to? Pontoy poleis mechri Apoll/o/nias (Sozopolis oder Sizebolu, die letzte namhafte Griechenstadt an der pontischen Westkueste) othen d/e/ kai sphodra tapeina ta pragmata katest/e/ t/o/n ta?t/e/ Ell/e/n/o/n, t/o/n men oyketi syoikistheis/o/n pole/o/n, t/o/n de pha?l/o/s kai t/o/n pleist/o/n barbar/o/n eis aytas syrryent/o/n. Der junge vornehme Stadtbuerger ausgepraegter ionischer Physiognomie, dem Dion dann begegnet, welcher zahlreiche Sarmaten erschlagen oder gefangen hat, und zwar den Phokylides nicht kennt, aber den Homer auswendig weiss, traegt Mantel und Hosen nach Skythenart und das Messer im Gurt. Die Stadtbuerger alle tragen langes Haar und langen Bart und nur einer beides geschoren, was ihm als Zeichen serviler Haltung gegen die Roemer verdacht wird. Also ein Jahrhundert spaeter sah es dort ganz so aus, wie Ovidius Tomis schildert.
^63 Ganz gewoehnlich heisst der Vater skythisch, der Sohn griechisch, oder auch umgekehrt; zum Beispiel verzeichnet eine unter oder nach Traian gesetzte Inschrift von Olbia (CIG 2074) sechs Strategen: M. Ulpius Pyrrhus Sohn des Arseuaches, Demetrios Sohn des Xessagaros, Zoilos Sohn des Arsakes, Badakes Sohn des Radanpson, Epikrates Sohn des Koxuros, Ariston Sohn des Vargadakes. —————————————————- Wenn auf dem Kontinent im Norden des Pontus die Griechen sich nur spaerlich angesiedelt hatten, so war die grosse, aus dieser Kueste vorspringende Halbinsel, der Taurische Chersonesos, die heutige Krim, seit langem zum grossen Teil in ihren Haenden. Getrennt durch die Gebirge, welche die Taurier innehatten, waren die beiden Mittelpunkte der griechischen Niederlassung auf ihr am westlichen Ende die dorische freie Stadt Herakleia oder Chersonesos (Sevastopol), am oestlichen das Fuerstenrum von Pantikapaeon oder Bosporus (Kertsch). Koenig Mithradates hatte auf der Hoehe seiner Macht beide vereinigt und hier sich ein zweites Nordreich gegruendet, das dann nach dem Zusammenbruch seiner Herrschaft als einziger Ueberrest derselben seinem Sohn und Moerder Pharnakes verblieb. Als dieser waehrend des Krieges zwischen Caesar und Pompeius versuchte, die vaeterliche Herrschaft in Kleinasien wieder zu gewinnen, hatte Caesar ihn besiegt und ihn auch des Bosporanischen Reiches verlustig erklaert. In diesem hatte inzwischen der von Pharnakes daselbst zurueckgelassene Statthalter Asandros dem Koenig den Gehorsam aufgekuendigt, in der Hoffnung, durch diesen Caesar erwiesenen Dienst selbst das Koenigtum zu erlangen. Als Pharnakes nach der Niederlage in sein Bosporanisches Reich zurueckkam, bemaechtigte er zwar zunaechst sich wieder seiner Hauptstadt, unterlag aber schliesslich und fiel tapfer fechtend in der letzten Schlacht, als Soldat wenigstens seinem Vater nicht ungleich. Um die Nachfolge stritten Asandros, der tatsaechlich Herr des Landes war, und Mithradates von Pergamon, ein tuechtiger Offizier Caesars, den dieser mit dem bosporanischen Fuerstenrum belehnt hatte; beide suchten zugleich Anlehnung an die bisher im Bosporus herrschende Dynastie und den grossen Mithradates, indem Asandros sich mit der Tochter des Pharnakes, Dynamis, vermaehlte, Mithradates, einem pergamenischen Buergerhaus entsprossen, ein Bastardsohn des grossen Mithradates Eupator zu sein behauptete, sei es nun, dass dieses Gerede die Auswahl bestimmte, sei es, dass es zur Rechtfertigung der Auswahl in Umlauf gesetzt ward. Da Caesar selbst zunaechst durch wichtigere Aufgaben in Anspruch genommen war, so entschieden zwischen dem legitimen und dem illegitimen Caesarianer die Waffen, und zwar wieder zu Gunsten des letzteren; Mithradates fiel im Gefecht und Asandros blieb Herr im Bosporus. Er vermied es anfaenglich, ohne Zweifel, weil ihm die Bestaetigung des Lehnsherrn fehlte, sich den Koenigsnamen beizulegen, und begnuegte sich mit dem auch von den aelteren Fuersten von Pantikapaeon gefuehrten Archontentitel; aber bald, wahrscheinlich noch von Caesar selbst, erwirkte er die Bestaetigung seiner Herrschaft und den koeniglichen Titel ^64. Bei seinem Tode (737/38 17/16) hinterliess er sein Reich der Gemahlin Dynamis. So stark war immer noch die Macht der Erbfolge und des Mithradatischen Namens, dass sowohl ein gewisser Scribonianus, der zunaechst Asandros’ Stelle einzunehmen versuchte, wie nach ihm der Koenig Polemon von Pontus, dem Augustus das Bosporanische Reich zusprach, mit der Uebernahme der Herrschaft ein Ehebuendnis mit der Dynamis verbanden; ueberdies behauptete jener, selber ein Enkel des Mithradates zu sein, waehrend Koenig Polemon bald nach dem Tode der Dynamis eine Enkelin des Antonius und somit eine Verwandte des Kaiserhauses heiratete. Nach seinem fruehen Tode – er fiel im Kampfe gegen die Aspurgianer an der asiatischen Kueste – folgten seine unmuendigen Kinder ihm nicht und auch seinem gleichnamigen Enkel, den Kaiser Gaius trotz seines Knabenalters im Jahre 38 in die beiden Fuerstenroemer seines Vaters wieder einsetzte, blieb das bosporanische nicht lange. An seiner Stelle berief Kaiser Claudius einen wirklichen oder angeblichen Nachkommen des Mithradates Eupator, und diesem Hause ist, wie es scheint, das Fuerstenrum von da an verblieben ^65. ———————————————- ^64 Da Asandros sein Archontat wahrscheinlich schon von seinem Abfall von Pharnakes, also vom Sommer des Jahres 707 (47) gezaehlt hat und bereits im vierten Jahre seiner Regierung den Koenigstitel annimmt, so kann dieses Jahr fueglich auf Herbst 709/710 (45/44) gesetzt werden, die Bestaetigung also von Caesar erfolgt sein. Antonius kann sie nicht wohl erteilt haben, da er erst Ende 712 (42) nach Asien kam; noch weniger ist an Augustus zu denken, den Pseudo- Lukianos (macrob. 15) nennt, Vater und Sohn verwechselnd. ^65 Mithradates den Claudius im Jahre 41 zum Koenig des Bosporus machte, fuehrte sein Geschlecht auf Eupator zurueck (Dio 60, 8; Tac. ann. 12, 18) und ihm folgte sein Bruder Kotys (Tac. a. a. O.). Ihr Vater heisst Aspurgos (CIG II, p. 95), braucht aber darum kein Aspurgianer (Strab. 11, 2, 19, p. 415) gewesen zu sein. Von einem spaeteren Dynastiewechsel wird nicht berichtet; Koenig Eupator in Pius Zeit (Lukian. Alex. 57; vita Pii 9) weist auf das gleiche Haus. Wahrscheinlich haben uebrigens diese spaeteren bosporanischen Koenige so wie die uns nicht einmal dem Namen nach bekannten naechsten Nachfolger Polemons auch zu den Polemoniden in verwandtschaftlichen Beziehungen gestanden, wie denn der erste Polemon selbst eine Enkelin des Eupator zur Frau gehabt hatte. Die thrakischen Koenigsnamen, wie Kotys und Rhaskuporis, die in dem bosporanischen Koenigshaus gewoehnlich sind, knuepfen wohl an den Schwiegersohn des Polemon, den thrakischen Koenig Kotys, an. Die Benennung Sauromates, welche seit dem Ende des 1. Jahrhunderts haeufig auftritt, ist ohne Zweifel durch Verschwaegerung mit